Gebundener Ganztag in Saarbrücken Ludwigspark : Datum: Autor: Autor/in: Stephan Lüke

Modern, pädagogisch innovativ und dem gebundenen Ganztag verschrieben: Die Gemeinschaftsschule Saarbrücken Ludwigspark setzt auf Qualität und die Bereitschaft zum Wandel. Für rund 2,9 Millionen Euro wird sie derzeit umgebaut.

Zwei Baustellen nebeneinander. Und doch könnten sie nicht unterschiedlicher sein. Hier der traditionsreiche Ludwigspark des ebenso traditionsreichen 1. FC Saarbrücken, der derzeit sein Dasein als Regionalligist fristen muss. Doch während den Betrachter beim Blick auf die Arena ein wenig das Gefühl beschleicht, dass es hier nicht so recht vorangeht, sieht es wenige Meter weiter völlig anders aus. Ja, auch die Gemeinschaftsschule Saarbrücken Ludwigspark ist eine Baustelle. Doch hier bewegt sich viel.

Gemeinschaftsschule Saarbrücken-Ludwigspark
© Gemeinschaftsschule Saarbrücken-Ludwigspark

Täglich schreitet der Umbau zu einer modernen, mit bester Technik, freundlichen, hellen und farbigen Räumen ausgestatteten Schule voran. Und auch leistungsmäßig ist man den Kickern von nebenan ein deutliches Stück voraus. Das Ziel, gebundene Ganztagsschule zu werden, ist schon erreicht. Am pädagogischen Angebot der jüngsten Ganztagsschule im Saarland wird ständig gefeilt.  „Nur Qualitätsentwicklung im permanenten Prozess ermöglicht, das Beste für Schülerinnen und Schüler zu erreichen“, versichert die stellvertretende Schulleiterin Martina Thielmann.

Und so muss sich hier, um im Sportbild zu bleiben, niemand mit Abstiegssorgen plagen. Denn die Lehrkräfte dieser Schule, die erst vor knapp neun Jahren, damals als Gesamtschule, am Standort einer auslaufenden Erweiterten Realschule gegründet wurde, fühlen sich Leitsätzen wie diesem verpflichtet: „Wir vermitteln Werte, Normen und Kompetenzen, die die Selbstachtung von Schülerinnen und Schülern fördern und sie zu eigenverantwortlichem Handeln befähigen“.

Motto: „Eine Schule für alle Kinder“

Der stete Wandel der Schule, vor allem aber die Bereitschaft der hier Tätigen, gesellschaftlichen Entwicklungen und neuen pädagogischen Erkenntnissen Rechnung zu tragen, prägen das Klima dieses Hauses. Die rund 500 Schülerinnen und Schüler kommen  aus den Stadtteilen Malstatt und Burbach und zu etwa 70 Prozent aus Familien mit Migrationshintergrund. Fast ebenso viele haben Anrecht auf Unterstützung aus dem Bildungs- und Teilhabepaket. Hier in diesen Vierteln finden aktuell geflüchtete Familien ihre erste Unterkunft. Doch das kann weder Schulleitung noch Kollegium erschüttern.

Gemeinschaftsschule Saarbrücken-Ludwigspark
© Gemeinschaftsschule Saarbrücken-Ludwigspark

„Wir haben uns stets dem Motto ,eine Schule für alle Kinder` verschrieben“, sagt Martina Thielmann. Eine ganz wesentliche Aufgabe sehen sie und ihr Team daher in der täglichen Beziehungsarbeit mit den Kindern und Jugendlichen. „Genau dafür bietet der gebundene Ganztag extrem große Chancen“, betonen der zweite stellvertretende Schulleiter Torsten Stoll und Ganztagskoordinator Christian Bronkalla. Den gebundenen Ganztag bietet die Schule nunmehr im zweiten Schuljahr an.

Lernen in Lernlandschaften, mit Unterstützung des Schulträgers

Womit wir wieder bei der Baustelle wären. Die räumliche, Stück für Stück voranschreitende und rund 2,9 Millionen Euro kostende Ausstattung ist untrennbar mit dem pädagogischen Konzept verbunden. Nach Besuchsreisen an schwedische Schulen, an denen auch der leitende Architekt des Schulträgers teilnahm, entstanden aus den Ideen die Entwürfe für ein im Saarland einmaliges Raumkonzept: Klassenräume in traditioneller Größe werden in der Mitte der Etage von einer großen Freifläche unterbrochen, der Lernlandschaft.  Jahrgangsteams teilen sich  jeweils die Lernlandschaft,  zusätzlich befinden sich zwei Differenzierungsräume sowie ein Teamraum auf jeder Etage.

Gemeinschaftsschule Saarbrücken-Ludwigspark
© Gemeinschaftsschule Saarbrücken-Ludwigspark

Die im nächsten Bauabschnitt entstehenden Lerninseln stehen allen Jahrgängen für individualisierende Lernarrangements zur Verfügung.  Die Gemeinschaftsschule Ludwigspark entschied sich damit für ein die pädagogische Vision unterstützendes Raumkonzept, das dem Lernen im Klassenraum weiteren (Spiel-)Raum für individuelles Lernen an die Seite stellt.  Das Warum erläutert der Ganztagskoordinator: „Wir möchten unsere Schülerinnen und Schüler während des gesamten Unterrichts dazu animieren, selbstständig zu arbeiten, nicht nur an ihrem Platz im Klassenzimmer zu kleben, sondern rauszugehen, dort alleine oder gemeinsam mit anderen Schülerinnen und Schülern ihr Tages- und Wochenpensum zu erledigen.“

TÜV-gestärkt in den Schulalltag

An diese gewünschte Eigenverantwortung werden die Schüler im wahrsten Sinne des Wortes früh herangeführt. Sprich: nicht nur bereits ab Klasse 5, sondern morgens um 8 Uhr.  Dem Offenen Beginn (7.30 – 8 Uhr) folgt jeden Morgen die TÜV-Zeit.  Dann heißt es Trainieren, Üben, Vertiefen. Je nach Aufgabenstellung oder -wahl (die Schülerinnen und Schüler wählen ihre TÜV-Aufgabe aus dem Angebot selbst aus) jeder für sich, danach, wenn gewünscht, zu zweit oder in der Gruppe, die sich spätestens im kommenden Sommer nach Abschluss der Umbauarbeiten in der Lernlandschaft trifft. Zur TÜV-Methodik zählt auch der Leitsatz: „Ich hole mir Hilfe in der Tischgruppe, bevor ich den Lehrer frage.“

Begleitet werden die Schülerinnen und Schüler während ihrer gesamten Schullaufbahn am Ludwigspark von einem Tutoren-Duo. Dieses setzt sich meist aus einer weiblichen und einer männlichen Lehrkraft, die gemeinsam ein möglichst breites Fächerspektrum abdecken, zusammen. Damit ist weitgehend garantiert, dass alle Fragen, die in der TÜV-Zeit aufkommen, beantwortet werden können. Ist darüber hinaus weiteres Fachwissen gefragt, steht die Tür zur Nachbarklasse offen.

Es kennzeichnet die Flexibilität und Bereitschaft, auch das eigene Handeln zu hinterfragen, dass beispielsweise das TÜV-Konzept innerhalb der ersten zwei Ganztagsjahre bereits verändert wurde. Im ersten Jahrgang lag die „Trainingsstunde“ kurz vor der gut anderthalb Stunden langen Mittagspause. „Doch da waren die Kinder nicht mehr so aufnahmefähig. Morgens gehen sie fit und hochmotiviert an diese Arbeit“, betont Torsten Stoll. Sie umfasst klare Wochenaufträge, die schriftlich formuliert an den Wänden hängen, und die Pflege des Logbuches.

Ins Logbuch kleben die Schülerinnen und Schüler nicht nur ihren Arbeitsplan, sondern beurteilen den eigenen Lernfortschritt und besprechen diesen mit den Fachlehrerinnen und Fachlehrern. Wöchentlich heißt es, eine Doppelseite auszufüllen mit den Inhalten „Meine Ziele für diese Woche“, „Meine Dienste in der Klasse/beim Essen“, „Was ich in dieser Woche gearbeitet habe“, „Meine Arbeitshaltung in dieser Woche“ sowie die Antwort auf die Frage „Habe ich meine Wochenziele erreicht?“

Das Logbuch dient zugleich der Kommunikation mit den Eltern, die durch die Einträge ihrer Kinder deren Lernverhalten und den Lernzuwachs begleiten, aber auch Mitteilungen oder Entschuldigungen im Krankheitsfall eintragen können. Hausaufgaben gibt es keine. „Denn“, so sagt Christian Bronkalla: „TÜV-Aufgaben sind bereits Hausaufgaben.“

Lernentwicklungsgespräche mit Eltern als Zuhörern

Kommunikation und Transparenz mit jedem Partner (Kollegium, Eltern, Schüler) steht auf der Prioritätenliste des Ganztagsteams sehr weit oben. Wenn Eltern Rat suchen, stehen ihnen die Lehrkräfte sowie die zwei halbtags tätigen Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter nicht nur an den Elternsprechtagen,  sondern auch zwischendurch zur Verfügung. Im Schulgebäude, aber auch im Internet können Interessierte die Umbaupläne ständig einsehen oder sich darüber informieren, in welchem Stadium der Schulentwicklung man sich gerade befindet. Die Idee stammt aus dem saarländischen Bildungsministerium.

„Hier sind wir! – Entwicklungstand unserer Schule“ lautet die Überschrift, unter der sich der Betrachter anhand farbiger Balken beispielsweise erkundigen kann, wie weit das Leitbild, die Unterrichtsentwicklung oder das Methodencurriculum gediehen sind. Die Kommunikation mit den Schülerinnen und Schülern findet ihren Höhepunkt in halbjährlichen Lernentwicklungsgesprächen. In diesen etwa 20minütigen Gesprächen wird zwischen Schülern und Lehrerinnen reflektiert, was besonders gut gelungen ist, wie sich Schülerinnen und Schüler einschätzen, welche Ziele sie haben, wie die Lehrkräfte die Situation einordnen und was eventuell noch verbessert werden kann.

Eltern sind eingeladen, an diesen Terminen teilzunehmen. Doch in diesen Minuten haben sie kein Mitsprache-, sondern nur ein Zuhörrecht. Torsten Stoll: „Sie wohnen dem Gespräch bei. Wenn sie dann noch Redebedarf haben, vereinbaren wir einen Extratermin.“ Bereits in der Anfangsphase nutzen schon 50 Prozent der Eltern das Zuhörangebot.

Klare Regeln und ebenso viele Freiheiten

Klare Regeln und Absprachen wie die rund um die Lernentwicklungsgespräche prägen das Schulleben ebenso wie die Förderung zur Selbstständigkeit. Zu ihnen zählt – neben den mitunter erforderlichen  Ansagen zur Lautstärke – die verpflichtende Wahl einer der zahlreichen und zum Teil außergewöhnlichen Arbeitsgemeinschaften. Die Formel-1-AG etwa bietet neben der Konstruktion eines Formel-1-Fahrzeuges auch die regelmäßige Teilnahme an landes- und bundesweiten Wettbewerben.

Gemeinschaftsschule Saarbrücken-Ludwigspark
bei Schülerinnen und Schülern beliebt: die Formel-1-AG © Gemeinschaftsschule Saarbrücken-Ludwigspark

„Freiheit“ dominiert hingegen weitgehend die Mittagszeit. Wer mag, nutzt ein Freizeitangebot nach der verpflichtenden Teilnahme am gemeinsamen Mittagstisch, spielt auf dem großflächigen Schulgelände an Kletterwand oder Bodentrampolin, sitzt gemütlich auf einem Baumstumpf oder tummelt sich im Schülertreff mit Kicker, Gesellschaftsspielen und Sitzecke. Für Honorarkräfte und ihre Angebote in der Mittagspause stehen der Schule pro Schuljahr und Klasse 4.000 Euro zur Verfügung. Da kann auch schon einmal der heimische Tischtennis-Bundesligist eine AG anbieten.

Das alles macht die Gemeinschaftsschule Ludwigspark einfach nur zu einer „ganz tollen Schule, in die ich gerne gehe“, wie uns eine 14-Jährige beim Abschied verrät. Nur eines bedauert sie ein bisschen: „Wenn ich das Abi machen will, muss ich ja wegen der Oberstufenkooperation mit zwei anderen Gemeinschaftsschulen nach Dudweiler. Das wäre zwar einerseits gut für mich, aber auch schade – denn hier ist es einfach super.“

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