Gebundener Ganztag am Schweriner See : Datum: Autor: Autor/in: Stephan Lüke

Kleine Schule ganz groß. Die Regionale Schule mit Grundschule „Am Schweriner See“ bildet mit Kita, Hort und Jugendclub einen „Campus“ im Ortskern von Bad Kleinen. Inklusion und Gemeinschaftssinn inbegriffen.

Vorstellung des Schulgarten-Projekts auf dem Schulhof
© Regionale Schule mit Grundschule „Am Schweriner See“

Das Ziel ist hochgesteckt: „Wir befähigen die Schülerinnen und Schüler, ihren eigenen Weg zu finden“, verspricht die Regionale Schule mit Grundschule „Am Schweriner See“ in Bad Kleinen. Und dafür tun die 25 Lehrerinnen und Lehrer, eine Referendarin, unterstützt von Sekretärin, Hausmeistern sowie den zahlreichen Kooperationspartnern täglich eine Menge. „Und zwar gemeinsam. Denn alleine könnte ich rein gar nichts bewirken“, betont Schulleiterin Ute Vandreier.

Das Miteinander ist nahezu greifbar: 300 Schülerinnen und Schüler prägen diese kleine, überschaubare und sehr familiäre Schule. Das bestätigen zwei Jugendliche, die wir tags zuvor am beschaulichen See treffen. Die Frage, auf welche Schule sie gehen, irritiert sie fast: „Natürlich auf die 'Regionale'.“

Zwischen Idylle und Wetterabhängigkeit

Das junge Mädchen ergänzt: „Ich hätte nach der Orientierungsphase auch auf ein Gymnasium wechseln können. Aber warum sollte ich weggehen, wenn ich mich hier wohlfühle, viel lerne und eigentlich nur coole Lehrer habe?“ Nachgehakt, was ihr denn in den vergangenen Jahren besonders gut gefallen habe, antwortet eine Schülerin schmunzelnd: „Der Schwimmkurs in der Grundschule.“

Kein Wunder. Denn während Schülerinnen und Schüler anderer Schulen ins Hallenbad fahren, hat sie das Schwimmen im nahegelegenen Schweriner See gelernt. Dank der ehrenamtlichen Unterstützung der Deutschen Lebens-Rettungs-Gesellschaft (DLRG) kann die Schule im Sommer den Schwimmunterricht im Naturgewässer anbieten. Und zwar 14 Tage am Ende oder zu Beginn des Schuljahres, täglich drei Stunden.

Was idyllisch klingt und auch ist. Allerdings: Der Kurs ist wetterabhängig und damit stets potenziell gefährdet. Ist das Wasser zu kalt, der Sommer verregnet, fällt er aus oder wird verschoben. Als Alternative bietet sich dann doch die Schwimmhalle in Wismar an. Die Gemeinde ist durchaus bereit, die wöchentliche Fahrt auf die Beine zu stellen. Doch wer gibt den Schwimmunterricht? Ute Vandreier: „Wir haben zwar Sportlehrer mit Schwimmpädagogik, aber keinen, der ausgebildeter Schwimmlehrer und gleichzeitig Rettungsschwimmer ist. Und dann dürfen wir nicht ins Bad.“

Intensive Betreuung auf dem „Campus“

Die Schulleiterin der gebundenen Ganztagsschule ab Klasse 5 musste erkennen: Auch Sportlehrer sind inzwischen rar. So wie Lehrerinnen und Lehrer für Englisch, Naturwissenschaften und Mathematik. Bislang gelang es trotzdem immer, alle Stellen mit Fachpersonal zu besetzen. „Seiteneinsteiger haben wir noch nicht benötigt“, berichtet Ute Vandreier. Sie ist überzeugt, dass diese fachlich durchaus gut sein können. Fachwissen sei meist nicht das Problem. Entscheidend ist, dass dieses Fachwissen schülergerecht, also didaktisch und methodisch gut aufbereitet und vermittelt wird.

Schüler vor der Kamera, Lehrer hinter der Kamera
Zu den Ganztagsschulkursen gehört eine TV-AG © Regionale Schule „Am Schweriner See“

Umso wichtiger ist für die Schulleiterin, Referendarinnen und Referendare „an uns zu binden“. Das gelingt ihrer Meinung nach durch die intensive individuelle Betreuung des Lehrernachwuchses „in unserer familiären Atmosphäre“, für die sich die Schule Zeit nimmt. Sie wird alleine schon geprägt vom engen Miteinander der Einrichtungen. Im Ort spricht man von „unserem Campus“.

Kita, Hort, Grundschule und Regionale Schule liegen nur einen Steinwurf voneinander entfernt. Man kennt sich. Die Übergänge von der Kita zur Grundschule und von Klasse 4 in Klasse 5 verlaufen fließend. Das ist möglich, weil der Hort sich im Schulgebäude befindet und weil Erzieherinnen der Kita auch in der Hortbetreuung der Grundschulkinder tätig sind. Die Viertklässlerinnen und -klässler können von 14.30 bis 15.15 Uhr auch schon an Angeboten der Ganztagsbetreuung der Sekundarstufe teilnehmen.

Auf die Mischung kommt es an

Eine Schnittstelle markiert das Ende des 6. Schuljahres, der Orientierungsstufe, in Mecklenburg-Vorpommern. Hier entscheidet sich, ob eine Schülerin oder ein Schüler die Schullaufbahn an der Regionalen Schule, am Gymnasium – wie dem Gymnasium Am Sonnenkamp in Neukloster  oder dem Gerhart-Hauptmann-Gymnasium in Wismar – oder an einer Gesamtschule – wie der KGS „Tisa von der Schulenburg“ in Dorf Mecklenburg oder der IGS „Johann Wolfgang von Goethe“ in Wismar – fortsetzen soll.

Ute Vandreier betont: „Die Entscheidung liegt bei den Eltern, wir geben lediglich eine fundierte Empfehlung. Aber wir sind schon daran interessiert, dass besonders Leistungsstarke bei uns bleiben und hier ihren Realschulabschluss machen.“ Sie schätzt das durchlässige Schulsystem und glaubt, dass mitunter der Weg über die Mittlere Reife und ein gutes Abitur am Fachgymnasium zielführender als ein mittelmäßiges Abitur am klassischen Gymnasium sein kann.

Ihre Begründung für eine gute Mischung der Schülerschaft ist einleuchtend: Nur mit den Leistungsstarken gelinge beispielsweise die Inklusion. Das Konzept der Schule: Leistungsstärkere fungieren als Paten für Leistungsschwächere, etwa Kinder mit dem Förderschwerpunkt Lernen. Ute Vandreier weiß aus Erfahrung, dass „noch kein Leistungsstarker durch die Arbeit mit Schwächeren dümmer geworden ist“. Leistungsschwache seien nicht überall schwach und Leistungsstarke nicht automatisch überall stark. Alle profitieren voneinander. Allerdings räumt die Schulleiterin ein, dass diese Einstellung zur Inklusion wachsen und Ängste wie „Ich komme zu kurz“ abgebaut werden müssen. „Auch das geht nur gemeinsam“, versichert sie.

Abkehr von den Hausaufgaben

Das Miteinander zeichnet auch die Schulentwicklung aus. „Wir überlegen zusammen, was wir optimieren können und wie“, betont die Schulleiterin. Bei der Abkehr von Hausaufgaben hin der Einführung von Lernzeiten sammelte die Schulgemeinde, die stolz auf die Zertifizierung als Berufswahl-Siegel-Schule aufgrund ihrer „vorbildlichen Berufsorientierung“ und als „Gute Gesunde Schule“ im gleichnamigen Landesprogramm ist, solche gemeinsamen Erfahrungen.

Schülerinnen und Schüler in einem Kanu
© Tourismusverein Schweriner Seenland

2011/2012 wurde aus der offenen eine gebundene Ganztagsschule, die ihre Tore von Montag bis Donnerstag geöffnet hat. Bei der Organisation des Ganztags entschied sich die Schule, die einzelne Unterrichtseinheit auf 40 Minuten zu kürzen. So gewann sie den Spielraum, die im Rahmen der Kontingentstundentafel zur Verfügung stehenden Stunden flexibler einzusetzen. Die ursprüngliche Variante „fachübergreifender Lernzeiten" wurde zugunsten zusätzlicher Einheiten bevorzugt in den Hauptfächern aufgegeben. So können besondere Klassenkonstellationen berücksichtigt oder auch mal der Ausfall eines Kollegen aufgefangen werden.

Ergänzungs- und Teilungsstunden dank ESF-Förderung

Diese Flexibilität wünscht sich das Kollegium auch für die zusätzlichen Unterrichtsstunden, die sie – wie andere Regionalen Schulen und Gesamtschulen in Mecklenburg-Vorpommern – dank einer vom Europäischen Sozialfonds (ESF) geförderten Maßnahme zur Verfügung hat. Die Finanzspritze ermöglicht wöchentlich drei Teilungs-, Ergänzungs- beziehungsweise Coaching-Stunden für jede Klasse der Jahrgangsstufen 5 bis 9. Genutzt werden sie zur Vertiefung des Stoffes und zur individuellen Förderung. Besonders hoch im Kurs stehen die Teilungsstunden. Die Bedingung: Sie müssen laut ESF-Regularien immer stattfinden.

Das zu gewährleisten, ist angesichts des Lehrermangels für die Schule nicht immer ganz einfach. „Es kann vorkommen, dass wenn ein Kollege krank ist, seine Klasse ohne Lehrer dasteht, weil parallel eine geteilte Klasse von zwei Kräften betreut werden muss“, erläutert Vandreier. Sie ergänzt: „Bis auf dieses Problem ist das Angebot großartig. Ich bin sicher, einige Schülerinnen und Schüler hätten ihren Abschluss ohne die ESF-Stunden nicht geschafft.“

Dazu, dass so viele ihre Abschlüsse gut absolvieren, tragen nach Einschätzung des Kollegiums auch die Tagesstruktur und das Prinzip der An- und Entspannung im Ganztag bei. Rhythmisierung prägt die Phasen zwischen Unterrichtszeiten und nach dem Unterricht mit vielen Angeboten und Arbeitsgemeinschaften. Dazu gehören die Kegelbahn im Ort, Boxen, Volleyball und Fußball beim SV Bad Kleinen e. V., Sport im Gesundheitszentrum, die Gemeindebibliothek, die sich direkt in der Schule befindet, ein Plattdeutschkurs oder Computerkurse im benachbarten Jugendclub.

Breitgefächerte Berufsorientierung

Schülerinnen und Schüler an einem Malstand auf dem Schulhof
© Regionale Schule mit Grundschule „Am Schweriner See“

Bei allen Überlegungen steht das einzelne Kind im Mittelpunkt: Was braucht es? Was kann es? Wie können wir unterstützen? Diese Devise gilt auch für die breitgefächerte Berufliche Orientierung, die von der eigenen Schülerfirma „After 6 – Let's eat“ über einen Schulgarten, 25 Tage Betriebspraktika, Werkstatttage, einen Berufswahlparcour, Betriebserkundungen und Berufseinstiegsbegleitung bis hin zu einer selbst entwickelten Potenzialanalyse reicht. Ute Vandreier ist begeistert: „Unsere Kollegin Dörthe Lüth brennt unglaublich für diese Berufsvorbereitung. Davon profitieren alle Schülerinnen und Schüler.“

Der Zufall will es, dass wir beim Verlassen der Schule die Jugendlichen vom Vorabend treffen. „Wir war's?“, fragen sie und freuen sich über das positive Feedback. Unsere Gegenfrage, ob die Berufsvorbereitung tatsächlich so gut sei, beantworten sie strahlend: „Na klar – wir wissen schon, was wir später machen.“ Mehr verraten sie nicht.

 

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