Gebrüder-Grimm-Schule Brandenburg: Lernen im Märchenwald : Datum: Autor: Autor/in: Ralf Augsburg

Ein Schulgarten in Brandenburg an der Havel erwacht aus dem Dornröschenschlaf. Und die Gebrüder-Grimm-Schule, eine offene Ganztagsgrundschule, begibt sich auf den Weg zum Bildungscampus.

Blick auf den Eingang zum Märchengarten mit Rapunzel-Schloss
„Lass Dein Haar herunter“: Eingang zum Märchengarten mit Rapunzel-Schloss © Redaktion

Jeder Hobby-Gärtner mag ermessen, was die Schülerinnen und Schüler der Städtischen Grundschule „Gebrüder Grimm“  in Zusammenarbeit mit Neuntklässlern der Pestalozzi-Schule, einer Förderschule mit dem Schwerpunkt Lernen, in den vergangenen drei Jahren geleistet haben. Das Grundstück, das zur Grundschule in Brandenburg an der Havel gehört, war ein „Dschungel, ein Urwald“, wie es Schulleiterin Birgit Schiller ausdrückt, „in dem man nicht mal sehen konnte, wo die Wege verliefen“, bevor auf Initiative des Quartiersmanagements Hohenstücken Ideen zur Wiederbelebung des Schulgartens zusammengeführt wurden. Heute liegen die Beete des Schulgartens akkurat nebeneinander. Von Schülerinnen und Schülern angepflanzter und gepflegter Salat, Kräuter und Gemüse wachsen darin.

Am 13. Juni 2019 war hier Feiern angesagt: Schülerinnen und Schüler der Pestalozzi-Schule waren mit Schulleiter Christian Dasbach und dem Team Gartenprojekt gekommen, um mit Grundschülerinnen und -schülern der Gebrüder-Grimm-Schule den Abschluss des Projektes zu würdigen. Dieses ist mit Unterstützung von „Initiative Sekundarstufe I“ (inisek I), einem EU-Förderprogramm zur Berufsorientierung, und der GemüseAckerdemie realisiert worden. Als krönenden Abschluss hatten die Schülerinnen und Schüler selbstgebaute Nistkästen mitgebracht, die nun überall auf dem weitläufigen Gelände der Grundschule angebracht sind. Den Schulgarten beackern die Erst- und Drittklässler jetzt einmal wöchentlich im Sachunterricht.

Danach brutzelten bei herrlichem Sommerwetter Bratwürstchen, während die Grundschülerinnen und -schüler erstmals den unteren Teil des Gartens erkundeten, der derzeit in einer Initiative der BAS Arbeitsförderungs- und Strukturentwicklungsgesellschaft Brandenburg zu einem Märchenwald umgebaut wird. Begeistert stürmten die Kinder die Laubengänge und Hecken. „Wer hier durchgeht, kommt als Frosch wieder heraus“, neckte die Schulleiterin Schiller die Kinder – und die Mädchen und Jungen hüpfen wie Frösche.

„Wer kann uns unterstützen?“ als Leitfrage

Schülerinnen und Schüler bepflanzen ein Hochbeet
Teil des Sachunterrichts: Die Klasse 1a bepflanzt ihren Schulgarten © Redaktion

Die Verwandlung des Areals ist selbst eine märchenhafte Verwandlung, die nur in Kooperation gelingen konnte. „Die Zusammenarbeit mit der Pestalozzi-Schule ist sehr eng“, verrät Birgit Schiller. Kooperation ist für die Schulleiterin sowieso das Erfolgsgeheimnis, um in einem nicht einfachen Umfeld als Schule zu bestehen und den Schülerinnen und Schülern das bestmögliche Bildungsangebot zu machen.

Die Gebrüder-Grimm-Schule, eine von einst drei Grundschulen im Stadtteil Hohenstücken, liegt in einem Plattenbaugebiet, das sich im Wandel befindet. Dazu gehört auch die Umgestaltung des Außengeländes der Schule in einen Märchen-, Kultur- und Schulgarten. „Hohenstücken küsst den Märchengarten wach“, hieß es 2018 in der Lokalzeitung. Am Märchenprojekt sind auch die Wohnungsbaugenossenschaft und das Quartiersmanagement Hohenstücken beteiligt. Das Märchenmotiv begegnet dem Besucher bereits bei der Anfahrt zur Schule auf einem Riesenwandbild an einem der Wohnblöcke und dann auch in der Schule. Hier haben lokale Künstlerinnen mit Kindern aus dem Viertel Wandbilder und Märchenfiguren erschaffen.

„Als ich hier 2014 Schulleiterin wurde, hieß es: Bitte bloß nichts verändern, damit uns der Laden nicht um die Ohren fliegt. Das konnte aber doch nicht alles sein“, erinnert sich Birgit Schiller. Um den Bildungs- und Erziehungsauftrag besser erfüllen zu können, suchte die Schule noch konsequenter die Zusammenarbeit mit anderen Institutionen, Bildungsträgern und Partnern. „Wer kann uns unterstützen?“, war und ist laut der Schulleiterin die Leitfrage der Schule, in der 360 Schülerinnen und Schüler lernen. 30 Lehrerinnen und Lehrer, darunter fünf Sonderpädagoginnen, zwei pädagogische Fachkräfte, eine Schulsozialarbeiterin sowie sieben Schulbegleiter und eine Schulkrankenschwester gehören fest zur Belegschaft.

„Klasse, was Kooperationen bewirken können“

Außenansicht der Gebrüder-Grimm-Schule Brandenburg
Eine „Schlüsselgrundschule“ im Programm „Ein Quadratkilometer Bildung“ © Redaktion

Die Liste der Kooperationspartner ist lang: Zu ihnen gehören Sportvereine, das Kinder- und Jugend-Freizeitzentrum, die Stiftung Wredow'sche Zeichenschule und die Fouqué-Bibliothek, aber auch das Jugendamt, die Sonderpädagogische Förder- und Beratungsstelle, die Schulpsychologische Beratungsstelle, der Zahnärztliche Dienst, die Beratungsstelle Tara, die Polizei, die Verbraucherzentrale, der Internationale Bund, der Humanistische Regionalverband, die Technische Hochschule, das DRK, die Johanniter-Unfallhilfe oder die RAA Brandenburg. Die Caritas ist der Träger der Schulsozialarbeiterin Franziska Dietze, die 30 Stunden an der Schule arbeitet, ihr eigenes Büro besitzt und auch Eltern berät. Auch die Bildungsübergänge sind mit drei kooperierenden Kitas, der Pestalozzi-Schule und der Otto-Tschirch-Oberschule im Blick.

„Es ist klasse, was sich aus Kooperationen ergibt, der Schulgarten ist ein Beispiel“, schwärmt Birgit Schiller. „Um diese Beziehungen zu pflegen, muss man richtig Arbeit investieren.“ Der Schulleiterin schwebt vor, dass alle Partner sich zur Bildungslandschaft vernetzen – und dass sich irgendwann die Schulen mit diesen Partnern zu einem Bildungscampus vereinen. Das Ziel ist mit dem Programm „Ein Quadratkilometer Bildung“ näher gerückt. Das Programm, das Kindern und Jugendlichen eine erfolgreiche Teilhabe im Bildungssystem und Perspektiven für einen erfolgreichen Bildungsweg sichern will, investiert in lokale Netzwerke für Bildung. Die Gebrüder-Grimm-Schule ist die „Schlüsselgrundschule“ in diesem auf zehn Jahre angelegten Netzwerk.

Die Initiative, „Ein Quadratkilometer Bildung“ vor Ort zu etablieren, ging von der Bürgerstiftung Brandenburg an der Havel aus und wurde maßgeblich von der Grundschule mitgetragen. Die Stadt Brandenburg fördert eine Stelle der Pädagogischen Werkstatt. Die kommunale Wohnungsbaugesellschaft wobra stellt Räumlichkeiten zur Verfügung. Leiterin der Pädagogischen Werkstatt ist Sabrina Kremzow, die ehemalige Schulsozialarbeiterin der Gebrüder-Grimm-Schule. Schulleiterin Birgit Schiller hat sie „schweren Herzens ziehen lassen“, wohlwissend, dass sie auch an dieser Stelle für die Schule. „viel bewirken kann.“

Kräfte zum Wohl der Kinder bündeln

Skulptur des Gestiefelten Katers in der Schule
„Es war einmal ein Müller…“: 'Viele Märchenmotive zieren die Schule © Redaktion

An diesem 13. Juni findet ein Treffen in der Pädagogischen Werkstatt mit Sabrina Kremzow, der stellvertretenden Schulleiterin Rosemarie Haase und zwei Vertreterinnen der kooperierenden Kitas statt. Das Quartett diskutiert über einen möglichen Schritt der Schule von der offenen zur gebundenen Ganztagsschule. Es geht auch darum, welchen Platz die Jugendhilfe hier finden würde. „Es war interessant, die unterschiedlichen Blickwinkel kennenzulernen“, meint Rosemarie Haase. Im Ziel ist man sich bereits einig, aber wie man dieses erreicht, muss noch eingehend weiterdiskutiert werden.

Sabrina Kremzow meint: „Wir wollen unsere Kräfte zum Wohl der Kinder bündeln und Brücken bauen zu anderen Angeboten, gerade auch für die älteren Schülerinnen und Schüler. Ich bin positiv gestimmt über unser gemeinsames Bildungsverständnis. Welche Schlaufen wir werden laufen müssen, um unsere Ziele zu erreichen, kann ich noch nicht absehen.“

Derzeit fördern an der Gebrüder-Grimm-Schule viele Interessen- und Lernangebote im Ganztag die individuellen Stärken der Schülerinnen und Schüler. Auch Defizite im Bereich der Sprache, des Lesens und Schreibens, der Bewegung und der Gesundheit können die Kinder abbauen. Wieder sind zahlreiche Partner involviert, wie SV 63 West Handball, der Kinder-Mitmach-Zirkus, FSV Viktoria 1990, BSRK 1863 Turnen und Sho-Dan-Sha-Kai Karate. Dabei ist auch der Verein Olga e.V. Schach, „der mit unseren Kindern bei Turnieren alles abräumt“, wie sich Birgit Schiller freut. Die Muttersprachlerin Maria Ramchen bietet eine Russisch-Muttersprache-AG an; in Brandenburg haben seit den 1990er Jahren viele Spätaussiedler-Familien ihr Zuhause gefunden. Für einige der neu hinzugezogenen Familien gibt es Arabisch als Muttersprache bei Fatima Saliby.

Einmal am Tag treten die Klassen 1 bis 4 bei Marlies Piesker zum Zähneputzen an – einem Element der seit 2009 als „Gesunde Schule“ zertifizierten Ganztagsgrundschule. Im eigens eingerichteten Zahnputzraum, in dem Zahnbürsten, -becher und -creme vom Zahnärztlichen Dienst der Stadt Brandenburg zur Verfügung gestellt werden, putzen sich die Schülerinnen und Schüler unter den mütterlich-strengen Augen von Marlies Piesker, die das bereits seit vielen Jahren macht und bei den Kindern eine Institution und Anlaufstelle ist, die Zähne. In absehbarer Zukunft wird sie ihren Posten verlassen – sehr zum Bedauern von Schulleiterin Schiller. „Uns brechen aus Altersgründen seit einiger Zeit viele Ganztagsmitarbeiterinnen und -mitarbeiter weg“, berichtet sie. „Auch das ist ein Grund für unsere Motivation, gebundene Ganztagsschule zu werden, weil wir dann mehr Lehrerstunden einsetzen könnten.“

Ribbecks Birnen und die Lust am Singen

Theater-Aufführung in der Turnhalle
Fester Bestandteil des Schullebens: die Märchenwoche © Gebrüder-Grimm-Schule

Elf Lesepaten unterstützen im Ganztag die Schülerinnen und Schüler. In Absprache mit der Deutschlehrerin üben sie Buchstabensicherheit und das Lesen von Wörtern und Silben. Im Kinderhaus „Mittendrin“ und den Kitas „Schritt für Schritt“ und „klein und GROSS“ helfen Lehrerinnen an drei Wochentagen bei der Begleitung der Hausaufgaben und Übungen.

Während die Klasse 5b mit Klassenlehrerin Astrid Kuhl und Heike Schade, Vorsitzende der Brandenburgischen Landesarbeitsgemeinschaft Theater in Schulen“, die 27. Schultheatertage in Potsdam mit ihrem Stück „Heimat“ erfolgreich eröffneten, begeisterte die Klasse 5a unter der Leitung von Klassenlehrerin Katja Pöschmann und dem Schauspieler Urban Luig die Zuschauer am Brandenburger Theater. Zur Aufführung kam ein Stück frei nach dem Fontane Klassiker, den jedes Kind in Brandenburg lernt: „Herr Ribbeck auf Ribbeck im Havelland“. Die Hauptdarstellerin des Stückes erhielt aufgrund ihrer tollen schauspielerischen Leistungen ein Stipendium an der Wredow’schen Zeichenschule.

Auf einem zur Galerie umgestalteten Schulflur können sich derweil die Ergebnisse der Kunst-AG buchstäblich sehen lassen. Und für die Chor-AG hielt das Schuljahresende einen besonderen Höhepunkt und einmaliges Erlebnis bereit: Das Projekt „6K UNITED!“ ermöglichte rund 100 Schülerinnen und Schülern, am 14. Juni 2019 in der ausverkauften Berliner Mercedes-Benz-Arena mit 6.000 anderen Schülerinnen und Schülern zu singen. Das musikalische Repertoire aus bis zu 15 Songs – Klassik-, Rock- oder aktuelle Popsongs, Volkslieder und internationale Folksongs – wurde für Kinderstimmen arrangiert.

„Licht, Lärm und die Lust am Singen gingen von den Kindern auf die Mütter, Väter, Omas und Opas im Publikum über. Jeder Titel – vom Volkslied bis zur Arie – wurde von allen Teilnehmern geschmettert. Ganz sicher werden alle dieses einzigartige Event für immer mit ihrer Grundschulzeit in Verbindung bringen“, freute sich Birgit Schiller. Die Gebrüder-Grimm-Schule erfüllte hier – auch wieder in einer Kooperation – das Versprechen aus ihrem Leitbild:

„Spielen, tanzen, singen, lachen,
turnen, malen, Späße machen,
jedes Kind, so wie es gerade kann,
klappt mal was nicht, wir helfen dann.
Jedes Kind ist wertvoll – hat ein Talent
Wir brauchen Dich.“
 

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Kategorien: Service - Kurzmeldungen

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