Ganztagsschule Timmendorfer Strand: Raus aufs Meer : Datum: Autor: Autor/in: Stephan Lüke

Unterricht ist mehr als Mathe und Deutsch. Er muss draußen und drinnen stattfinden. Sport und Bewegung, Segeln, Golf, Eishockey und Klettern zählen zum Alltag der Grund- und Gemeinschaftsschule Strand.

Ganztagsschule Timmendorfer Strand
Ganztagsschule Timmendorfer Strand, Sommerfest © Esther Passig

„Wir können uns nicht darüber beklagen, dass Kinder nur noch vor dem PC sitzen, und gleichzeitig bieten wir ihnen keine Bewegungsmöglichkeiten an“, betont Hans-Georg Rath, Schulleiter der Grund- und Gemeinschaftsschule Strand in Timmendorf. Er fährt gemeinsam mit seinem Kollegium einen diesem Gedanken entsprechenden Kurs. Bildung findet in der GGS Strand nicht nur drinnen – im Klassenzimmer –, sondern nahezu genauso intensiv draußen statt. Zahlreiche Klettergerüste und Tobemöglichkeiten stehen parat. Ein Kunstrasenplatz, ein weiterer Sportplatz und eine Dreifachturnhalle prägen das Bild.

Und als würde das nicht bereits das Herz eines jeden Bewegungsfreundes höherschlagen lassen, bietet die GGS neben zahlreichen traditionellen Sport-Arbeitsgemeinschaften Außergewöhnliches: Segeln, Golf, Eishockey stehen auf der bunten Angebotspalette. Ebenso wie regulärer Sportunterricht in der städtischen Eishalle, Schwimmunterricht, Bewegtes Lesen und nicht zuletzt eine ausgeprägte Berufsorientierung unter dem Motto: „Werkbank satt Schulbank“. Letzteres bescherte der Europaschule jüngst das Berufswahl-Gütesiegel des Landes Schleswig-Holstein.

Segeln: mehr als ein Sport

„Immer wieder mittwochs“ heißt es für zwölf Schülerinnen und Schüler der fünften und sechsten Jahrgangsstufe. Dann nämlich geht es mit ihren Lehrerinnen Sabine Jensen und Karina Westphal raus – die wenigen Meter hin zum Niendorfer Hafen und an den Timmendorfer Strand. Dort liegt ihr Team-8-Boot, das den Schulen im Umkreis im Rahmen des Landesprogramms „Schüler segeln“ zur Verfügung gestellt wird. Den Liegeplatz „spendiert“ der SVNO Niendorf.

„Eine geniale Verbindung“, findet Sabine Jensen. Denn zwischen Schule und Verein hat sich ein harmonisches Miteinander entwickelt. Von ihm profitieren beide Seiten. Die Schule, die ihren Schülerinnen und Schülern den Wert des Elementes Wasser und des Ökosystems Ostsee nahe bringen kann. Dem Verein, der verstärkt für nachwachsende Generationen interessant wird. Dabei geht es in dieser Arbeitsgemeinschaft nicht nur um die Freude am Wassersport und um die Vermittlung der Technik. Die Kinder lernen die Pflanzen- und Tierwelt genau kennen, bestimmen Arten, erfahren viel über Naturschatz.

Segeln
© Sabine Jensen

Hobbyseglerin Sabine Jensen strahlt: „Wenn mich ein Fünftklässler fragt, ob ich den Kormoran gesehen habe, geht mir das Herz auf. Viele Kinder können doch heutzutage keine Tiere mehr unterscheiden.“ Derartige Bestimmungsübungen werden im Winter auch im Unterricht fortgesetzt. Die AG ist begehrt. Doch mehr Teilnehmende können nicht aufgenommen werden. „Leider“, sagt Sabine Jensen, „aber mehr geht nicht. Beim Segeln muss man jedes Kind gut im Blick haben.“

Völkerball in der Eishalle

Noch nicht so ausgeprägt wie das fast schon traditionelle Segeln und die Kooperation mit dem ortsansässigen Verein ist die Verbindung zum Eishockeyclub in Timmendorf. Der EHC Timmendorfer Strand 06 spielt in der Oberliga. Er verfügt über eine gute Jugendgruppe, doch die Frage des Nachwuchses treibt die dort Handelnden ebenso um wie andere Sportvereine. Was also liegt näher als eine Zusammenarbeit mit der Offenen Ganztagsschule. Sabine Jensen, deren Tochter eine begeisterte Puck-Jägerin ist, freut sich über die nun aufgenommenen Gespräche. Sie ist überzeugt: „Auch unter unseren Schülerinnen und Schülern schlummern mit Sicherheit einige Talente. Wir werden sie finden.“

Die Initiative passt ins Konzept. Schließlich bemüht sich die GGS Strand auch, einen Beitrag zur Rettung der Timmendorfer Eishalle zu leisten. Die ist in die Jahre gekommen und immer wieder einmal kreist das Damoklesschwert der Schließung über ihr. Eine solche würde sich auf den regulären Sportunterricht auswirken, berichtet der Fachleiter Sport, Ekkehard Rawohl: „Wir nutzen die Eishalle schließlich auch für unsere Sportstunden.“ Völkerball oder Staffellauf auf Schlittschuhen? „Ja“, sagt Rawohl, das bringt nicht nur Abwechslung, sondern fördert die Beweglichkeit und den Gleichgewichtssinn der Kinder.

Eislauf
Schlittschuhtag © Esther Passig

Und: „Die Schülerinnen und Schüler lernen sich einzuschätzen und Schwächeren zu helfen. Das wirkt sich positiv auf die Teamfähigkeit aus.“ Dankbar nimmt Rawohl die Unterstützung schlittschuherfahrener Kinder an. „Wenn die etwas besser können, halte ich mich doch gerne zurück.“ Sagt er, blickt aus dem Fenster und lehnt sich zufrieden zurück. Seine Klasse, die er für unser Gespräch „alleine“ gelassen hat, trainiert emsig weiter.

Bewegung baut Aggressionen ab

Sport und die Bewegung wirken sich an der GGS Strand spürbar auf das soziale Gefüge aus. Davon ist auch Schulsozialpädagoge und Leiter der OGS Frank Haunschild überzeugt. „Die Kinder müssen sich zwischendurch einfach austoben, ihre Aggressionen abbauen“, weiß er. Sie tun es auch in den zahlreichen Bewegungsangeboten am Nachmittag, beispielsweise im Kurs „Bewegungsspaß“. Hier steht freies Bewegen – ganz nach Lust und Laune – auf der Tagesordnung. Haunschild wundert sich nicht, dass dieses OGS-Angebot stets ausgebucht ist.

Rund ein Drittel der 530 Schülerinnen und Schüler nutzen den Ganztag, freuen sich über die Hausaufgabenbetreuung, die AGs mit den qualifizierten Übungsleiterinnen und -leitern sowie eine Mensa. Dort zahlen sie 2.50 Euro für ein wechselvolles Essen, das auch Eltern, Senioren der Gemeinde, die örtliche Polizei und die Johanniter-Unfallhilfe genießen können. Letztere übernahm denn auch gleich die Ausbildung der Schulsanitäter, denen ein besondere Privileg zuteil wird: Sie müssen ihr Handy im Unterricht nicht ausschalten. Schließlich sollen sie erreichbar sein.

All
IPad-Unterricht Klasse 5 © Esther Passig

Apropos Mensa: Sie trägt dem Europagedanken der Schule Rechnung, bietet regelmäßig Spezialitäten anderer EU-Staaten an. Und rundet damit das Europa-Engagement ab. Es beinhaltet unter anderem die Gestaltung der Wände in den Klassen mit europäischen Inhalten, beginnend mit den Umrissen der Länder bis hin zur Auflistung bekannter Persönlichkeiten.

Werkbank statt Schulbank

Der Weg zur bekannten Persönlichkeit ist für die Schülerinnen und Schüler naturgemäß noch weit. Doch an der GGS werden die Weichen gestellt, dass ein jeder zumindest schon einmal die richtige Berufswahl treffen kann. Die von der Kreishandwerkerschaft eingestellte Berufscoachin Anja Kastens berät individuell insbesondere jene, deren Schulabschluss nicht gesichert ist, und alle, die sich trotz Berufsorientierungstagen und Bewerbungstraining, zahlreichen Praktikas, der jährlichen Berufsfindungsmesse, einer Potenzialanalyse und dem regelmäßigen Kontakt zu elf Betrieben, noch nicht wirklich entscheiden können, wie es nach der Schule weitergehen könnte.

Warum die Berufsorientierung so gut gelingt? Der dafür verantwortliche Lehrer, Björn Sowoidnich, glaubt das Erfolgsgeheimnis zu kennen: „Wir sind intern bei diesem Thema sehr gut vernetzt, sprechen über jeden Jugendlichen und seine Perspektiven. Und wir sind in der Region ebenso stark vernetzt.“ Die Laudatio zur Übergabe des Gütesiegels Berufsorientierung unterstrich dies: „Hier wird Berufsorientierung auf viele Schultern verteilt.“

Vertrauen fördert Leistungsbereitschaft

Diese Gemeinschaft im Kollegium ermöglicht den Blick auf jedes einzelne Kind, seine sozialen und intellektuellen Kompetenzen. „Wir wissen, dass wir einen Ausgleich schaffen müssen zum ‚kognitiven Stillsitzen’ und stets hinterfragen, was für die Schülerinnen und Schüler, auch jenseits von Mathe und Deutsch, wichtig ist“, sagt Schulleiter Rath. Wie er schätzt zum Beispiel Ekkehard Rawohl die positiven Auswirkungen des Golfsports. Die AG ist möglich dank eines Nachwuchsprogramms des Deutschen Golfverbandes und der Kooperation mit dem Golfclub Warnsdorf. Zwölf Dritt- und Viertklässler können teilnehmen. Sie lernen Technik, aber auch Disziplin.

Golf
Golf-AG © Ekkehard Rawohl

Rawohl: „Es ist fast wichtiger, dass ein fairer und korrekter Umgang miteinander gelebt wird.“ Eine Golfregel lautet: Wenn mein Partner gerade den Ball spielt, rede ich nicht. Rawohl: „Das ist wunderbar übertragbar auf den Unterricht und die Klassenhygiene.“ Sein Chef ergänzt: „Sport und Bewegung fördern die Leistungsbereitschaft der Schülerinnen und Schüler. So wie auch das Vertrauen, das wir ihnen schenken – im Klassenzimmer und draußen.“

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