Ganztags inklusiv und preisverdächtig: Brüder-Grimm-Schule Ingelheim : Datum: Autor: Autor/in: Ralf Augsburg

Die Brüder-Grimm-Schule Ingelheim, Ganztagsgrundschule und inklusive Schule, gehört zu den „Top-Schulen“ Deutschlands, die für den Deutschen Schulpreis nominiert waren.

In Rheinland-Pfalz ist die Brüder-Grimm-Schule Ingelheim längst bekannt. Bereits seit 2001 und damit als eine der ersten Schulen in Rheinland-Pfalz ist sie Schwerpunktschule, in der auch Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf lernen. 2014 gewann sie den Jakob-Muth-Preis für inklusive Schule. In diesem Jahr hat sie den inklusiven Schulpreis Rheinland-Pfalz erhalten.

Der Deutsche Schulpreis
Der Klassenrat tagt einmal die Woche © Der Deutsche Schulpreis

Am letzten Mittwoch erlebte die Ganztagsgrundschule wieder einen Höhepunkt in ihrer Schulgeschichte: Sie gehörte zu den 14 Schulen, die für den Deutschen Schulpreis nominiert waren. Die Ingelheimer Delegation aus Schulleitung, Lehrkräften, Schülerinnen und Schülern fuhr zur Preisverleihung nach Berlin. Dort hieß es: Daumen drücken und den Tag genießen! Für einige Minuten im Rampenlicht zu stehen, bundesweit per Fernseh-Liveübertragung, ist Lohn der seit Jahren auf hohem Niveau geleisteten Arbeit.

Und auch wenn sie diesmal einer anderen Grundschule den Vortritt lassen musste – allein die Nominierung und ein Preisgeld von 10.000 Euro sind Bestätigung und Ermutigung. Schulentwicklung ist für die Brüder-Grimm-Schule, die seit dem Schuljahr 2011/12 auch Ganztagsschule ist, selbstverständlich. Seit 2015 gehört sie zu den acht Hospitationsschulen in Rheinland-Pfalz, die ihre Türen für andere Schulen zu den Themen „Vielfalt gestalten“ und „Partizipation und Kooperation stärken“ öffnen.

Offene Türen und viel Kommunikation

Woraus besteht das Fundament, in das all die Pfeiler der Schulentwicklung eingelassen worden sind? Für Schulleiter Klaus Großmann ist es das pädagogische Handeln an seiner Ganztagsgrundschule, das sich nach einem Prinzip ausrichtet: Offenheit – nach innen wie auch nach außen.

Nach innen ist es die Offenheit im Dialog mit den Kolleginnen und Kollegen, Schülerinnen und Schülern, symbolisiert durch die stets offen stehende Tür des Schulleiters. „Offenheit muss gelebt werden. Bei mir soll niemand hören: Machen Sie mal einen Termin, ich habe gerade keine Zeit“, beschreibt Großmann.

Nach außen ist es die Offenheit für alle, die für die Schule wichtig sind: „Wir verstehen uns als echte Stadtteilschule, die vor allem den Kontakt mit den Eltern sucht“, so der Rektor, aber genauso zu den Kooperationspartnern. „Der Allgemeine Soziale Dienst und der Schulpsychologische Dienst halten regelmäßig Sprechstunden bei uns ab.“ Die Schule arbeitet eng mit der Kreisverwaltung Mainz-Bingen zusammen, die ihr die Einstellung von Integrationshelfern ermöglicht. Zu den Kooperationspartnern gehören verschiedene Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe ebenso wie Sportvereine der Region.

Gutes Miteinander, Transparenz und Beratung bilden den Hintergrund der Schüler-Eltern-Lehrer-Gespräche. In ihnen erhalten die Eltern einen Überblick über die Lernentwicklung ihres Kindes und Einblick in die schuleigenen Kompetenzraster. Für die Gespräche hat die Schule eigene Protokollbögen entwickelt, in denen aus Sicht aller Beteiligten die Stärken des Schülers beziehungsweise der Schülerin festgehalten und jeweils zwei Entwicklungsfelder vereinbart werden. Die Schüler-Eltern-Lehrer-Gespräche sind in allen vier Schuljahren verankert – und ihre Bedeutung hat noch zugenommen, seit sie im 2. Schuljahr das Halbjahreszeugnis und im 3. Jahrgang die Schulnoten insgesamt ersetzen.

Teamarbeit als Schlüssel zum Erfolg

Auch die Jahrgänge werden an den so genannten „Ateliertagen“ geöffnet: Alle Schülerinnen und Schüler arbeiten an einem speziellen Thema aus dem Sachkundeunterricht. 2005 wurden „Lernateliers“ eingeführt und die Klassenräume zu Werkstätten umgestaltet, in denen die Schülerinnen und Schüler selbstorganisiert und handlungsorientiert an Themen arbeiten: im Sachatelier, im Kunstatelier, im Mathematikatelier und im Sprachatelier. Zur Atelierarbeit hat das Pädagogische Landesinstitut sogar eine Broschüre mit DVD herausgegeben.

Brüder Grimm Schule Ingelheim
Seit 2006 konnte die Schule bei "Jugend forscht" 34 Platzierungen auf Regional- und 3 Platzierungen auf Landesebene erreichen © Brüder Grimm Schule Ingelheim

Das Kollegium der Brüder-Grimm-Schule hat sich Teamarbeit auf die Fahnen geschrieben, die auch deshalb notwendig ist, weil der Nachmittag mit dem Vormittag im Ganztag personell verzahnt ist. „Wir erwarten von unseren Lehrkräften die Bereitschaft, im Ganztag mitzuarbeiten“, meint Klaus Großmann. Sie werden hauptsächlich in den 45 Minuten langen Lernzeiten eingesetzt, in denen die Schülerinnen und Schüler die am Vormittag besprochenen Aufgaben mit einem Lernzeitplan selbstständig und eigenverantwortlich erledigen. „Es gibt bei uns keine klassischen Hausaufgaben mehr. Unsere Schülerinnen und Schüler stehen nicht alle an einem Lernpunkt, sondern jeder hat seine individuelle Lernstraße“, so der Schulleiter.

„Es gibt in allen Klassen bis zu zwölf Stunden Doppelbesetzungen. Für die Stufenteams sind im Stundenplan von vornherein feste Zeiten für Absprachen und für Fallgespräche vorgesehen“, erläutert Klaus Großmann. Das sei verpflichtend, aber die Kolleginnen und Kollegen erlebten die Kooperation als Gewinn. Für den Schulleiter ist die Teamarbeit sogar der „Schlüssel zum Erfolg“. Er respektiere aber auch Lehrerinnen und Lehrer, die offen sagten, dass Teamarbeit nichts für sie sei. Dann müssten sich die Wege halt trennen.

Lerngruppen mit festen Bezugspersonen

230 Schülerinnen und Schüler lernen in elf Klassen an der Brüder-Grimm-Schule, etwa die Hälfte von ihnen im Ganztag. Die Schule und der Schulelternbeirat hatten eigentlich die gebundene Ganztagsschule favorisiert, da diese aber vom Schulträger und seitens des Ministeriums nicht unterstützt wurde, hat sich das Kollegium für eine qualitätsvolle Ganztagsschule im Additum entschieden. Das Ganztagsangebot findet an vier Tagen der Woche bis 16 Uhr statt und ist, bis auf das Mittagessen, kostenfrei. Nach Umbauten und mit dem Erweiterungsbau stehen seit 2012 auch ausreichend Räume zur Verfügung.

An zwei Tagen finden Arbeitsgemeinschaften statt. Als Sportvereine konnten in verschiedenen Schuljahren unter anderem der TV Frei-Weinheim, der VfL Frei-Weinheim (Fußball), der HSC Ingelheim (Handball), ein Tischtennisverein und ein Schachverein gewonnen werden. Es gibt eine Computer-AG, eine Lese-AG, eine Tanz-AG,eine Natur-AG und vieles mehr. An den beiden Nicht-AG-Tagen gilt das Stammgruppenprinzip: Neun feste Gruppen mit bis zu 14 Schülerinnen und Schülern bleiben beim Mittagessen und in den Spiel- und Lernzeiten mit festen Bezugspersonen zusammen. „Die Schülerinnen und Schüler brauchen Verbindlichkeit“, ist der Schulleiter überzeugt. In Absprache mit den Kindern werden Projekte durchgeführt und Ausflüge zu außerschulischen Lernorten organisiert.

„Der Ganztag passt zu unserem Gesamtkonzept, und die Schülerinnen und Schüler empfinden ihn als Gewinn“, freut sich Rektor Großmann. „Und auch die Eltern sind zufrieden, denn für sie ist das natürlich eine Entlastung.“ Letzteres sei manchmal zweischneidig, denn der Ganztag bedeute nicht, sich aus der Erziehung zu verabschieden. Da gebe es viel Beratungsbedarf, die Zahl der Elterngespräche habe zugenommen: „Wir fragen und diskutieren mit den Eltern: Was sind sinnvolle Erziehungsmaßnahmen? Wie schätzen Sie Ihr Kind ein? Was kann Ihr Kind gut? Bei der letzten Frage fällt manchen keine Antwort ein“, erzählt der Schulleiter. „Einige Kinder müssen eine sehr große Selbstverantwortung tragen, und wir wollen sie auffangen.“

Gemeinsame Aufgabe von Schule, Kommune und Elternhaus

Seit 2003 ist Klaus Großmann Schulleiter an der Brüder-Grimm-Schule. Nach seiner Erfahrung braucht es vier bis fünf Jahre, bis Schulentwicklungsprozesse greifen und sichtbare Ergebnisse bringen. Viel mehr als früher ist die Schulleitung in der Personalführung gefordert. Anfangs seien 16 Lehrkräfte und Mitarbeiter an der Schule gewesen, heute sind es fast 60 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.

„Wichtig ist, nicht immer darauf zu warten, dass sich der Andere bewegt. Wir Lehrer neigen mitunter zur Klage: Hätte ich doch noch dies und das, dann könnte ich doch jenes und solches tun. Es ist unsere gemeinsame Aufgabe, von Schule, Kommune und Elternhaus, ein authentisches Lernangebot für die Kinder zu schaffen, das zu ihnen, zur Schule und zum Stadtteil passt.“

Klaus Großmann ist stolz, dass „wir einfach sehr stark darin sind, individuelle Lösungen zu finden, sowohl bei den Lehrkräften als auch bei den Schülerinnen und Schülern die Stärken zu sehen und bei Schwächen Unterstützung zu geben“. Die Jury des Deutschen Schulpreises hat dies offenbar genauso gesehen.

 

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