Ganztags in Konz: „Nichts Besonderes“ : Datum: Autor: Autor/in: Stephan Lüke

Die St. Nikolaus-Grundschule Konz in der deutsch-luxemburgischen Nachbarschaftsregion leistet unaufgeregt und mit viel Kreativität „ihre Arbeit“ für 220 Kinder – selbstverständlich mit Offenem Ganztag.

Im ersten Moment meint Alexander Kalmar gar nicht so recht zu wissen, ob wir bei ihm an der richtigen „Adresse“ sind. „Wir leisten nur unsere Arbeit. Das ist doch normal und nichts Besonderes“, antwortet der Schulleiter der Grundschule St. Nikolaus im rheinland-pfälzischen Konz auf unsere Bitte, seine Schule porträtieren zu können.

Es ist wohl ein entscheidendes Merkmal seines Teams und seiner selbst: Sie tun tägliches Gutes, möchten aber darüber gar nicht so viele Worte verlieren. Sie tun es für die 220 Kinder, von denen rund die Hälfte den Offenen Ganztag nutzen, nicht für sich oder ihr Ansehen. Dabei lassen sie Kreativität walten, wie etwa auch in der aktuellen Corona-Zeit. Ständer für die Desinfektionsspender mussten her – also werden sie aus Vorhandenem selbst konstruiert. Mit der alten Bremsscheibe als „Fuß“.

Ein anderes Beispiel aus der schulischen Arbeit belegt die unaufgeregte Suche nach Lösungen. Weil die Einteilung der OGS-Gruppen nach dem Prinzip Wunschzettel zu einem „tierischen“ Aufwand geführt und trotzdem häufig genug Unzufriedenheit beschert hatte, wählte man einen neuen Weg. Alle für den Offenen Ganztag angemeldeten Kinder treffen sich nun je nach Wetterlage auf dem Schulhof oder in der Turnhalle. Dort stellen sich die pädagogischen Fachkräfte und Honorarkräfte mit ihren Angeboten für die stets mittwochs stattfindenden Arbeitsgemeinschaften vor.

Abstimmung
Die Kinder treffen ihre Entscheidung. © Britta Hüning

Die Kinder treffen ihre Entscheidung, orientieren sich am eigenen Interesse und häufig auch daran, zu welchen Gruppen die Freundinnen und Freunde tendieren. Die Einteilung gelingt, auch wenn mitunter die Kinder etwas anderes wählen, als ihre Eltern sich erhofft haben. Kommentar von Alexander Kalmar, der in diesem Sommer sein kleines Jubiläum von fünf Jahren Schulleitertätigkeit an dieser Schule feiert: „Bei uns werden die Kinder live und in Farbe verteilt. Ihre Wünsche werden berücksichtigt.“

Gemeinschaft in der deutsch-luxemburgischen Nachbarschaftsregion

Wenn Kalmar in die Zukunft blickt, wünscht er sich, noch stärker als bislang ohnehin schon der Individualität der Grundschülerinnen und -schüler gerecht werden und beispielsweise mehr differenzieren zu können. „Wir sind eine multikulturelle Gemeinschaft, mit Kindern aus allen Schichten, Kindern mit Flüchtlingserfahrungen, Kindern aus Familien mit sozialen Herausforderungen und Kindern mit Handicap“, berichtet er.

Er empfindet das als „bereichernd“. Mit Händen und Füßen werden manchmal Sprachbarrieren überwunden, bis die Unterrichtseinheiten „Deutsch als Zweitsprache“ ihre Wirkung entfalten. Alexander Kalmar: „Ich glaube, wir tragen zur ‚Völkerverständigung’ bei.“ Und sei es „nur“, wenn bei einem Fest der Grundschule St. Nikolaus schon einmal Essen aus 20 Nationen auf den Tisch kommt. Und immer wieder ist Flexibilität gefragt.

Ein auf einen Rollstuhl angewiesenes Kind beendet aktuell sein erstes Schuljahr. Üblicherweise ziehen die Kinder zum zweiten Schuljahr ins Obergeschoss. Das ist mit dem Rollstuhl nicht praktikabel. Also bleibt die Klasse ausnahmsweise weiter ebenerdig. Kalmar: „Eine für alle Beteiligten sinnvolle Lösung.“ Könnte die Schule nicht einen Aufzug fordern?  Kalmar ist zurückhaltend und voller Verständnis für den Schul- und gleichzeitigen OGS-Träger: Schließlich muss die Gemeinde damit leben, dass in der Grenzregion viele Berufstätige ins benachbarte Luxemburg pilgern, dort arbeiten und Steuern zahlen, in Konz aber wohnen und die kostenfreien Angebote von Kita und OGS nutzen.

Ressourcen nutzen, um individuell zu fördern

Ob das auch der Grund dafür ist, dass Alexander Kalmar nicht nur die Schule, sondern auch die OGS organisiert? Er tut es jedenfalls, stellt sein Team aus Erzieherinnen, Honorarkräften und jungen Leuten, die ein Freiwilliges Soziales Jahr absolvieren möchten, zusammen. Der Blick auf die Kasse bestimmt die Möglichkeiten. Die pädagogischen Fachkräfte begleiten die Hausaufgaben. Ein Aufgabe, die auch jede Lehrkraft neben der Mittagsbetreuung einmal wöchentlich übernimmt.

Eine pädagogische Fachkraft ist immer dabei, wenn sich die Schülerinnen und Schüler auf den Weg in die Stadtbücherei begeben. „Wir möchten den Bezug zum Buch und zum Lesen so selbstverständlich herstellen, wie wir ihnen Schwimmen und Radfahren beibringen“, betont Kalmar. Dass viel zu viele Kinder nicht schwimmen können, müssen er und sein Team noch im dritten Schuljahr beim Besuch des Konzer Saar-Mosel-Bades, das von der Verbandsgemeinde extra als Sport- und Schulbad errichtet wurde, feststellen.

Schülerinnen und Schüler beim Sport in der Halle
© Britta Hüning

Dass vielen Kindern die Motorik im Wege steht, wenn es darum geht, einen Drahtesel sicher zu bewegen, erleben die Polizisten, die das Training auf dem angrenzenden Ausbildungsplatz leiten. Der Schulleiter fürchtet: „Durch Corona und den Distanzunterricht ist das noch schlimmer geworden.“ Besorgt haben die Lehr- und Fachkräfte die Schwierigkeiten beim Lesen registriert, dass es vielen Kindern schwerfällt, Buchstaben zu erkennen und zu lautieren.

Kalmar: „Das wird eine unserer zentralen Aufgaben darstellen. Wir müssen alle zur Verfügung stehenden personellen Ressourcen nutzen, um in diesem Bereich individuell zu fördern.“ Jeder an der Schule engagierte Erwachsene kann einen Beitrag dazu leisten, zu erkennen, welche Bedürfnisse ein Kind hat. Damit die Erkenntnisse der im Ganztag Tätigen nicht „versanden“, wird der kurze Draht intensiv gepflegt. Darüber hinaus existiert eine Art Nachrichtenbox. In ihr können auf Zetteln notierte Erkenntnisse weitergegeben werden.

„Den Übergang erleichtern“: Guter Draht zur Kita

Stets wird insbesondere bei den Erstklässlerinnen und Erstklässlern Wert darauf gelegt, dass die Kinder eine Bezugsperson haben. So wie sie es aus der Kita gewohnt waren. Die Kooperation, speziell mit der angrenzenden Kita-Einrichtung, wird sorgsam gepflegt. Man trifft sich, tauscht sich aus und verabredet die Treffen frühzeitig fürs kommende Jahr.

Am jährlichen Tag der Bundesjugendspiele laden die Kinder, die nach den Sommerferien in die zweite Klasse aufsteigen, die Vorschulkinder zum Schnuppern ein. „Dann sind sie völlig ungestört, haben das Haus für sich allein. Das trägt dazu bei, den Kita-Kindern den Übergang zu erleichtern“, weiß Kalmar.

Wenn sie dann eingeschult worden sind, warten mittwochs im Ganztag die AGs auf sie: von der Garten-AG und der Naturforscher-AG über Spiele-, Fußball- und Computer-AG bis zur Französisch-AG. Sie kommen ebenso schnell in den Genuss und Kontakt zu Theater, Tanz und Musik. Dank der Unterstützung des Fördervereins und der Konzer-Doktor-Bürgerstiftung kommt beispielsweise montags ein professioneller Musiker in die Grundschule und probt gruppenweise mit den Kindern.

Der Musiker, Dirigent und Chorleiter Hans-Karl Daus leitet seit Jahren auch den Schulchor, der nicht nur beim Weihnachtsbasar auftritt, sondern zu kleinen Konzerten in die benachbarte Pfarrkirche St. Nikolaus einlädt. Der Förderverein ermöglicht es auch, dass jene Eltern, die auch am Freitag eine Betreuungsmöglichkeit benötigen, diese in der Schule finden.

„Nur Prinzessinnen werden gefahren“

Elterntaxi
„Lass mich hier aussteigen.“ © Alexander Kalmar

Schlagzeilen machte die Grundschule St. Nikolaus, als sie im Februar sozusagen ‚auf die Straße ging’. Eine kleine Demo sollte auf die potenzielle Gefahr hinweisen, die für Kinder, die zu Fuß zur Schule kommen, entsteht, wenn ‚Elterntaxis’ ihre Kinder bis vor die Schultür fahren. „Die letzten Meter zu Fuß! Stopp dem Elterntaxi“ lautet das Motto.

„Wir wollten auf die Hol- und Bringzone in ein paar Meter Entfernung hinweisen“, erzählt der Schulleiter. Dort hängt gut sichtbar ein einer Bushaltestelle ähnelndes Schild mit dem Hinweis: „Ab hier gehen wir zu Fuß, denn nur Prinzessinnen werden gefahren.“ Nicht alle Auto fahrenden Eltern waren glücklich. Doch ihre Kinder fordern immer häufiger: „Lass mich hier aussteigen.“

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