Ganztags auf die Lerninsel: Westpark-Grundschule Augsburg : Datum: Autor: Autor/in: Ralf Augsburg

2011 gründete die Stadt Augsburg im Stadtteil Pfersee eine Grundschule. Schulleiterin Jutta Schoft setzte von Beginn an auf Ganztagsklassen. Mit Erfolg.

Wenn Jutta Schoft von ihrer Ganztagsschule spricht, bezeichnet sie diese auch schon mal stolz als „unser Baby“. Nicht grundlos, denn vor vier Jahren hat die Rektorin der Westpark-Grundschule im Augsburger Stadtteil Pfersee die Ganztagsschule sozusagen aus der Taufe gehoben, als sie die Schulleitung übernahm. „Es ist ein spannender Prozess gewesen. Und jetzt bereichert die Schule unseren Stadtteil“, meint die Pädagogin.

Umgekehrt profitiert die Schule von einem in der Nähe schneller als erwartet wachsenden Neubaugebiet: Die Westpark-Grundschule, die erst im Herbst 2011 ihre Pforten öffnete, leidet schon jetzt unter Raumnot. Ursprünglich für 16 Klassen angelegt, sind derzeit bereits 18 Klassen mit insgesamt 410 Schülerinnen und Schülern untergebracht. Für den Schuljahresbeginn 2015/16 rechnet Jutta Schoft mit weiteren 125 Einschulungen. „Dann müssen wir nach dem Seminarraum für die Uni und dem Musikzimmer auch noch unseren schönen Meditationsraum in ein Klassenzimmer umwidmen“, bedauert die Schulleiterin. Die Westpark-Grundschule ist „Universitätsschule“ der Universität Augsburg, Ausbildungsschule für die 2. Ausbildungsphase und Fortbildungsschule für die 3. Phase der Lehrerbildung.

„Eine Ganztagsschule benötigt viel Platz“

Für die Mittagsbetreuung ist die Schule schon längst zu eng: Nur die 25 Hortkinder und die 150 Schülerinnen und Schüler der Ganztagsklassen können in der Schulmensa essen, in der das Essen täglich frisch zubereitet wird. 70 weitere Kinder werden mittags in einer anderen Kindertagesstätte verpflegt. Auf eine gute Schulverpflegung legt die Westpark-Grundschule großen Wert. Im vergangenen Schuljahr nahm sie deshalb am Coaching-Modellprojekt der Vernetzungsstelle Schulverpflegung Schwaben teil.

Es liegt also nicht nur an dem wachsenden Familienumfeld, dass die Westpark-Grundschule aus allen Nähten platzt, sondern auch an der Popularität der Ganztagsschule: Inzwischen ist in den ersten beiden Jahrgangsstufen ein zweiter Ganztagszug im Aufbau. Und eine Ganztagsschule benötigt laut Konrektorin Ilona Schley eben viel Platz: „Wir arbeiten mit 30 externen Partnern aus der Kunst, der Musik und dem Sport zusammen.“ Der Elternbeirat wünscht sich indes noch mehr Ganztagsbetreuung vor Ort.

Förderung auf der Lerninsel

Das „Baby“ ist also schon recht groß geworden, die Arbeit aller Beteiligten über die vergangenen vier Jahre hat sich ausgezahlt. Von Vorteil war für die Schule dabei die Ausgangslage: Die Grundschule konnte in einen modern ausgestatteten, flexibel nutzbaren Neubau ziehen, den ein Team der FH Aachen um den Architekten Prof. Frank Hausmann nach dem Prinzip des „Offenen Klassenzimmers“ entworfen hat. Seither gehört die Schule zu den „Beispielen gelungener Schulbauten in Bayern“.

Alle Klassenzimmer befinden sich im 1. Stockwerk. Das Erdgeschoss beherbergt die Aula, eine Leseinsel, einen Meditations- und Ruheraum, einen Computerraum, Räume für Werken, Textiles Gestalten und Musik. Die „Transitionszone“ verbindet die Grundschule mit der Kindertagesstätte. Ein großes Außenfreigelände mit Wiesenflächen und Sportplatz gehört selbstverständlich auch dazu.

Die Klassenräume einer Jahrgangsstufe gruppieren sich um eine „Lerninsel“. Es wird auch klassen- und jahrgangsübergreifend gearbeitet, was durch die offene Architektur problemlos möglich ist. „Je nach Lernsituation kommen die Kinder in der Lerninsel zusammen, um gemeinsam zu lernen oder etwas zu erarbeiten. Sie können sich aber auch in ihre Klassen zurückziehen, wenn die Lehrerin das für sinnvoller erachtet“, erklärt Ilona Schley. Für jede Lerninsel steht ein Whiteboard zur Verfügung. Viel Glas sorgt für Transparenz. „Wir nutzen aber auch schon mal die Flure zum Lernen“, ergänzt die Pädagogin.

„Die Kinder lernen mit Wochenplänen auf unterschiedlichen Kompetenzniveaus. Wir arbeiten mit handlungsorientierten offenen Lern- und Unterrichtsformen“, so Schulleiterin Jutta Schoft. Nach dem Essen findet jeweils die Studierzeit statt: Begleitet durch zwei Lehrerinnen, erledigen die Schülerinnen und Schüler die Hausaufgaben oder werden in kleinen Lerngruppen intensiv gefördert. „Am Ende besprechen wir mit den Kindern immer, ob sie zufrieden mit dem Erreichten sind“, berichtet die Rektorin. Außerdem gibt es ein „Partnersystem“: Die Kinder helfen sich gegenseitig, wenn jemand beispielsweise durch Krankheit etwas versäumt hat.

„Ohren auf“ für Kooperationen

An vier Tagen dauert der Ganztagsunterricht bis 16 Uhr, freitags bis 13 Uhr. Der Hort im Bildungshaus bietet bei Bedarf eine zusätzliche Betreuung bis 17 Uhr. Die Schülerinnen und Schüler der Ganztagsklassen können ihren Tagesablauf mitgestalten und ihre individuellen Fähigkeiten und Vorlieben zum Beispiel in Projekten einbringen. Für den Nachmittag stehen zahlreiche Arbeitsgemeinschaften zur Auswahl: So gibt es unter anderem „Umweltbildung“, „Gestalten mit Draht, Speckstein oder Mosaik“, „Gitarre“, „Pfersee erleben“, „Orientalische Tänze“, eine Golf- und eine Badminton-AG. Die externen Partner hat die Schule sämtlich aus dem Stadtteil rekrutiert.

„Wir haben die Ohren immer an den richtigen Stellen offen“, erzählt Jutta Schoft. „Als wir zum Beispiel mitbekommen haben, dass eine Mutter Französisch-Korrespondentin ist, haben wir sie für unsere Angebote gewonnen.“ Den Sportvereinen vermittelt die Schule, dass ein Engagement eine gute Werbung für den Vereinssport ist. Im Gegenzug können die Vereine die Turnhalle nutzen.

Mit der Leseinsel, einem Ableger der Stadtbibliothek Augsburg, der in der Schule untergebracht ist, öffnet sich die Schule auch in den Stadtteil hinein. Die AWO Augsburg bietet als Trägerin der Kindertagesstätte und des Hortes mit dem Stadtteilzentrum „Bürgerhaus Pfersee“ in allen Schulferien für die Kinder der Ganztagsklassen eine Ferienbetreuung an.

„Wenn sich das Leben verändert, kann die Schule nicht stillstehen“

Die Partner werden in die Schule integriert. Sie dürfen ins Lehrerzimmer, sind bei Ausflügen dabei und zur Schulkonferenz am Schuljahresbeginn eingeladen. Und sie werden auch im Alltag nicht alleine gelassen: Eine externe AG-Leitung arbeitet immer im Team mit einer Lehrerin. Diese Bemühungen zahlen sich aus: „Wir haben noch nie einen externen Partner verloren. Es herrscht ein gutes Klima, und jeder weiß, an wen er sich wenden kann.“ Jutta Schoft sieht allerdings auch Handlungsbedarf: „Die Zukunft der Ganztagsgrundschule kann nicht sein, dass die Arbeit von pädagogischen Autodidakten geleistet wird. Die Schulung der externen Partner, die wir derzeit selbst übernehmen, ist doch eigentlich eine übergreifende staatliche Aufgabe.“

„Wenn sich das Leben verändert, kann die Schule nicht stillstehen“, fasst Schulleiterin Schoft die Dynamik an ihrer Ganztagsgrundschule zusammen. Die ist mit Mehrarbeit verbunden: „Es braucht sehr viele Absprachen, etwa eine Stunde pro Woche zusätzlich pro Kollegin“, rechnet die stellvertretende Schulleiterin Illona Schley. „Unsere Rolle hat sich sehr verändert: Wir sind Lernorganisatorinnen und Lernbegleiterinnen. Es gibt in unseren Klassenräumen kein Vorne und kein Hinten, auch kein Pult. Aber jede Kollegin weiß, was in den anderen Klassen vor sich geht. Krankheitsvertretungen lassen sich locker auffangen.“

Halbtags- und Ganztagslehrerinnen plus die Fachlehrerinnen einer Jahrgangsstufe bilden jeweils ein Stufenteam. In wöchentlichen Teamsitzungen besprechen und organisieren die Pädagoginnen die Wochenpläne und strukturieren die Lernangebote. Besondere Anlässe werden wiederum von Fachteams geplant und organisiert. „Unsere Schule kommt mit drei großen Konferenzen im Jahr aus. Die Teams organisieren sich selbst, wir erhalten nur die Ergebnisse“, berichtet Konrektorin Schley.

Ein GANZ normaler TAG im Westpark

Bisher hat die Westpark-Grundschule offenbar vieles richtig gemacht. Die Arbeit ist auch bei der Stiftung Bildungspakt Bayern nicht unbeachtet geblieben: 2014 erhielt die teilgebundene Ganztagsschule den begehrten Schulentwicklungspreis „Grundschul-i.s.i.“, mit dem die innovativsten Grundschulen der sieben bayerischen Regierungsbezirke ausgezeichnet werden. Der „i.s.i. - Innere Schulentwicklung Innovationspreis“, der seit 2001 verliehen wird, würdigt Schulen, die sich dafür einsetzen, die Qualität von Unterricht und Erziehung nachhaltig zu verbessern, und dabei neue Wege gehen.

Wie „Ein GANZ normaler TAG im Westpark“ aussieht, besingen die „Westpark-Kinder“ in dem vom Förderverein unterstützten gleichnamigen Film:

“Wir sind die Westpark-Kinder,
wir sind sehr modern,
wir sind die Westpark-Kinder,
das sollen alle hör’n!
Die Uhren ticken anders,
die Kleinen sind hier groß,
die Türen stehen offen,
bei uns, da ist was los!”

Die „Förderer & Zeitspender“ des Bildungshauses Westpark planen auch schon ein neues Projekt: Ein „Atrium – Grünes Klassenzimmer“ soll demnächst entstehen.

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