Ganztag mit Herzschlag und Grünem Band : Datum: Autor: Autor/in: Stephan Lüke

Im eigenen Tempo lernen, Vielfalt schätzen, gegen Ausgrenzung aktiv vorgehen: Der Herzschlag der Trude-Herr-Gesamtschule ist in Köln überall hörbar. Und einen Pädagogen auf vier Pfoten gibt es auch.

Wenn eine Schule mit dem Slogan „Unser Herz schlägt für Vielfalt“ wirbt, erlegt sie sich selbst einen hohen Anspruch auf. Die Trude-Herr-Gesamtschule in Köln-Mülheim, die 2014 aus dem Zusammenschluss der Montessori-Gemeinschaftsschule und der Gemeinschaftsschule Buchheim erwachsen ist, scheut sich nicht davor, unter diesem Aspekt genauer unter die Lupe genommen zu werden. 

Warum auch, könnten Leiterin Monika Raabe und ihr Team fragen und selbst antworten: „Wer sein Kind bei uns anmeldet, wird Gründe haben. Wir wissen aus vielen Reaktionen, dass viele Eltern genau diesen Herzschlag spüren und sich deshalb für unsere Gesamtschule entscheiden.“ Vielfalt beinhaltet an dieser von rund 900 Schülerinnen und Schülern besuchten Schule den gezielten Blick auf jede und jeden Einzelnen. Die Klassen setzen sich aus Kindern mit den unterschiedlichsten familiären und kulturellen Hintergründen zusammen. 

„Das bereichert unser Zusammenleben und -lernen unglaublich“, betont Monika Raabe. Es überrascht nicht, dass die Gesamtschule, die sich nach der Kölner Legende und „Powerfrau“ Trude Herr, die in Mülheim aufgewachsen ist, benannt hat, seit 2018 offiziell „Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage“ ist. Für Lehrende wie Lernende beinhaltet dies die freiwillige Verpflichtung, im sozialen Gefüge der Schule und des Stadtteils besonders auf Vorurteile und Fremdenhass zu achten und jede Form von Ausgrenzung nicht nur abzulehnen, sondern auch aktiv dagegen vorzugehen. 

Kompetenzraster erleichtern das Lernen

Konsequent wird auf selbstständiges Lernen Wert gelegt. „Denn wir wissen, jedes Kind ist anders. Darum dürfen wir nicht ein Lernraster für alle, sondern müssen ein Konzept für jede Schülerin und jeden Schüler anbieten“, versichert die Schulleiterin. Mit Hilfe des „Kompetenzrasters“ und mit dem Lernen im „Grünen Band“ wird aus der Theorie Praxis. Im Deutschunterricht und in der Gesellschaftslehre wird in sogenannten Epochen unterrichtet. 

Sprachprogramm QuisS der Stadt Köln.
Sprachprogramm QuisS der Stadt Köln. © Trude-Herr-Gesamtschule

Die Schülerinnen und Schüler erhalten ein Kompetenzraster. Die darin enthaltenen Aufgaben bearbeiten sie in der Schule und zu Hause. Im eigenen Tempo und eben nicht nach dem Motto: Morgen können alle… Was in Deutsch gelingt, kann auch für andere Fächer gelten. Darum kommen die Kompetenzraster auch in Mathematik, Biologie oder im Wahlpflichtbereich zum Einsatz.

Ein Beispiel: Im Deutschunterricht der Jahrgangsstufe 10 steht das Thema „Menschenbilder in verschiedenen Zeiten“ an. Unterschiedlichen Lernbereichen sind zu erreichende Kompetenzen und zur (eigenen) Kontrolle entsprechende Aufgaben zugeordnet. Anhand der Arbeitsergebnisse können die Schülerinnen und Schüler, aber natürlich auch die Lehrkräfte erkennen, welche Kompetenzstufe sie erreicht haben.

Lernen im „Grünen Band“

Im Unterricht wird in unterschiedlichen Sozialformen gearbeitet. Wenn Gruppenarbeit angesagt ist, wissen die Schülerinnen und Schüler, wie sie sich gegenseitig unterstützen können. Die Aufgaben werden auf verschiedenen Niveaus angeboten. In den höheren Klassen sind die Kompetenzraster mit Aufgaben für Erweiterungs- und Grundkurse binnendifferenziert. Auch die Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf erhalten ein individuelles Kompetenzraster.

Wie ein Grünes Band der Sympathie wirken die Ergänzungs- und Förderstunden in den Jahrgangsstufen fünf und sechs. „Wir haben es Grünes Band genannt, weil es an den roten Faden erinnert und die Schülerinnen und Schüler durch die Woche begleitet. Alle Förderzeiten und Förderangebote sind im Stundenplan grün gekennzeichnet“, berichtet Monika Raabe, deren Schule sich auf zwei Standorte in Stadtteil Köln-Mülheim verteilt. Die jüngeren Jahrgänge lernen gemeinsam an der Ferdinandstraße, jene ab Stufe 9 am Rendsburger Platz. 

Das Grüne Band bedeutet nichts anderes als ein fest verankertes Förderband, zum Erlernen, Festigen und Vertiefen sozialer und methodischer Grundlagen, verknüpft mit unterrichtlichen Inhalten und Lernzeiten. Der gemeinsamen Planung der Woche am Montag folgen an den weiteren Tagen eine modulare Lernförderung, soziales Training, gemeinsame Lernzeiten und ein gemeinsamer Wochenabschluss mit der Tagung des Klassenrates. 

„Jede Jeck is anders“

Musikschule
Eine Musikschule für alle: Instrumentenkarussell. © Trude-Herr-Gesamtschule

So vielfältig wie ihre Schülerinnen und Schüler ist auch die Angebotspalette dieser Gesamtschule, die in einem trotz enormer Strukturförderprogramme wie „Mülheim 2020“ nach wie vor mit Herausforderungen konfrontierten Stadtteil liegt. So bietet die Schule verstärkte Sprachförderangebote (einschließlich Rechtschreibung) im Schulprogramm QuisS (Qualität in sprachheterogenen Schulen) der Bezirksregierung Köln an, aber auch die Förderung der „Selbstorganisation“ oder die AG „Schauspielwerkstatt“, die die Persönlichkeitsentwicklung stärkt.

Regelmäßige, an Schwerpunktthemen orientierte Projekte faszinieren die Schülerinnen und Schüler. Und sie stärken die Schulgemeinschaft, denn sie finden klassenübergreifend statt. Der Inklusion hat sich die Gesamtschule, die großen Wert auf ihre ausgefeilten Konzepte zur musischen Bildung legt, in besonderem Maße verschrieben, was man an den sehr umfangreichen Kooperationen mit der Hochschule für Musik und Tanz und mit der Rheinischen Musikschule sieht. 

Pro Schuljahr werden zwölf Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf fast aller Förderschwerpunkte aufgenommen. Sie werden gleichmäßig auf die Klassen verteilt. „Anders sein, erfährt so ein gutes Stück Normalität“, begründet Monika Raabe, warum man sich gegen eine reine Inklusionsklasse entschieden hat. Wenn eben möglich, werden die Klassen von einer Doppelbesetzung, bestehend aus Lehrkräften und sozialpädagogischen Fachkräften betreut.

Kommunikation und viel Beratung

Voraussetzung für eine möglichst optimale Begleitung jeder und jedes Einzelnen ist eine funktionierende Kommunikation. Sie wird beispielsweise dadurch gewährleistet, dass die Klassenlehrerteams zu jedem Schuljahr neue Informationen über individuelle Besonderheiten, Förderschwerpunkte und eventuelle Teilleistungsschwächen zusammenstellen. Diese erhalten alle in einer Klasse eingesetzten Lehrkräfte. Weiterhin wird der eigens für die Schule hergestellte Organizer einheitlich vom Kollegium genutzt, um die Kommunikation untereinander und mit den Erziehungsberechtigten zu erleichtern. 

Katholische Jugendagentur Köln
Die Katholische Jugendagentur Köln organisiert verlässlich den Ganztag. © Trude-Herr-Gesamtschule

Zudem wird die digitale Plattform Logineo LMS mit den Klassen verwendet. Apropos Kommunikation: Auch aus den selbst entwickelten Unterrichtsmaterialien wird kein Staatsgeheimnis gemacht. Man teilt Erfahrung und Wissen. Materialien werden in einer Unterrichtscloud für alle Kolleginnen und Kollegen zugänglich gemacht. Monika Raabe: „Es geht nicht in erster Linie um den Erfolg der einzelnen Lehrerin, sondern um Vergleichbarkeit, Ressourcennutzung, Effektivität des Lernens. Und vor allem geht es, in allen Schülerinnen und Schülern das Individuum zu sehen und zu unterstützen.“

Besondere Unterstützung erhalten auch die Schülerinnen und Schüler der gymnasialen Oberstufe, die sich für den Weg zum Abitur entschieden haben. Bei der Beantwortung der Frage, was danach kommen kann, unterstützt sie ein Team von Berufs- und Studienberatern. Die Zusammenarbeit mit der Studien- und Berufsorientierung der Universität Köln, mit den Talentscouts der Universität und mit der Arbeitsagentur runden die Angebote ab. Die Angebote nutzen auch alle, die sich während der Sekundarstufe II nach Alternativen wie zum Beispiel dem Fachabitur umsehen wollen.

Eine Musikschule für alle

So breit und vielfältig wie die Unterstützung bei der Berufsorientierung in der „Berufswahlsiegel“-Schule, so bunt ist auch die Palette der Arbeitsgemeinschaften, die im Rahmen des Ganztags angeboten werden. Die Trude-Herr-Gesamtschule kooperiert mit der Katholischen Jugendagentur Köln als Ganztagsträger. Das gemeinsame Team erarbeitet passgenau ein Ganztagsangebot für alle Stufen der Sekundarstufe I. Von Sportangeboten wie Fußball, Basketball und Tischtennis und einer aktiven Spiel- oder Lesepause über die Museums-AG, die Grafik & Co.-AG, Chor und Musical bis hin zur Fahrradwerkstatt, „Relax-AG“ und einer „Jung und Alt“-AG sind die Möglichkeiten fast unbegrenzt.

Die Trude-Herr-Gesamtschule, die Anfang 2019 im Modellvorhaben des Landes NRW auch als „Talentschule“ ernannt wurde, erarbeitete zusätzlich besondere Konzepte zur kulturellen und sprachlichen Förderung. Gerade der musische Bereich mit EMSA –„Eine (Musik)Schule für alle“ – ist hier hervorzuheben. In Zusammenarbeit mit der Hochschule für Musik und Tanz und der Rheinischen Musikschule werden innovative Projekte zur sprachlichen und musischen Förderung in den Alltag implementiert. 

Filou wacht über allem und alles

Schulhund
Pädagoge auf vier Pfoten: Schulhund Filou fördert die Kommunikation. © Trude-Herr-Gesamtschule

Neben Berufswahl, Kultur, Musik, Förderung Spiel und Spaß nicht alltäglich, aber umso mehr geschätzt und gern angefragt wird das „LockerTeam“ – gern auch „technisches Hilfswerk" der Schule genannt. Wann immer Schülerinnen und Schüler ein Problem nach der Devise „Schraube locker?“ haben, können sie sich an das Schülerteam, das von Schulsozialarbeiter Frank Paffendorf angeleitet wird, wenden. Sie kennen für (fast) jede technische oder handwerkliche Herausforderung eine Lösung, egal, ob es sich um eine defektes Schloss, wackelige Stühle oder quietschende Türen handelt.

Und wer wacht über allem und alles? Filou der Schülerhund. Der pfiffige Bretonenmix-Rüde trägt nicht nur zur Verbesserung der Klassenatmosphäre bei. Er fördert die Kommunikationsfähigkeit und Sprachmotorik der Kinder und Jugendlichen, denn er reagiert auf klare Signalgebung, Mimik und Gestik. Und er passt bestens zum Schulmotto „Unser Herz schlägt für Vielfalt“. Schließlich mag er alle Schülerinnen und Schüler, fragt nicht nach ihrem Alter, Aussehen, ihrer Herkunft oder gar dem Geldbeutel der Eltern. 

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Kategorien: Service - Kurzmeldungen

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