Ganztag in der IGS Roderbruch: „Zeit zum nachhaltigen Lernen“ : Datum: Autor: Autor/in: Ralf Augsburg

An der IGS Roderbruch in Hannover „melden die Eltern ihre Kinder für ein Konzept an“, betont Schulleiterin Brigitte Naber. Der Ganztag bietet für Schülerinnen und Schüler von Klasse 1 bis 13 viele Formate, um nachhaltig zu lernen.

Außenansicht der IGS Roderbruch
© IGS Roderbruch

Als das Kultusministerium auf der didacta 2018 in Hannover an seinem Stand neun Schulen vorstellte, gehörte die IGS Roderbruch dazu. Selbstverständlich. Die teilgebundene Ganztagsschule war vor 45 Jahren eine der ersten Integrierten Gesamtschulen Niedersachsens. Aktuell ist sie die einzige IGS von Klasse 1 bis 13 und mit rund 1.800 Schülerinnen und Schülern zudem eine der größten Schulen des Landes.

Dieses gewaltige Schulschiff wird von Brigitte Naber gelenkt. „Man muss gut strukturiert sein, um alle Aspekte im Auge zu behalten“, sagt die Schulleiterin lächelnd. Die hausinterne Information „Ganztagsbetrieb in den Jahrgängen 5 / 6“, die die Didaktische Leitung der Schule erarbeitet hat, belegt das. Detailliert ist beschrieben, welche Veränderungen sich mit den AGs auch am Vormittag in der Rhythmisierung im Schuljahr 2018/2019 ergeben werden.

„Die Eltern melden ihre Kinder für ein Konzept an“

„Als Ganztagsschule haben wir mehr Zeit zum nachhaltigen Lernen“, erklärt die Schulleiterin. „Wir wollen nicht bloß Fakten vermitteln, sondern die Schülerinnen und Schüler sollen Kompetenzen entwickeln.“ Teilgebundene Ganztagsschule heißt im Falle der IGS Roderbruch, dass drei Wochentage im gebundenen Ganztag stattfinden und es an zwei Tagen – dienstags und freitags – ein offenes Angebot gibt. „Der gebundene Ganztag ermöglicht uns eine Anbindung von zusätzlichen Angeboten an den Unterricht – statt nur zusätzlicher Freizeitangebote. Es ist mehr Zeit für einen sinnvollen Wechsel von Fächern mit stärker kognitiven Anforderungen und Fächern mit handlungsintensiven und kreativen Tätigkeiten.“

Die zusätzliche Ganztagszeit setzt die Integrierte Gesamtschule in sogenannten Verfügungsstunden und Stammstunden ein. In den Verfügungsstunden werden Klassenthemen und aktuelle Themen besprochen und das soziale Miteinander gestärkt. In den Stammstunden arbeiten die Schülerinnen und Schüler an Aufgaben, die sich aus dem Fachunterricht ergeben, zum Beispiel bereiten sie Präsentationen vor. „Wir haben keine Hausaufgaben mehr“, so Brigitte Naber. In den Lernzeiten lernen die Schülerinnen und Schüler selbstständig mit Arbeitsplänen aus dem Fachunterricht oder in Projekten.

Schülerinnen in historischen Kostümen
„Die Posen der Mächtigen“ © IGS Roderbruch

Auch in der Mittagspause gibt es zahlreiche Angebote: eine Spieleausgabe, verschiedene Sportmöglichkeiten, Billard und Lufthockey im Freizeitraum. Das Mittagessen in der Mensa ist bis einschließlich Jahrgang 6 verpflichtend. Die Klassen 1 bis 6 essen in Gruppen gemeinsam an gedeckten Tischen. „Das ist uns wichtig“, betont Brigitte Naber. „Die Eltern melden ihre Kinder für ein Konzept an. Das Essen gehört dazu.“

Rock'n Roderbruch und „Balu und Du“

Im Wahlbereich stehen zahlreiche Arbeitsgemeinschaften zur Auswahl. Für die Jahrgänge 7 bis 13 sind das in diesem Jahr zum Beispiel der Schulchor ReVoices, der Bandworkshop „Rock'n Roderbruch“ in Zusammenarbeit mit dem Kulturtreff Roderbruch, der Stadtteilkultureinrichtung der Bürgergemeinschaft Roderbruch. Das Projekt „Tatort Oper“ lädt unter anderem zu sechs Opernbesuchen in die Staatsoper Hannover ein. Mit dem Jugendförderprogramm stärkt die „Gesellschaft der Freunde des Opernhauses“ (GFO) seit 30 Jahren das Interesse am Musiktheater– ein deutschlandweit einzigartiges Angebot.

Die „Pfandpiraten“ sammeln nach dem Motto „Wir verschönern unsere Pausen“ Pfandflaschen und setzen die Erlöse für Anschaffungen im Freizeitbereich ein, so wurden bereits Kickertische oder Billardqueues angeschafft. In den Klassen 9 und 10 besuchen die Schülerinnen und Schüler noch einen zusätzlichen Wahlpflichtkurs, zum Beispiel „Darstellendes Spiel“, „Blog / Online-Journalismus“, „Business English“ und „Informatik“. „Im Wahlbereich können die Schülerinnen und Schüler ohne Leistungsmessung oder zeitlich straff organisierten Lehrplan ihre Stärken interessenorientiert entfalten und auch neue Bereiche für sich entdecken“, erläutert Brigitte Naber. „Und wir können dort auch zusätzlich fördern und fordern.“

Im Primarbereich der IGS Roderbruch ist die Caritas Hannover ein Kooperationspartner. Im Mentorenprojekt „Balu und Du“ übernehmen Oberstufenschülerinnen und -schüler ehrenamtlich mindestens ein Jahr lang als „Balu“ die Patenschaft für eine Grundschülerin oder einen Grundschüler als „Mogli“. Die „Balus“ sind in erster Linie da, um Kindern aus schwierigen Lebensverhältnissen zuzuhören, Zeit für sie zu haben und aktiv die Freizeit mit ihnen zu gestalten.

Schülerinnen und Schüler mit Torten
Workshop „Feingebäck und Zuckerschnute“ auf der „Akademie der Spiele“ © IGS Roderbruch

Ganztagskoordinatorin der Primarstufe ist Sylvia Mahler vom Stephansstift Hannover, einer Einrichtung der Evangelischen Jugendhilfe, die an sechs Ganztagsschulen arbeitet. Einmal in der Woche trifft die Koordinatorin sich mit Schulleiterin Brigitte Naber. „Sylvia Mahler hat in der Primarstufe und für die Jahrgänge 5 und 6 den Hut auf. Sie koordiniert die Arbeit der Sozialpädagoginnen und -pädagogen, der Erzieherinnen und Erzieher und der Heilpädagogen. Und sie kümmert sich auch um die Kooperation mit außerschulischen Partnern“, erläutert Brigitte Naber.

„Prima!“ mit festen Bezugspersonen

Dass die pädagogischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auch am Vormittag in der Schule tätig sein können, ermöglicht die Stadt Hannover durch einen „trilateralen Vertrag“ zwischen Schule, Stephansstift und der Stadt. Im Ganztagsangebot „Prima!“ haben die Schülerinnen und Schüler in der ganzen Woche von 7.30 bis 16.00 Uhr feste Bezugspersonen. In jeder Gruppe sind maximal 15 Kinder. Täglich können sie in Themenräumen, Ateliers und Werkstätten viele Angebote wahrnehmen. Der IGS Roderbruch stehen für den Ganztag zusätzliche Lehrerstunden zur Verfügung. Das Stephansstift entscheidet eigenverantwortlich über die Verteilung der Stunden für den Ganztag. 40 Prozent davon hat die Schule „budgetiert“, das heißt, dem Kooperationspartner Stephansstift zugewiesen. „Wir haben das Maximum ausgeschöpft, um pädagogische Fachkräfte und Partner mit in die Schule zu bringen“, berichtet Sylvia Mahler.

Der Primarbereich hat schon einige Impulse für die Schulentwicklung gesetzt, sogar für die Sekundarstufe. „In den Klassen 1 und 2 sowie 3 und 4 arbeiten wir inzwischen jahrgangsübergreifend. Das ist nun auch in Angeboten der Sekundarstufe aufgegriffen worden. Der Ganztag hat uns ermöglicht, erst etwas auszuprobieren und es dann strukturell zu übernehmen“, freut sich die Ganztagskoordinatorin. Das Engagement des Stephansstifts ist nicht auf die Schulzeit beschränkt – in den Sommerferien gibt es fünf Wochen Ferienprogramm.

Für Sylvia Mahler fördert die Ganztagsschule ein „Gemeinschaftsgefühl und ermöglicht eine ganz andere Atmosphäre“. Das bestätigt Brigitte Naber: „Wir begegnen den Schülerinnen und Schülern anders, haben eine andere Kommunikation. Es gibt viel mehr soziale Kontakte. Außerdem können die Schülerinnen und Schüler im Ganztag auch abseits vom Pflichtunterricht selbstständig lernen und Interessen entdecken. Sie haben Erfolgserlebnisse und können auch mal Frustrationserlebnisse ausgleichen.“

„Kunst und Kultur sind für alle da!“: Barock in der IGS

Im Juni 2019 organisierte ein weiterer prominenter Kooperationspartner mit der IGS Roderbruch ein spektakuläres Pilotprojekt: „Die Akademie der Spiele“, die von den „Herrenhäuser Gärten“ unterstützt wurde. In einer Projektwoche entwickelten 180 Schülerinnen und Schüler der 7. Klassen unter den Leitthemen Gartenkultur und Barock in 17 Workshops kreative Inhalte. Sie arbeiteten mit Künstlern, Handwerkern, Technikern und Experten aus Musik, Bildender Kunst, Theater, Wasserkunst und Feuerwerk zusammen. Die Workshops wurden von den Lehrerinnen und Lehrern der IGS begleitet. Das Motto der Akademie: „Kunst und Kultur sind für alle da!“

Schüler bauen ein Holz-Pumprad
Ein Pumprad entsteht in der Tischlerei. © IGS Roderbruch

In Zusammenarbeit mit einem Tischler und einem Schlosser wurde ein Pumprad – ein Schöpfrad zum Heben von Wasser – gebaut. In der „Schlossküche“ wurden mit Bäcker Borchers Brote, aber auch „Feingebäck “ gebacken. Und wieder war das Theater dabei: Zusammen mit dem Jungen Schauspiel Hannover konnten sich die Schülerinnen und Schüler mit der höfischen Kultur im Barock beschäftigen. Sie durften sogar in historische Kostüme schlüpfen und einmal die „Posen der Mächtigen“ probieren. Weitere Workshops drehten sich um Gartenkunst, Architektur und Natur in der Kunst. Im App-Musik-Workshop „Beats, Barock und Tablets“ entstanden mit Hilfe einer App interessante Klangmischungen. Zum Abschluss stellten die Schülerinnen und Schüler ihre Ergebnisse der Öffentlichkeit vor.

Das Projekt zeigt die Vielfalt kultureller Praxis: von Musik, Bildender Kunst, Tanz, Theater, Performance und Literatur über Garten-, Koch-, Zirkus- oder Wasserkunst bis zu Medien und Digitalisierung. Schulleiterin Brigitte Naber fasst die Intentionen des Pilotprojekts zusammen: „Wir wollten an einem kulturhistorischen Ort mit Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft den Jugendlichen kulturelle Bildung vermitteln, sie in künstlerischen Ausdrucksformen Kreativität und Selbstwirksamkeit erfahren lassen. Doch sie sollten mit den Workshops auch berufliche Perspektiven entdecken können.“

 

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