Ganztag in Bullerbü: Grundschule Leuchtenburg : Datum: Autor: Autor/in: Ralf Augsburg

Immer mehr Schulen werden Ganztagsschulen. Viele von ihnen haben sich lange darauf vorbereitet. Im Gespräch: Carolin Hanken von der Leuchtenburg-Grundschule in Rastede (Landkreis Ammerland).

Im Schuljahr 2015/2016 war es für viele Schulen endlich soweit: Sie konnten sich auf den Weg zur Ganztagsschule machen. Wir möchten wissen, wie so ein Umgestaltungsprozess in der Praxis verläuft. Was ist zu bedenken? Wie überwinden sie Anfangsschwierigkeiten? In „Auf den Ganztag gut vorbereitet“ fragen wir Schulleitungen nach ihren Erfahrungen.

Grundschule Leuchtenburg
© Grundschule Leuchtenburg

Online-Redaktion: Frau Hanken, seit Schuljahresbeginn ist Ihre Grundschule Ganztagsschule. Was hat den Ausschlag gegeben, diesen Schritt zu gehen?

Carolin Hanken: Wir sind eine einzügige Grundschule, die sich immer mal wieder Gedanken um das Weiterbestehen machen muss. Als wir 2012 unsere 100-Jahr-Feier hatten, ist uns beim Blättern in der Schulchronik bewusst geworden, dass es stets Phasen gegeben hat, in denen diskutiert wurde, die Schule zu schließen. Vor vier Jahren wurden uns Schülerzahlen von 49 prognostiziert, aber stattdessen sind die Zahlen nun von rund 80 Kindern sogar gestiegen, sodass wir jetzt bei 92 Schülerinnen und Schülern liegen. Da von den sechs Grundschulen in Rastede bisher nur eine als Ganztagsschule arbeitete, dachten wir, damit unsere Schule attraktiver zu machen.

Man sieht allerdings auch, dass seitens der Eltern der Bedarf steigt. Selbst wenn es bei uns wie in Bullerbü aussieht – auch hier auf dem Land gibt es Eltern, die darauf angewiesen sind oder die einfach froh sind, wenn ihre Kinder länger als bis 12.45 Uhr sinnvoll betreut und die Hausaufgaben in der Schule erledigt werden. Die Hausaufgaben sind ein ganz wichtiger Punkt, da es hierbei häufig zu Auseinandersetzungen zuhause kommt. Die Ganztagsschule trägt hier sicherlich entscheidend zur Entlastung der Eltern bei und lässt so manchen Streit zuhause gar nicht erst entstehen.

Doch die Schülerinnen und Schüler kommen auch einfach deshalb zu uns in die Ganztagsschule, weil sie es selbst gerne möchten. Sie genießen das Zusammensein mit den Mitschülern, die gemeinsame Zeit, das entspannte Spielen und auch das gemeinsame Essen finden sie ganz toll. Wir sehen das als gute Chance, den Kindern, die sonst keine Möglichkeit haben, nachmittags ihre Freizeit mit anderen Kindern oder im Verein zu gestalten, etwas zu bieten.

Online-Redaktion: Welche Schritte haben Sie unternommen, um Ganztagsschule zu werden?

Hanken: Wir haben im Juli 2014 eine Umfrage unter den Eltern der Schule sowie den Eltern der zukünftigen Erstklässler durchgeführt, um den Bedarf zu erfahren. Dabei stellte sich heraus, dass rund 50 Prozent der Eltern Interesse hatten. Ich habe das mit Frau Beate Kaminski von der Landesschulbehörde in Aurich besprochen. Sie meinte, dass das ausreichende Voraussetzungen seien, um als Ganztagsschule zu starten. Dann entwickelten wir ein Konzept, das von der Gemeinde Rastede, unserem Schulträger, genehmigt wurde. Im Dezember letzten Jahres haben wir den Antrag gestellt, sodass wir zum 1. August 2015 starten konnten.

Online-Redaktion: Welche Punkte aus Ihrem Konzept sind Ihnen wichtig?

Hanken: Wir haben klare Leitbilder, bei denen es um das Miteinander und die Identifikation mit der Schule geht. Durch diese Grundlage ergeben sich viele Möglichkeiten des sozialen Lernens. Es geht um eine Atmosphäre von Geborgenheit und gegenseitigem Vertrauen, bei der die Kinder ihre Persönlichkeit entwickeln können, gerade auch im Freiraum des Ganztags, der nochmal eine andere Qualität hat. Sie können Interessen entwickeln und etwas ausprobieren. Wir haben daher auch einige neue, nicht unterrichtsspezifische Materialien angeschafft, die die Schülerinnen und Schüler nutzen können.

Online-Redaktion: Wie viele Schülerinnen und Schüler nehmen am Ganztag teil?

Hanken: Es wird sehr gut angenommen: 60 der 92 Kinder sind angemeldet. Die Eltern können dabei die drei langen Tage jeweils auch einzeln anwählen, so dass die Zahlen von dienstags bis donnerstags schwanken. Wir haben uns da dem Angebot der bestehenden Ganztagsgrundschule in Kleibrok angepasst, die ebenfalls von dienstags bis donnerstags die langen Tage anbietet. Wir wollten nicht miteinander konkurrieren, wenn die eine Schule vielleicht Tage anbietet, welche die andere nicht hat. Das haben wir im Vorfeld abgesprochen.

Grundschule Leuchtenburg
© Grundschule Leuchtenburg

Wenn wir irgendwann einmal den Montag dazu nehmen sollten, hoffe ich deswegen, dass auch die andere Grundschule den Schritt mitgeht. Das Verhältnis zwischen unseren beiden Schulen ist sehr gut, und die Grundschule Kleibrok war auch sehr unterstützend in unserer Vorbereitungsphase.

Online-Redaktion: Wie viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben Sie?

Hanken: Wir sind insgesamt sechs Lehrkräfte. Ein Kollege und ich arbeiten Vollzeit, die anderen als Teilzeitkräfte. Dazu kommen vier pädagogische Mitarbeiterinnen – eine davon arbeitet vor- und nachmittags – und eine Vertretungslehrkraft. Uns ist es gelungen, dass an jedem Nachmittag eine Lehrkraft im Einsatz ist.

Online-Redaktion: Wie lange dauert der Ganztag?

Hanken: Der Schulbeginn ist um 8.00 Uhr. Der Unterricht dauert bis 12.45 Uhr, und die Schülerinnen und Schüler gehen direkt im Anschluss in das 1996 entstandene Nebengebäude zum Mittagessen. Dort ist ein Raum zur Mensa umgebaut worden, während im ehemaligen Materialraum auch dank der Spende einer ortsansässigen Firma eine schicke, neue Ausgabeküche entstanden ist. Da die Mensa recht klein ist, müssen wir in einer Zeitstunde in zwei Schichten essen. Wir sind im Gespräch mit dem Schulträger und hoffen, bald eine größere Mensa zu bekommen.

Online-Redaktion: Wie sind die Erfahrungen mit dem Essen?

Hanken: Gut. Das Essen wird von einem Bio-Caterer aus Oldenburg angeliefert. Auch da arbeiten wir mit der anderen Ganztagsschule zusammen und hatten letztens ein gemeinsames Gespräch mit dem Anbieter, der offen für Anregungen ist. Da wir möchten, dass möglichst alle Kinder am Essen teilnehmen, haben wir keine Freiwilligkeit kommuniziert. Bei uns ist das Mittagessen sozusagen inklusive. Es gehört zum Ganztag ja auch dazu, das Gemeinschaftsgefühl zu stärken und eine Essenskultur zu entwickeln. Wenn die Schüler mit dem Essen fertig sind, dürfen sie die Mensa verlassen und zum Spielen gehen. Vorher hat es zu viel Unruhe in dem kleinen Raum gegeben, wenn sie warten mussten, bis alle Kinder zu Ende gegessen hatten.

Online-Redaktion: Wie geht der Schultag weiter?

Hanken: Es folgt die Hausaufgabenbetreuung in den Klassenräumen, die 45 Minuten dauert. Wir haben keine zusätzlichen Räume, müssen also die vier Klassenzimmer nutzen. Am Mittwoch, wenn wir über 50 Kinder im Ganztag haben, teilen wir die Gruppe nach Klassen auf. Die Schülerinnen und Schüler werden von Lehrkräften und pädagogischen Mitarbeiterinnen begleitet. Das ist möglich, weil wir derzeit über eine gute Stundenversorgung verfügen.

Anschließend gibt es bis 15.30 Uhr AG-Angebote, mit etwa zehn bis 15 Schülern pro AG. Dienstags gibt es „Ball- und Wettspiele“, „Spiele aller Art“ und „Lachen ist gesund“. In der AG „Lachen ist gesund“ geht es um alle Dinge, die uns glücklich machen. Das kann mal Theaterspielen, Basteln oder Musikhören sein. Sie ist aus einer Projektwoche zum Thema „Gesundheit“ entstanden, bei der es das Angebot „Lachen ist gesund“ gab, das die Kinder sehr genossen haben.

Mittwochs haben wir „Basteln und Werkeln“, die neue Schülerzeitung, „Spielen und Entspannen“ sowie eine Boßel-AG, die vom Boßel-Verein Leuchtenburg durchgeführt wird. Das Ammerland ist ja eine Boßel-Hochburg und es freut uns, dass wir zur Beibehaltung dieser ortstypischen Sportart beitragen können. Donnerstags gibt es nur zwei AGs: die „Stille Stunde“ und „Rücken-Fitness“. Im Januar werden wir Gespräche mit der Musikschule Ammerland über eine Kooperation führen, um das Spektrum in diesem Bereich erweitern zu können.

Online-Redaktion: Gab es auf dem Weg zur Ganztagsschule Hindernisse?

Hanken: Nein, das ist alles reibungslos verlaufen. Die räumliche Situation ist allerdings nach wie vor ein bisschen unbefriedigend. Als einzügige Schule werden wir auch zukünftig von der Schließung bedroht sein, und daher tut sich die Gemeinde schwer mit der Entscheidung, hier in Baumaßnahmen zur räumlichen Erweiterung zu investieren.

Schülerinnen beim Mühlespiel
Brett- und Gesellschaftsspiele unter freiem Himmel © Grundschule Leuchtenburg

Online-Redaktion: Welches Fazit können Sie nach vier Monaten ziehen?

Hanken: Der Ganztagsschulbetrieb ist für alle Beteiligten ein Gewinn. Die Kinder kommen gern in den Ganztag und verbringen hier eine gute und sinnvolle Zeit. Gelegentlich kommt es vor, dass wir mit den Eltern darüber diskutieren, dass sie ihre Kinder nicht wie im Kindergarten zu jedem Zeitpunkt abholen können. Aber es ist insgesamt auch sehr arbeitsintensiv. Ich werde zum Beispiel mit Aufgaben hinsichtlich Budget und Arbeitsverträgen betraut, die meiner Ansicht nach nicht Aufgabe der Schulleitung sein kann.

Mit meiner Ausbildung bin ich in erster Linie pädagogische und didaktische Leiterin der Schule und natürlich mit 18 Stunden Unterrichtsverpflichtung auch Lehrerin und keine Verwaltungsfachkraft. Den Punkt finde ich problematisch. Eine weitere Baustelle, die noch gelöst werden müsste, ist die Ferienbetreuung. Die Eltern benötigen eine Betreuung nicht nur während der Schulzeit.

Online-Redaktion: Frau Hanken, vielen Dank für das Gespräch!

Die Übernahme von Artikeln und Interviews - auch auszugsweise und/oder bei Nennung der Quelle - ist nur nach Zustimmung der Online-Redaktion erlaubt. Wir bitten um folgende Zitierweise: Autor/in: Artikelüberschrift. Datum. In: https://www.ganztagsschulen.org/xxx. Datum des Zugriffs: 00.00.0000