Dietmannsried: Ganztag als Bildungschance : Datum: Autor: Autor/in: Stepahn Lüke

Die Grund- und Mittelschule Dietmannsried im Vorallgäu ist eine Schule in der Gemeinde. Ihre Ganztagskoordinatorinnen Manuela Bischoff und Josephine Kratky wünschen sich, dass noch mehr Eltern den Ganztag „als pädagogische Bildungschance“ sehen.

Dietmannsried im südlichsten Landkreis Deutschlands
Dietmannsried im südlichsten Landkreis Deutschlands © Grund- und Mittelschule Dietmannsried

Es ist deutlich mehr als eine schöne Randnotiz. Dass Ghedalia zum besten Vorleser der Mittelschule gekürt wurde und damit in die nächste Wettbewerbsrunde auf regionaler Ebene des Stadt- beziehungsweise Kreisverbandes einzieht, findet in der von 551 Schülerinnen und Schülern besuchten Grund- und Mittelschule Dietmannsried durchaus Beachtung. Es zählt zu den Werten dieser ruhig gelegenen, hellen und geräumigen Schule, dass man sich wertschätzt, anderen freundlich und aufmerksam begegnet, sich füreinander interessiert.

Die geografische Lage der Gemeinde Dietmannsried hat noch ihren besonderen Reiz: Der schwäbische Landkreis Oberallgäu ist der südlichste Landkreis Deutschlands, der alpines und voralpines Gelände umfasst. Er ist touristisch beliebt und verzeichnet in den letzten Jahren eine wachsende Bevölkerung. Wenn der Himmel in Dietmannsried „Weißes“ auf die Landschaft gezaubert hat, geht es für die Schülerinnen und Schüler ab zum Rodeln auf dem Hang hinter der Schule.

Die Schule als Teil der Gemeinde

Das Kollegium der Grund- und Mittelschule, zu dem sich alle vom Hausmeister über die Lehrkräfte und pädagogischen Fachkräfte bis zu Schulleiter Martin Mederer und Konrektorin Monika Gayr gleichermaßen zählen, lebt den Schülerinnen und Schülern ein harmonisches Miteinander vor. „Die Zusammenarbeit zeichnet uns mit Sicherheit besonders aus“, betont Alexandra Lezuo, die zweite Konrektorin der Schule. Zusammenarbeit funktioniert in dieser kleinen Gemeinde im Vorallgäu mit knapp 8.500 Einwohnerinnen und Einwohnern nicht nur innerhalb der Schule und ihrer Gremien, sondern insgesamt in der Gemeinde. Und die Schule ist ein Teil davon – ein bedeutsamer.

Besuche und Auftritte im Seniorenzentrum AllgäuStift sind ebenso eine Selbstverständlichkeit wie der enge Kontakt zu den lokalen Unternehmen, die die älteren Schülerinnen und Schüler intensiv auf Ausbildung und Beruf vorbereiten. Da lässt sich auch Bürgermeister Werner Endres nicht lange bitten: Steht der bundesweite Vorlesewettbewerb an, greift auch er zum Buch und liest vor. So, wie er sich auch jedes Jahr die Zeit nimmt, Schülerinnen und Schüler durchs Rathaus zu führen, ihnen zwei Stunden lang seine Arbeit und die der Verwaltung zu erläutern und sich den Fragen der jungen Gäste zu stellen.

Flexibler Ganztag in der Grundschule

Team der Mittagsbetreuung
Team der Mittagsbetreuung © Grund- und Mittelschule Dietmannsried

Der enge Draht zur Gemeinde, die gleichzeitig Schulträger der Grund- und Mittelschule ist, macht vieles leichter, etwa wenn es um die Ausstattung der Schule geht, wenn im Sommer die Ferienbetreuung des Amtes für Jugend und Soziales ansteht oder wenn der Schwimmunterricht im örtlichen Freibad, ohne dass ein Euro die Seite wechselt, ermöglicht wird. Alexandra Lezuo weiß: „Es ist wertvoll zu erfahren, wie wichtig der Gemeinde Dietmannsried unsere Schule, aber auch die Bildung insgesamt ist.“

So geschätzt die Schule bei der Gemeinde ist, so akzeptiert ist sie auch von den Eltern. Insbesondere die jüngeren Kinder nutzen die Ganztagsbetreuung in den ersten vier Schuljahren. Die Eltern schätzen die hohe Flexibilität der Grundschule mit Abholzeiten um 13, 14 oder 16 Uhr. Die Anzahl der Ganztage, für die sie ihre Kinder anmelden, können sie frei wählen. Dann folgen nach dem Unterricht das gemeinsame Mittagessen für Kinder, die bis 16 Uhr angemeldet sind, die „Hausaufgaben- und Lernzeit“, betreut durch pädagogische Fachkräfte.

Die Hausaufgaben- und Lernzeit findet in Kleingruppen statt. Das erleichtert die individuelle Begleitung. Ein enger Austausch zwischen Lehrkräften und pädagogischen Fachkräften garantiert den Blick auf die Kinder aus unterschiedlichen Perspektiven. Wertvolle Dienste leistet dabei neben der Evangelischen Schulseelsorge der Mobile Sonderpädagogische Dienst. Er berät auch vor Ort, wenn es um Bildungs- und Erziehungsfragen für Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf geht. „Dass Fachleute für vielfältige Themen zeitweise vor Ort sind, erleichtert uns unsere tägliche Arbeit mit den Schülerinnen und Schülern enorm“, sagt Alexandra Lezuo.

Ganztag als „pädagogische Bildungschance“

Nach der Hausaufgaben- und Lernzeit können die Grundschulkinder viele Angebote im Sport, kreative Betätigungen wie Basteln und „Landart“ – die Herstellung von Kunst aus Naturmaterialien – oder die „Ausflüge“ vom kletteraffinen Holger Allgayer wählen. Es gibt aber ebenso die Möglichkeit des freien Spiels oder einer „stillen Pause“, die von der Schulsozialarbeiterin gemeinsam mit der Schulseelsorgerin angeboten wird.

Preise beim "Känguru der Mathematik“
Preise beim "Känguru der Mathematik“ © Grund- und Mittelschule Dietmannsried

Für Alexandra Lezuo ist „besonders wertvoll“, dass sich die Schülerinnen und Schüler an viele Erwachsene wenden können. „Die Beziehungsarbeit steht nun einmal oben an“, sagt sie. Sie weiß, dass die beiden Förderlehrkräfte, die Schulsozialarbeiterinnen und die pädagogischen Fachkräfte viel für die persönliche Bindung zu den Kindern tun. Nicht wenige Grundschülerinnen und -schüler schätzen den Offenen Ganztag gerade deshalb.

Daher wünscht sich Manuela Bischoff, die zum Leitungsteam der Nachmittagsbetreuung gehört, auch, dass noch mehr Eltern den Ganztag nicht nur als Betreuung, sondern „als pädagogische Bildungschance“ sehen, und bedauert, dass der Zuspruch zum Ganztag im Laufe der Mittelschule eher geringer ausfällt. Die Gründe sieht sie in der zunehmenden Selbstständigkeit der Kinder und Jugendlichen, ihrem Hineinwachsen in die Pubertät und in ihren zunehmenden Hobbies jenseits der Schule.

Moderne Mittelschule

In der Mittelschule, also von Klasse 5 bis 10, ist die Nutzung des Ganztags auch nicht mehr so flexibel. Wer die OGS nutzt, muss, so sieht es der Freistaat Bayern vor, mindestens an zwei Tagen der Woche bis 16 Uhr angemeldet sein, in gebundenen Ganztagsklassen an mindestens vier Tagen. Die Anmeldung für den Ganztag gehört dann zur Schulpflicht und damit zur Anwesenheitspflicht. Nur bei einer kontinuierlichen Teilnahme ist die Qualität des Ganztags zu sichern.

Neben der hier 45-minütigen Hausaufgaben- und Lernzeit stehen verschiedene Angebote zur Verfügung, wie beispielsweise Tanzen, Kick-Boxen oder Bouldern an der schuleigenen Kletterwand in der Turnhalle, die von Lehrern geleitete Schulband, die im vergangenen Jahr auch zum 50. Jubiläum der Schule aufspielte, aber auch AGs wie die Schulsanitäter oder die beliebten „Buslotsen“, die von der Polizei ausgebildet werden.

Der tägliche Unterricht in der Mittelschule ist geprägt von Bewährtem, wie den 45-Minuten-Stunden, und zugleich einer modernen Schule mit neuen Medien. Laptops ergänzen Buch, Heft und Stift, insbesondere für alle, die die Mittlere Reife anstreben. Der Schulverband stellt für die Schülerinnen und Schüler mediale Endgeräte zur Verfügung und für die Grundschule Tablet-Koffersätze.

„Wir schauen nicht weg, wir sprechen Dinge an“

Kooperation mit der Feuerwehr
Kooperation mit der Feuerwehr © Grund- und Mittelschule Dietmannsried

Kommunikation wird in der Grundschule Dietmannsried, die seit 2018 zu den bayerischen Profilschulen „Inklusion“ gehört, ebenso wi in der Mittelschule groß geschrieben. „Beispielsweise informieren wir breit über Formen und Folgen von Beeinträchtigungen“, berichtet die Konrektorin. „Da wundert sich dann keiner und wird neidisch, weil sich ein Kind vielleicht ausruhen darf, während die anderen im Sachunterricht sitzen“, sagt Alexandra Lezuo.

Für sie passt das auch „perfekt zu einer Schule, wie wir es sind“. Gemeint ist, dass die Grund- und Mittelschule seit 2022 die Auszeichnung „Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage“ trägt. „Wir schauen nicht weg, wir sprechen Dinge an“, gilt als Devise. Lezuo: „Wir machen ihnen Mut, Mitschülerinnen und Mitschüler anzusprechen, wenn Verhalten nicht so wie gewünscht ist. Und wir ermuntern sie, uns ebenfalls anzusprechen.“ Auch so gelingt die Förderung von demokratischen Spielregeln und von Demokratieverständnis.

Jährlich wird ein Spendenlauf organisiert. Der Erlös geht zumeist an wohltätige Organisationen, doch in diesem Jahr sollen die Schülerinnen und Schüler selbst davon profitieren, genauer: ein Projekt. Theaterpädagoginnen und -pädagogen des Theaterhauses EUKITEA sollen mit dem Aufführen von Anti-Mobbing-Stücken die gegenseitige Achtsamkeit zusätzlich stärken.

 

„Praxis bildet“

Sich zu stärken und fit zu machen für die Zukunft nach der Schule, darum dreht es sich bei „Praxis bildet“ in der Mittelschule. Mehr als 60.000 Euro lassen sich Gemeinde und Land die intensive Berufsvorbereitung kosten. Diese erstreckt sich über drei Jahre. Zunächst lernen die Heranwachsenden in Praktika unterschiedlichste Berufsbilder kennen. Sie können sich dabei auch handwerklich ausprobieren.

Kooperation mit der MAHA Maschinenbau Haldenwang
Kooperation mit der MAHA Maschinenbau Haldenwang © Grund- und Mittelschule Dietmannsried

Kleine und große Firmen haben sich schon in der Schule vorgestellt, vom alteingesessenen Säuglingsnahrungs- und Naturkosmetikhersteller über das einheimische Autohaus bis zur Sparkasse Dietmannsried. Häufig dienen die so entstehenden Kontakte zu den regionalen Unternehmen als Sprungbrett für einen späteren Ausbildungsplatz. Das zweite Jahr steht im Zeichen wichtiger Bewerbungstrainings. Im dritten Jahr folgt das individuelle Coaching der Schülerinnen und Schüler.

Ein aktuelles Beispiel ist das Projekt „Come with (me)“ mit der MAHA Maschinenbau Haldenwang GmbH & Co. KG, mit der die Schule eine Kooperationsvereinbarung abgeschlossen hat. Unter dem Motto „Interessieren – Informieren – Ausprobieren“ werden Schülerinnen und Schüler durch alle Phasen der Berufsorientierung begleitet und von Auszubildenden in das Berufsfeld der Metall- und Elektroindustrie eingeführt. 2023 konnten Jungen und Mädchen der Klasse 9 beispielsweise an zwei Tagen an einem solarbetriebenen Ventilator arbeiten. Im wahrsten Sinne des Wortes: Praxis bildet!

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