Ganz behutsam in den gebundenen Ganztag : Datum: Autor: Autor/in: Claudia Pittelkow

Die Schule Grumbrechtstraße im Hamburger Süden ist eine gebundene Ganztagsgrundschule im Aufbau, Schwerpunktschule Inklusion und eine von vier Schulen der Stadt, die die sechsjährige Grundschule erproben.

Blick auf den Schulhof der Schule Grumbrechtstraße
Auf dem Schulhof ist viel Platz © Claudia Pittelkow

Gebundene Ganztagsschulen haben häufig mit Vorbehalten zu kämpfen. Während das Kollegium befürchtet, dass sich die Arbeitsbedingungen verschlechtern, beispielsweise durch längere Unterrichtszeiten, haben Eltern häufig Angst, dass der ganztägige Unterricht ihre Kinder überfordern könnte. „Diese Befürchtungen bestehen vor allem bei Eltern von Erst- und Zweitklässlern“, weiß Arndt Paasch zu berichten.

Seit vier Jahren leitet er die Schule Grumbrechtstraße in Heimfeld, eine sechszügige Grundschule im Hamburger Süden. Die Schule ist seit 2014 eine gebundene Ganztagsschule im Aufbau. Das heißt: Alle Erstklässler starten zunächst im offenen Ganztag, erst ab Klasse 3 beginnt der gebundene Ganztag. Paasch: „Die jüngeren Schülerinnen und Schüler werden bei uns ganz behutsam in den Ganztag gebracht. Sozusagen von oben nach unten.“

„... wie gut der gebundene Ganztag klappt“

Im gebundenen Ganztag nehmen normalerweise alle Kinder verbindlich von 8 bis 16 Uhr an Unterricht und Kursen teil, meist an vier Tagen pro Woche. An der Schule Grumbrechtstraße jedoch gestaltet sich der Unterrichts- und Betreuungsumfang für die verschiedenen Klassenstufen unterschiedlich: In der Vorschule sowie in den Klassen 1 und 2 haben die Kinder nur bis 13 Uhr Unterricht, anschließend gibt es ein freiwilliges Betreuungsangebot bis 16 Uhr. Die älteren Jahrgänge haben dagegen an drei Tagen in der Woche verpflichtend einen rhythmisierten Unterricht bis 16 Uhr, an zwei Tagen bis 13 Uhr mit anschließenden kostenfreien offenen Angeboten.

„Auf diese Weise können die jüngeren Schülerinnen und Schüler bei den älteren beobachten, wie gut der gebundene Ganztag klappt“, erklärt Paasch. „Und das sehen dann natürlich auch die kritischen Eltern.“ Das Konzept geht auf, die Vorbehalte der Eltern schwinden. Aktuell sind 88 Prozent der Erstklässler und 91 Prozent der Zweitklässler für die Ganztagsangebote am Nachmittag angemeldet. Geplant ist, die Schule komplett auf die gebundene Form umzustellen. Birgit Schmidt, Ganztagskoordinatorin der Schule, erklärt: „Ab dem Schuljahr 2020/21 planen wir den gebundenen Ganztag für alle, also auch für die Klassen 1 und 2.“ Bis es soweit ist, muss allerdings noch umstrukturiert werden.

Ganztagskoordinatorin Birgit Schmidt vor der Schule
Birgit Schmidt ist die Ganztagskoordinatorin der Schule © Claudia Pittelkow

An der Heimfelder Schule wird jahrgangsübergreifend in kleinen Gruppen unterrichtet. Die Idee dahinter: Schüler mit ähnlichem Leistungsstand finden leichter zueinander, unabhängig vom Alter. Der Vorteil: Jüngere lernen von Älteren, die wiederum ihr Wissen vertiefen, indem sie den jüngeren Schülerinnen und Schülern etwas beibringen. Zurzeit lernen die Klassen 1 und 2 zusammen, nun gibt es Überlegungen, die Vorschulklassen mit den ersten Klassen zusammenzuführen. Schmidt: „Der Schulanfang soll stark gestellt werden, denn hier werden die wichtigen Basiskompetenzen erworben.“

„Stolz wie Oskar!“

Neben dem jahrgangsübergreifenden Unterricht gibt es an der Schule Grumbrechtstraße noch eine weitere Besonderheit: Die Schule ist eine von vier Versuchsschulen in Hamburg, die seit 2011 eine sechsjährige Grundschulzeit erprobt. 2010 wollte die damalige schwarz-grüne Regierung das Modell der sechsjährigen Primarschule hamburgweit einführen, scheiterte jedoch am Widerstand großer Teile der Bevölkerung, die die geplante Schulreform mittels Volksentscheid stoppte. Heute erproben vier Versuchsschulen über einen Zeitraum von zehn Jahren das längere gemeinsame Lernen von der Vorschule bis Klasse 6.

Die am Schulversuch beteiligten Grundschulen Grumbrechtstraße, An der Burgweide, Rellinger Straße und Vizelinstraße sind dabei so unterschiedlich wie ihre Schülerinnen und Schüler, ihre Kollegien und auch ihr soziales Einzugsgebiet. Einigkeit besteht in der Überzeugung, dass Grundschulen in sechs Jahren ihren Schülerinnen und Schülern einen größeren Lernerfolg ermöglichen können als in nur vier Jahren. Arndt Paasch: „Vielen Kindern tut es gut, zwei Jahre länger im stabilen sozialen Gefüge zu verbleiben. Sie verlassen die Klasse 6 mit hohem Selbstvertrauen in ihre schulischen Fähigkeiten.“ An seiner Schule seien die Anmeldezahlen von Klasse 4 auf 5 in den letzten Jahren kontinuierlich gestiegen, von 50 auf aktuell 80 Prozent. Paasch: „Vier Fünftel unserer Viertklässler bleiben bei uns, darauf sind wir stolz wie Oskar!“

Schwerpunktschule Inklusion

Die Schule Grumbrechtstraße ist eine von 56 Schwerpunktschulen Inklusion. Bereits 1987 gab es hier die ersten Integrationsklassen, vier Jahre später die ersten integrativen Regelklassen – übrigens mit einem jungen Lehrer Arndt Paasch in seinen ersten Dienstjahren. Heute haben rund 10 Prozent der Schülerinnen und Schüler einen speziellen Förderbedarf, sie verteilen sich auf die Bereiche körperliche und motorische Entwicklung, geistige Entwicklung, Sehen, Hören oder autistisches Verhalten.

Drei Schülerinnen auf der Hochebene zum Lesen und Entspannen
Auf der Hochebene können die Kinder spielen und ausruhen © Claudia Pittelkow

Das Kollegium ist entsprechend multiprofessionell aufgestellt. Neben 80 Lehrkräften, darunter 20 Sonderpädagoginnen und -pädagogen, arbeiten weitere 20 sozialpädagogische Fachkräfte sowie Erzieherinnen und Erzieher an der Schule. „Inklusion hat bei uns eine lange Tradition“, so der Schulleiter. Die Akzeptanz von Rollstuhlfahrern oder Kindern mit Trisomie 21 sei selbstverständlich. „Schwierigkeiten tauchen eher bei Kindern mit Verhaltensauffälligkeiten auf“, so Paasch. Dafür sei eine gute Beratungsabteilung geschaffen worden.

Wer die Schule Grumbrechtstraße über den Haupteingang betritt, findet sich in einem Gebäudeensemble wieder, dessen einzelne Gebäude locker auf einem 11.000 Quadratmeter großen Platz angeordnet sind. Die Bestandsbauten aus den 1960er Jahren stehen unter Denkmalschutz, der Neubau ist im vorletzten Jahr dazugekommen. Rund 8 Millionen Euro hat die Stadt in das neue Gebäude investiert, in dem Platz ist für acht Klassen- und zwei Differenzierungsräume, eine Turnhalle sowie eine Mensa, die zum Veranstaltungsraum umgebaut werden kann.

„Seit wir den Neubau haben, geht es entspannter und ruhiger bei uns zu“, erklärt Arndt Paasch. Dennoch habe die Schule mit ihren rund 650 Schülern ein großes Raumproblem – trotz Neubaus. „Gerade im Ganztag braucht man die unterschiedlichsten Räume für alle möglichen Kinder“, so Paasch. Denn schließlich verbringen die Schüler in einer Ganztagsschule nicht nur den Unterrichtsvormittag, sondern bis zu acht Stunden täglich – mit Früh- oder Spätbetreuung können es gegebenenfalls auch noch mehr sein. Daher muss die Raumgestaltung weiterreichende Anforderungen erfüllen als nur Tisch, Stühle und Tafel.

Pädagogik aus einem Guss

Paasch: „Das Wichtigste ist, dass die Kinder sich wohlfühlen!“ Dem Platzmangel versucht die Schule Grumbrechtstraße mit trickreicher Architektur entgegenzuwirken. So gibt es beispielsweise zwei Differenzierungsräume mit origineller Funktionsüberlappung: unten Computerraum, oben eine Hochebene zum Lesen und Entspannen. Auch in der Pausenhalle, die nach Fertigstellung der Mensa ihren Charakter als Versammlungsort verlor, wurden Ruhemöglichkeiten geschaffen: In der Mitte wurde eine Art begehbare Rotunde gebaut, die seitdem als Rückzugsort dient und dem großen Raum gleichzeitig das Hallenartige nimmt. Für die Zukunft ist ein weiterer Neubau in Planung.

Blick in den Toberaum der Schule Grumbrechtstraße
© Claudia Pittelkow

Bevor Arndt Paasch an die Schule Grumbrechtstraße wechselte, leitete er eine GBS-Schule – GBS steht für Ganztägige Bildung und Betreuung an Schulen. In GBS-Schulen werden Vor- und Nachmittag meist getrennt voneinander gestaltet, den Nachmittag übernehmen externe Kooperationspartner. „Wir hatten damals hervorragende GBS-Partner, dennoch klappte es nicht mit der Verzahnung von Vor- und Nachmittag“, erinnert sich der Schulleiter. Auch in der Grumbrechtstraße habe man für die jüngeren Kinder zunächst noch mit Kooperationspartnern zusammengearbeitet. Das Ergebnis: Es gab die gleichen Probleme wie an seiner alten GBS-Schule.

Damit stieg im Kollegium die Akzeptanz dafür, alles selbst zu machen. Heute arbeitet die Schule nur noch in den Randzeiten, also in der Früh- und Spätbetreuung, der Ferienbetreuung und in der Vorschule, mit externen Partnern zusammen, mit der Pestalozzi-Stiftung und dem Verein Leben mit Behinderung. „Dadurch können wir uns voll und ganz auf die Zeit von 8 bis 16 Uhr konzentrieren“, erklärt Paasch. „So ist es eine Pädagogik aus einem Guss.“

 

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