„Galileo“-Tag und -Nacht in der Ganztagsschule : Datum: Autor: Autor/in: Ralf Augsburg

„Neugierig sein und forschen“ heißt es in der Gemeinschaftsschule „Galileo“ Winzerla, einer teilgebundenen Ganztagsschule von Klasse 1 bis 10 in der Forschungsstadt Jena.

Außenasicht der Gemeinschaftsschule „Galileo“ Winzerla
© Gemeinschaftsschule „Galileo“ Winzerla

Der Höhepunkt im Jahreskalender der Gemeinschaftsschule „Galileo“ in Jena-Winzerla fällt etwas aus dem Rahmen selbst der Öffnungszeiten einer Ganztagsschule: Im Herbst findet die Galileo-Nacht statt, in diesem Jahr zu dritten Mal. Von 17 bis 19.30 Uhr verwandelte sich das Schulhaus am 25. Oktober in eine große Forscherwerkstatt, in der die Schülerinnen und Schüler experimentierten und bastelten. Unterstützt von den Eltern, die für das leibliche Wohl sorgten und manche Angebote wie den Bastelstand selbst organisierten.

In der Turnhalle wartete ein aufblasbares Planetarium, in dem Sabine Wachtelborn und Rainer Lange von der Carl Zeiss Jena GmbH mit den Schülerinnen und Schülern ein Kaleidoskop konstruierten, während andere eine Murmelbahn bauten, die aus dem zweiten Stock bis runter auf den Schulhof reichte. Die Schülerlabore der Universität Jena engagieren sich über das Programm „Witelo – Wissenschaftlich-technische Lernorte in Jena“ mit naturwissenschaftlichen und MINT-Angeboten. Auf dem Schulhof sorgte die Gruppe „Feuerfünkchen“ aus Erfurt nach Einbruch der Dunkelheit für eine Feuershow.

„Neugierig sein und forschen“

„Die Neugier steht immer an erster Stelle eines Problems, das gelöst werden will“, zitiert die Schule ihren Namensgeber Galileo Galilei. Die Galileo-Nacht ist an der teilgebundenen Ganztagsschule somit zwar etwas Besonderes, aber ganz außergewöhnlich ist sie nicht.

Denn es gibt bereits einmal pro Woche, mittwochs, den Galileo-Tag, auf den Schulleiterin Petra Prauße besonders stolz ist.

Der Galileo-Tag ist „Forschendes Lernen“ in Projekten, an dem schon die Erstklässler probeweise teilnehmen können und der anfänglich die Grundschule umfasste und inzwischen bis Klasse 8 hochgewachsen ist. „Es ist eine Freude, an diesem Tag die Kinder zu sehen“, so Petra Prauße, „wie sie zu unterschiedlichsten Themen, die sich aus dem Lehrplan ergeben, forschen und entdecken.“ „Neugierig sein und forschen“ gehört zum Leitbild der Gemeinschaftsschule, das über eineinhalb Jahre von Eltern, Lehrkräften und Schülerinnen und Schülern entwickelt worden ist.

Petra Prauße
Schulleiterin Petra Prauße © Gemeinschaftsschule „Galileo“ Winzerla

„Die Ausgangsfrage, die wir an alle gestellt haben, war: Wie sieht Schule für dich aus?“, erzählt die Schulleiterin. Jetzt strahle das Leitbild aus, wofür die Schule stehen möchte: „Wir wollen jeden entsprechend seinen Möglichkeiten fördern, jede Schülerin und jeden Schüler mit besten Startmöglichkeiten ins Leben zu entlassen. Die Bildungsgerechtigkeit können wir Schulen besonders unterstützen.“

Wertvolle unterschiedliche Blickwinkel

262 Schülerinnen und Schüler lernen an der Gemeinschaftsschule „Galileo“. Schon 2004 war die einstige Regelschule Jena-Winzerla zur Ganztagsschule geworden, seit 2008 arbeitete sie im teilgebundenen Ganztag. 2013/2014 wurde sie zur Gemeinschaftsschule von Klasse 1 bis 10 nach dem Thüringer Modell. Zur Ganztagsschule gehört die Schulsozialarbeit, die das Jugendamt Jena an allen weiterführenden Schulen fördert. Neben 29 Lehrerinnen und Lehrern arbeiten daher die Sozialpädagoginnen Antje Steinkamp, Katharina Morick-Rieger, Manuela Menzel und der Sozialpädagoge Nicolas Kühnert an der Schule.

Drei von ihnen werden als sogenannte Team Teacher von der Stadt Jena und vom Europäischen Sozialfonds finanziert. Die Team Teacher nehmen immer die Klasse als Ganzes in den Blick. Sie unterstützen aber auch Schülerinnen und Schüler in schwierigen sozialen Situationen. Petra Prauße und ihre Stellvertreterin Dagmar Zipfel schätzen ihren Beitrag besonders: „Das ist eine wertvolle Unterstützung. Die unterschiedlichen Blickwinkel auf die Kinder sind ein Riesengewinn.“

Dazu kommen Kooperationspartner wie der „Freizeitladen Winzerla“ – eine Einrichtung der offenen Kinder- und Jugendarbeit – und das Jugendzentrum Hugo (Motto: „Was machst du so? – Ich geh in’s Hugo!“). Die Schule kooperiert auch mit dem Stadtteilbüro, dem Ortsbürgermeister und dem Allgemeinen Sozialen Dienst im Jugendamt. In Jena wird die lokale Bildungslandschaft gepflegt. Einmal im Monat treffen sich die Kooperationspartner. Der Zusammenarbeit liegt ein Kooperationsvertrag zwischen allen Partnern zugrunde.

Ganztagsangebote mit rhythmisiertem Tag

Für die älteren Schülerinnen und Schüler ist im „Galileo“ montags, dienstags und donnerstags Unterricht bis 15 Uhr. Im eineinhalbstündigen Mittagsband finden – neben dem Mittagessen – der Klassenrat, soziales Kompetenztraining und die Mittagsfreizeit mit wechselnden Angeboten statt.

Rocktober
© Gemeinschaftsschule „Galileo“ Winzerla

Das können Spiele auf dem Hof, Computer-Angebote oder Kochen im gegenüberliegenden „Hugo“ sein. Die Schulsozialarbeit bietet auch Mädchen- beziehungsweise Jungenzeit an.

Dienstags ist für alle Schülerinnen und Schüler verbindlich die Lesezeit angesagt. An den langen Tagen findet nach dem Mittagsband noch eine 90-minütige Unterrichtseinheit statt. Schülerinnen und Schüler, denen es schwerer fällt, sich dann noch zu konzentrieren, können praktische Werkstätten wie Töpfern, Arbeiten mit Holz, Gärtnern und Siebdrucken, die von Profis angeleitet werden, besuchen.

Für die Klassen 1 bis 4 ist gibt es von 6.30 bis 17 Uhr den Schulhort, der in Thüringen schulgesetzlicher Bestandteil der Grundschule ist und nach dem Thüringer Bildungsplan arbeitet.

Geleitet wird er von Koordinatorin Claudia Heerdegen. In der Mittagsfreizeit können „Igel“, „Löwen“, „Krokodile“ und „Füchse“ – so heißen die Hortgruppen – Gruppenarbeit und Lernangebote wahrnehmen und ab 14.30 Uhr im offenen Angebot auf dem Schulhof Hockey spielen oder im Spielzimmer die „Kreativwerkstatt“ besuchen.

Anschließend finden die AGs statt, dienstags zum Beispiel „Theater“ oder donnerstags der „Instrumentalkurs Melodika“. Mittwochs ist für die Grundschülerinnen und -schüler „Galileotag“: Es wird geforscht, gebastelt, entdeckt und experimentiert. Die Ergebnisse werden in einem Forscherheft dokumentiert.

„Wir Lehrer sind nicht das Nonplusultra“

Die heterogenen Klassen sind für Petra Prauße eine „Herausforderung“: „Ich finde es wichtig, dass wir uns qualifizieren, dass wir Techniken des individualisierten Lernens kennen.“ An der Gemeinschaftsschule lernen die Schülerinnen und Schüler entsprechend viel in kooperativen Lernformen mit Freiarbeitsphasen und viel Gruppen- und Partnerarbeit. Hausaufgaben gibt es weiterhin, wenn auch „so wenig wie möglich“.

Gruppenarbeit
© Gemeinschaftsschule „Galileo“ Winzerla

Zweimal pro Schuljahr führen die Klassenleitungsteams – mit Schülerinnen und Schülern und ihren Eltern – Lernentwicklungsgespräche durch. „Jedes Kind hat seine Stärken und kann einem anderen etwas beibringen“, ist Schulleiterin Petra Prauße überzeugt. „Wichtig ist, dass sie angstfrei und auf Augenhöhe lernen. Manche Kinder wissen doch mehr als wir Erwachsenen. Wir sind als Lehrer nicht das Nonplusultra.“

Das gilt auch für die Schulleiterin. Als Petra Prauße, Diplom-Lehrerin für Französisch, Deutsch und Geschichte und Montessori-Pädagogin, 2013 ihre Stelle antrat, hat sie erstmal ein Dreivierteljahr bei ihren Kolleginnen und Kollegen hospitiert und danach eine kollegiale Auswertung vorgenommen. „Für manche war das erstaunlich, dass eine Schulleitung da so nachfragte“, erinnert sie sich. „Am Anfang war ich starker Initiator von Schulentwicklung und Fortbildungen. Heute schaut unsere Steuergruppe, welcher Fortbildungsbedarf besteht.“

DenkBunt: Demokratieerziehung bedeutet Zusammenhalt

Großen Wert legt die Ganztagsschule auf die Demokratieerziehung. Mit den Grundschülerinnen und Grundschülern sowie dem 5. Jahrgang werden kleine Workshops zum Thema „Gewaltfreie Kommunikation“ durchgeführt. Die Fünftklässler gehen am Beginn des Schuljahrs mit dem Freizeitladen Winzerla auf Fahrt, mit Übernachtung und Selbstversorgung und vielen gruppendynamischen Übungen. Die Schulsozialarbeit bietet für die Klassen 5 bis 7 soziale Kompetenztrainings und Teambildungs-Workshops an. Von Klasse 8 bis 10 findet einmal die Woche der Klassenrat statt.

Mit Unterstützung des Ortsteilrats und des lokale Aktionsbeirats des Programms „Demokratie, Weltoffenheit und Toleranz“ fahren etwa 15 Schülerinnen und Schüler der 9. Klasse einmal im Jahr zur Gedenkstätte Auschwitz-Birkenau. Für die Exkursion müssen sie sich schriftlich und in Gesprächen bewerben. Im Wettbewerb „Demokratisch handeln“ gewann die Gemeinschaftsschule vor vier Jahren den 2. Preis für ein Projekt über die tägliche Diskriminierung von Migrantinnen und Migranten im Schülerwettbewerb „Wer bist Du?“ des Innenministeriums.

Das Engagement ist für Petra Prauße wichtig für die Entwicklung der Schule: „Unsere Schulgemeinschaft prägt der Zusammenhalt. Unsere Schülerinnen und Schüler halten zusammen und unser Kollegium ebenfalls, auch bei Widernissen.“

Schülerin am Mikroskop
Galileo-Nacht am „witelo“ © Gemeinschaftsschule „Galileo“ Winzerla

Nach der Galileo-Nacht steht nun bereits der nächste Höhepunkt ins Haus. Der Jenaer Kooperationsverbund Witelo veranstaltet am 18. November wieder den „mach-bar!“-Tag in der Schule. Einen Tag lang können Kinder und Jugendliche aus Jena an „Kursen für Interessierte und Neugierige“ teilnehmen. Es werden Roboter programmiert, Redewendungen entschlüsselt, Mandalas gemalt, Jonglierbälle gebastelt. Es wird Spanisch gelernt und spielerisch Geometrie vermittelt. Neugier ist ein guter Startpunkt.

Kategorien: Service - Kurzmeldungen

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