Frischer Wind im Ganztagsgymnasium : Datum: Autor: Autor/in: Stephan Lüke

Warum in die Ferne schweifen, wenn das Gute liegt so nah? Wie zum Beispiel der Plöner See, den das Gymnasium Schloss Plön für seine Segel- und Ruderangebote nutzen kann. Wassersport ist hier Wahlpflichtfach.

Rudern segeln
© Gymnasium Schloss Plön

Es bleibt noch eine Menge Zeit bis zum Beginn der von allen geschätzten Arbeitsgemeinschaft. Doch lange bevor Julian Bisgwa mit seinem Rad eintrifft, haben sich die Schülerinnen und Schüler am Plöner See eingefunden. Das Gelände ist Eigentum der Vereinigung der Butenplöner e.V. und Heimat des Schüler-Ruder- und Segelvereins des Gymnasiums Schloss Plön. Gleich soll es aufs Wasser gehen.

Julian Bisgwa ist Geografie- und Physiklehrer am Gymnasium Schloss Plön – und für „WaSpoWi“, das Wahlpflichtfach „Wassersport-Wissenschaft“, zuständig, dass die Schülerinnen und Schüler ab Klasse 9 wählen können. Doch auch ohne ihren Segellehrer wissen die Jugendlichen, was zu tun ist. Boote werden von ihrem Halteplatz Richtung Wasser gezogen. Sie werden Stück für Stück klar gemacht für den Start. Die Handgriffe beim Auftakeln sitzen und gehen im wahrsten Sinne Hand in Hand.

Achtung vor anderen

„Alleine kann man bei diesem Sport wenig bis gar nichts ausrichten“, erzählt uns Florian Stolten, Lehrer für Deutsch und Geschichte und Beratungslehrer. Man spürt seine Begeisterung fürs Segeln und Rudern bei jedem Satz, bei jeder Geste. Er selbst ist nicht „nur“ Lehrer, sondern enthusiastischer Wassersportfan und folglich Leiter einer entsprechenden Arbeitsgemeinschaft an diesem Gymnasium mit offenem Ganztag. Er kennt die Vorzüge der Sportarten jenseits des Sportlichen: „Der Teamgedanke, das Miteinander, Fairness, Verlässlichkeit, Disziplin und Rücksicht werden hier automatisch mitgeschult.“ Das kann der Vormittag, wie er es formuliert, „nicht“.

Eine Schülerin schmunzelt: „Versuchen Sie einmal, unsere große Segeljolle alleine zu Wasser zu bringen. Alleine wird das nichts.“ Vielleicht ist das tatsächlich der Kern des Geheimnisses, warum es so viele Schülerinnen und Schüler in die Arbeitsgemeinschaften Segeln und Rudern zieht. Die 15-Jährige erzählt uns: „Man gewinnt plötzlich Achtung vor anderen, denen man manches nicht zugetraut hätte, wenn man sie nur in Mathe und Deutsch erlebt hätte.“

In einer Zeit, in der zunehmende Anonymität beklagt und Konkurrenz das gesellschaftliche Leben vieler stärker beeinflusst als gewünscht, suchen viele Jüngere offensichtlich die Gemeinschaft, die Verlässlichkeit. Die Schülerin verhehlt nicht, dass sie die Stunden, in denen Theorie gebüffelt wird, nicht so sehr „liebt“. Aber sie weiß auch, „ohne Theorie klappt die Praxis nicht“. Also gehört es auch dazu, Fachbegriffe zu lernen. Auf dem Wasser bleibt schließlich keine Zeit, zu fragen, was bitte die Takelage – alles, was in die Höhe ragt, also Mast, Seile etc. – ist, was Groß- und Vorsegel sind und wo man den Spinnaker findet.

„Hier zählt man die Minuten nicht“

Doch in der Theorie, die beispielsweise ansteht, wenn der See zugefroren ist oder aus Vogelschutzgründen nicht befahren werden darf, spitzen die jungen Menschen auch die Ohren, wenn es beispielsweise um Naturschutz und Ökologie geht. „Das ist spannend, weil man ja selbst hautnah damit verbunden ist und mit dem Wasser sozusagen lebt“, sagt die Schülerin.

Frontansicht
© Gymnasium Schloss Plön

Florian Stolten stimmt ihr uneingeschränkt zu. „Hier zählt man die Minuten nicht, die man als Lehrkraft oder Leiter einer Arbeitsgemeinschaft anbietet“, garantiert er. Er lässt seinen Blick über das Areal des Vereins schweifen, sieht die interessierten, die faszinierten Schülerinnen und Schüler, den See und das vom Sonnenlicht angestrahlte Schloss, dessen Räumlichkeiten das Gymnasium auch nutzte, ehe es von der Gemeinde verkauft wurde.

Und er denkt an die Tradition der „Optiwoche mit Übernachten“ während der Sommerferien oder das außergewöhnliche Abenteuer der Sommer-Kutter-Tour. Dann gehen mehr als 30 Schülerinnen und Schüler in großer Eigenverantwortung zwei Wochen auf Fahrt durch die dänische Ostsee. Ein Highlight für alle, die dabei sein können. Eines das erarbeitet sein will, etwa, wenn über Wochen der Kutter für die Reise fit gemacht wird.

Selbstbewusstsein und Selbstwirksamkeit stärken

Sport stellt zwar die Leidenschaft vieler der mehr als 700 Schülerinnen und Schüler dar, aber nicht den einzigen Schwerpunkt der Schule. Orchester und Chöre, von Rock (mit eigener Band) bis Klassik pflastern den Weg von der Unter- bis zur Oberstufe. Im Jahrgang 9 können drei zusätzliche Stunden neben Naturwissenschaften, einer dritten Sprache oder eben Wassersport als Wahlpflichtfach belegt werden. Viele nutzen die Möglichkeit.

Als liebgewonnene und geradezu „ewige“ Tradition findet das jährliche Musical seinen festen Platz im Schuljahreskalender. Beratungslehrer Florian Stolten erinnert sich schmerzhaft an den Moment des ersten Corona-Lockdowns, exakt einen Tag vor der Premiere des damals geplanten Stücks „Mathilda“. „Es gab viele Tränen“, berichtet er. Dass diese flossen, ist angesichts des enormen Aufwandes in der Vorbereitung nur zu verständlich.

Musik- und Theaterfans unter den Schülerinnen und Schülern ab Klasse 9 stecken ihre Energie und Kreativität über Monate in das gemeinsam ausgewählte Stück. Doch nicht nur sie sind beteiligt. Mit von der Partie sind auch die Technik-AG und jene, die das Bühnenbild gestalten, und andere, die sich um die gesamte Organisation, kümmern. Vier Aufführungen finden jährlich in der neuen Aula vor stets ausverkauftem Haus statt. Da müssen alle Rädchen ineinander greifen. Wie gut dies gelingt, bewies vor wenigen Jahren die Aufführung von „Sister Act“. Nicht wenige der Besucherinnen und Besucher strahlten: „Wenn hier so Gutes aufgeführt wird, müssen wir nicht extra eine Vorstellung in Hamburg buchen.“

Musical
© Gymnasium Schloss Plön

Florian Stolten hebt die auch für den Musik- und Theaterbereich gerne „mitgenommenen“ Zusatzeffekte hervor: „Hier finden sich Charaktere zusammen, die sonst möglicherweise keinen Kontakt zueinander gefunden hätten. Das Selbstbewusstsein, die Selbstwirksamkeit des Einzelnen und die Gemeinschaft insgesamt werden ungemein gestärkt.“

Modernes Lehren und Lernen

Die Fachlichkeit des Gymnasiums steht außer Frage. Und Schülerinnen und Schüler dürfen von der über 300 Jahre alten Institution mit nunmehr exakt 20-jähriger Erfahrung mit dem offenen Ganztag noch einen Mehrwert erwarten. Da ist allein die hohe Motivation des Kollegiums, Besonderes anzubieten und zu leisten. Beispielsweise, wenn es Geschichts- und Deutschlehrerin Birte Belker immer wieder gelingt, Interesse für geschichtliche Zusammenhänge zu wecken. Die Auszeichnung als Preisträger-Schule im Geschichtswettbewerb des Bundespräsidenten oder die öffentliche Wertschätzung der Anne-Frank-Ausstellung dürfen als lebendige Beispiele und Belege dienen.

Ein ausgefeiltes Medien- und Präventionskonzept trägt seine Früchte, ebenso die Bereitschaft, sich außergewöhnlichen Situationen zu stellen. Während der Corona-Schulschließungen gelang es dem Gymnasium, seine Schülerinnen und Schüler „aufzufangen“. Ein vom Orientierungsstufenleiter Michael Nentwig konzipiertes Quiz trug etwa dazu bei, die Verbindung zur Schule nicht abreißen zu lassen. Das Schulleitungsteam und die Lehrkräfte konnten durch viel Engagement das digitale Lernen und den Unterricht in Präsenz auf neue, moderne Füße stellen.

Beinahe folgerichtig nominierte das Institut für Qualitätsentwicklung an Schulen des Landes Schleswig-Holstein das Gymnasium für seine Arbeit als Schule des Jahres 2022 im Bereich „Lernen aus der Pandemie“. Das Kollegium zeigte sich kreativ und dazu bereit, Bewährtes auf den Prüfstand zu stellen und Neues zu wagen. So werden Hausaufgaben hier als Möglichkeit verstanden, an eigenen Stärken und Schwächen zu feilen. Entsprechend bietet Astrid von Bassi, eine Mutter, für Fünft- und Sechstklässler täglich im Rahmen des Ganztags eine 90-minütige Hausaufgabenbetreuung an.

Wir sprechen hier miteinander“

Florian Stolten weist daraufhin, dass es sich hierbei keinesfalls um Nachhilfe handelt, sondern um die Gelegenheit, ungestört und konzentriert zu arbeiten. Die Betreuerin erlebt die Kinder und deren Umgang mit dem Lernen anders als die Lehrkräfte im Unterricht. „Diese andere Wahrnehmung ist für uns extrem wertvoll“, sagt Stolten, dessen Wunsch es ist, die Ganztagsangebote weiter auszubauen. Die AG Lego-Mindstorm ist bereits hinzugekommen. Fußball wird folgen.

Segeln
© Gymnasium Schloss Plön

„Aber wir möchten uns noch stärker im Ort und der Region öffnen“, kündigt er an. Wie das geschehen kann, darüber läuft derzeit der interne Austausch. Wie überhaupt die Kommunikation einen großen Stellenwert einnimmt. „Ein besonderes Plus unser Schule ist, dass wir miteinander sprechen“, versichert Schulleiterin Anne Paulsen schmunzelnd.

Dafür nimmt man sich Zeit. Beispielsweise in den zwei Stunden, die Florian Stolten fest pro Woche im Terminkalender für Einzelgespräche mit Schülerinnen und Schüler reserviert hat. Als Beratungslehrer nimmt er sich nicht nur der Fragen zu Schule und Unterricht an. Zu ihm kommen auch Schülerinnen und Schüler mit privaten Themen. Auch wenn er da nicht immer helfen kann, meint er: „Besser ich als keiner“. Hand in Hand arbeitet er dabei mit Schulsozialarbeiterin Lara Hoops und ab dem kommenden Schuljahr auch mit Kunst und Englischlehrerin Sarah Dost. Frei nach der Devise: „Wir sind eine Gemeinschaft. Wir können über alles sprechen.“

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