Feldbergschule Mainz: Kreativ lernen im Ganztag : Datum: Autor: Autor/in: Ralf Augsburg

Wenn Kinder sich schon am Vormittag für den Nachmittag verabreden, ist der Ganztag kein „Anhängsel“. Die Feldbergschule freut sich über die Impulse des Ganztags für die Schulentwicklung.

Außenansicht des Schulgebäudes
© Grundschule Feldbergschule

In diesem Schuljahr 2017/2018 ging es los: Die Feldbergschule startete als neunte von insgesamt 23 Grundschulen in der rheinland-pfälzischen Landeshauptstadt als Ganztagsschule in Angebotsform. Wäre es nach Gaby Plöger – seit 1978 Lehrerin an der Schule in der Mainzer Neustadt und seit 2000 deren Schulleiterin – gegangen, hätte die Grundschule am besten schon 2001 ein Ganztagsangebot, als sie Schwerpunktschule für Inklusion wurde.

Doch die Räumlichkeiten des 1900 errichteten Schulgebäudes, in dem die Feldbergschule sich seit 1968 befindet, ließen es damals noch nicht zu. Dann gab es Veränderungen in der Schullandschaft der Mainzer Neustadt: Die Sophie-Scholl-Berufsschule zog aus dem Gebäude aus, sodass Räume für die Grundschule frei wurden. Nun konnte ein den Erfordernissen einer Ganztagsschule angemessenes räumliches Angebot geschaffen werden. 2008/2009 gab es Umbaumaßnahmen.

Bis zum Start der Ganztagsschule war die Feldbergschule bereits „betreuende Grundschule‟. Dieses Angebot des Fördervereins konnten jedoch nur maximal 60 Schülerinnen und Schüler nutzen. Zudem war es kostenpflichtig. Wie hoch die Nachfrage nach der Ganztagsschule wirklich ist, zeigen die aktuellen Zahlen: 140 der insgesamt 270 Schülerinnen und Schülern nutzen das Angebot.

Kreativ lernen – über den Unterricht hinaus

Thomas Feiten ist stellvertretender Schulleiter der Feldbergschule und Ganztagskoordinator. Für ihn wäre „der Betreuungsgedanke allein kein ausreichender Grund, Ganztagsschule zu werden. Da können wir teilweise nicht mit den Horten mithalten, die den Eltern flexiblere Zeiten ermöglichen, und, das muss man ehrlich sagen, zum Teil auch über eine bessere Ausstattung verfügen.‟ Ganztagsschule ist für ihn mehr als Betreuung, wobei „den ganzen Tag Schule‟ nicht mit „den ganzen Tag Unterricht‟ zu verwechseln sei. „Wir wollen als Schule schauen, wie wir über den Unterricht hinaus kreativ mit den Schülerinnen und Schülern lernen können.‟

Lehrerinnen und Lehrer im Gespräch
© Britta Hüning

Um dazu den passenden Rahmen zu finden, sah sich das Kollegium vor dem Start an anderen Ganztagsschulen um. Es wurden mehrere Studientage zur Konzeptfindung veranstaltet und drei Schulleiterinnen und Schulleiter eingeladen, um sich von den Vor- und Nachteilen derer jeweiligen Organisationsform ein Bild zu machen. Aus allen Ideen entwickelte die Feldbergschule ihr eigenes „teiloffenes System‟, das laut dem stellvertretenden Schulleiter „sehr positiv aufgenommen worden ist‟.

„Wir haben einen Mittelweg gefunden zwischen einem sehr offenen System, in dem die Kinder viel selbst bestimmen können, was sie wann machen, wie es beispielsweise die Ludwig-Schwamb-Schule hat, und einem durchgetakteten Nachmittag, an dem für die Schülerinnen und Schüler schon alles vorherbestimmt ist‟, berichtet Thomas Feiten. Montags bis donnerstags dauert der Schultag nun jeweils von 7.30 bis 15.45 Uhr. Nach dem Mittagessen, das wegen der noch fehlenden Mensa derzeit in der Kantine der benachbarten Stadtwerke eingenommen werden muss, folgen eine Bewegungspause und anschließend die einstündige Lernzeit.

Schon vormittags verabreden sich Kinder für den Nachmittag

Die Lernzeit findet jeweils in Jahrgangsgruppen in den Klassenräumen statt, wo sich die entsprechenden Lernmaterialien befinden. „Die Lernzeit geht über klassische Hausaufgabenbetreuung oder gar nur Beaufsichtigung hinaus‟, betont Thomas Feiten. „Hier arbeitet pädagogisch geschultes Personal. Ein Team aus Lehrkräften, Sozialpädagogen und Erzieherinnen arbeitet inhaltlich mit den Schülerinnen und Schülern, setzt Schwerpunkte und übt.‟

Nach der Lernzeit folgen an einem Tag in der Woche die Arbeitsgemeinschaften. Die Schule arbeitet mit verschiedenen Kooperationspartnern zusammen: Der Naturschutzbund bietet eine Naturforscher-AG, der Internationale Bund eine Gesundheitsexperten-AG und eine Rap-AG, die Schulsozialarbeiterin die AG „Coole Jungs, coole Mädchen‟. Eine promovierte Biologin von Science Lab, einer Bildungseinrichtung, die naturwissenschaftliches Forschen und Entdecken unterstützt, bietet eine Forscher-AG an, in der Fragen wie „Warum schwimmen Eisberge auf dem Wasser?“ untersucht werden.

Schüler beim Sportunterricht
© Britta Hüning

Die Schule selbst organisiert unter anderem die Schülerzeitungs-AG, in der die Kinder „Feldis Schülerzeitung‟ publizieren, die Schulchor-AG, die Flöten-AG sowie die Sport-AGs Handball und Basketball. Für die Teilnahme an einer AG müssen sich die Schülerinnen und Schüler für ein Halbjahr entscheiden. „Wenn es nach den Schülerinnen und Schülern ginge, könnten wir noch mehr Sportangebote machen, aber wir haben derzeit leider keine eigene Turnhalle. Die neue wird gerade gebaut‟, erzählt Thomas Feiten.

So gut die Arbeitsgemeinschaften bei den Kindern ankommen, die offenen Lernräume schlagen alles aus dem Feld. Hier kommt das „teiloffene System‟ ins Spiel: Die Schülerinnen und Schüler entscheiden sich an drei Tagen spontan, ob sie nach der Lernzeit auf den Hof gehen, um Bewegungsangebote wahrzunehmen, ob sie in den „Drinnenspiele-Raum‟ gehen, in den Leseclub, wo sie lesen, vorlesen, üben oder ein Hörbuch hören können, oder in den Kreativraum zum Basteln und Malen. Hier werden sie jeweils von pädagogischen Fachkräften und einem FSJler erwartet.

„Die Kinder genießen das sichtlich, das sie einmal am Tag ganz frei bestimmen können, was sie machen wollen. Man hört dann manchmal schon während des Vormittags, wie sie sich verabreden. Und wenn ein Schüler dreimal die Woche nach draußen will, dann wird er in der Regel schon wissen, dass ihm das guttut‟, erzählt Thomas Feiten.

Lernzeit fördert Nachdenken über Unterricht

Lehrerin mit Schülerinnen und Schülern im Klassenraum
© Britta Hüning

Die Zufriedenheit mit den ersten Monaten Ganztagsschule hat die Schulleitung auch schriftlich. Die Steuergruppe, die bis zum Start im Sommer 2017 den Entwicklungsprozess organisiert hat, besteht weiter. Sie führt nun in Abständen Befragungen durch. Die ersten Ergebnisse sind sehr ermutigend. „Wir haben festgestellt, dass die Hausaufgaben effektiver gemacht werden und dass Schülerinnen und Schüler mit geringen Deutschkenntnissen viel mehr veranlasst sind, die Sprache zu sprechen, und zwar ohne Druck, sondern wie nebenbei in Lerngelegenheiten, die Freizeitcharakter haben‟, freut sich Thomas Feiten.

Umgekehrt sei es auch für die Lehrkräfte und die pädagogischen Fachkräfte aufschlussreich, die Kinder in einem anderen Kontext zu erleben und ein runderes Bild zu erhalten. Von aktuell 21 Lehrerinnen und Lehrern sind zwölf, von den sechs pädagogischen Fachkräften fünf im Ganztag am Nachmittag dabei. Besonders spannend findet der Ganztagskoordinator die Tatsache, dass der Ganztag auf die ganze Schule ausstrahlt:

„Dies steht der oft geäußerten Behauptung entgegen, dass der offene Ganztag nur ein Anhängsel ist. Die Lernzeit am Nachmittag hat uns zum Beispiel ins Nachdenken über den Unterricht, über unseren Vormittag gebracht. Wir reden jetzt neu darüber, was wir von Hausaufgaben erwarten, was sie über den Lernstand aussagen. Wir diskutieren sehr intensiv, welches Lernen nach dem Unterricht stattfinden soll. Die Ganztagsschule befeuert unsere Schulentwicklung.‟

Kein Standesdünkel der Professionen

Schülerinnen und Schüler auf dem Schulhof
© Britta Hüning

Dieses gemeinsame Nachdenken wird durch das zusammengewachsene Kollegium erleichtert. „Bei uns gibt es keinen Standesdünkel‟, findet Thomas Feiten. „Die Kolleginnen und Kollegen arbeiten beeindruckend zusammen. Und die verschiedenen Professionen befruchten sich gegenseitig.‟ Dank der langen Arbeit als Schwerpunktschule seien differenzierte Lern- und Förderangebote Alltag für die Pädagoginnen und Pädagogen. Mit dem Ganztagsschulbudget, das sich nach der Schülerzahl berechnet, konnten zusätzliche pädagogische Fachkräfte eingestellt werden.

„Wir sammeln jetzt weitere Erfahrungen, wie viel Anleitung die Schülerinnen und Schüler im Lernprozess brauchen‟, berichtet der stellvertretende Schulleiter. Für die Kinder wünscht er sich einen Snoezel-Raum, einfach mal ein Zimmer zum Abschalten und Ausruhen, denn acht Zeitstunden sind gerade für die Erstklässler ein langer Tag. Generell hält Thomas Feiten ein erweitertes Raum- und Personalangebot für „mehr als wünschenswert" für eine qualitative Arbeit als Ganztagsschule. „Eine Herausforderung für uns, von der ich nicht weiß, ob die Politik darauf eine Antwort finden kann, ist der Wunsch von Eltern nach größerer Flexibilität in der Teilnahme ihrer Kinder am Ganztag. Von uns wird zu Recht Verlässlichkeit erwartet, also brauchen wir Planbarkeit. Das ist ein Spannungsfeld.‟

Kategorien: Service - Kurzmeldungen

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