Eine gebundene Ganztagsgrundschule in Hamburg : Datum: Autor: Autor/in: Ralf Augsburg

"Warum wird beim Fußball so laut geschrien?“ „Wo leben in Hamburg noch wilde Tiere?“ Solche Fragen stellen die „Radiofüchse“.

Die Hamburger Grundschule Thadenstraße kooperiert mit dem Haus der Familie, einer Einrichtung der Kinder- und Jugendhilfe im Stadtteil Altona. Im Rahmen dieser Kooperation wurde der gebundene Ganztag ausgestaltet. Das führte schließlich zur räumlichen, personellen und konzeptionellen Verschränkung beider Einrichtungen.

Das 1876 gebaute Gebäude in Hamburg-Altona ist altehrwürdig, aber die Schule, die hier untergebracht ist, arbeitet hochmodern. Bereits 2003 beantragte die Grundschule Thadenstraße die Umwandlung in eine Ganztagsschule. Zu diesem Zeitpunkt waren die Schwerpunkte „Computer im Unterricht“ und „Bewegung in der Schule“ bereits drei Jahre lang im Schulprogramm verankert.

Mit Beginn des Schuljahres 2010/11 wurde die bis dahin verlässliche Grundschule mit einer Betreuung bis 13 Uhr auf Initiative der Schulleitung, der Lehrkräfte und der Eltern zur voll gebundenen Ganztagschule. Sie bietet seitdem über den Unterricht von 8 bis 16 Uhr hinaus eine kostenpflichtige Frühbetreuung von 7 bis 8 Uhr, eine Spätbetreuung von 16 bis 18 Uhr und eine Ferienbetreuung an. Die Grundschule an der Thadenstraße gehörte damals zu sieben Pilotstandorten in Hamburg, an denen eine ganztägige Bildung und Betreuung eingeführt wurde.

Enge Verbindung mit der Kinder- und Jugendhilfe

„Der Bedarf war von Anfang an da“, erinnert sich Schulleiter Thomas Niklas, der seit 2005 der Grundschule vorsteht. Die Anmeldezahlen stiegen mit der Einführung der gebundenen Ganztagsschule um 40 Prozent, sodass die bis dahin dreizügige Grundschule fünfzügig wurde. Der gebundene Ganztag wurde in den folgenden Jahren in enger Kooperation mit dem Haus der Familie entwickelt. Derzeit besuchen 380 Schülerinnen und Schüler die Grundschule. 40 Lehrerinnen und Lehrer, zehn Erzieherinnen und Erzieher sowie 30 Honorarkräfte, das Küchenpersonal und Kooperationspartner arbeiten dort. Nicht neben-, sondern miteinander.

Das Haus der Familie bringt sich in den Ganztag von 12 bis 16 Uhr ein“, schildert Rüdiger Kuehn, der Leiter der Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung, die in unmittelbarer Nachbarschaft zur Schule liegt, die Zusammenarbeit. „Lehrerinnen und Lehrer der Schule geben Kurse in unserem Haus, und unsere Sozialpädagoginnen und -pädagogen arbeiten in den Inklusionsklassen der Schule mit. Die Schülerinnen und Schüler der 2. bis 4. Klassen können Kurse im Haus der Familie wählen und werden dorthin sicher begleitet.“ Das Haus der Familie beaufsichtigt daneben das Essen und die Mittagsfreizeit, die Spät- und die Ferienbetreuung, an der zuletzt rund 120 Schülerinnen und Schüler teilnahmen. Bei der Mittagsfreizeit, der Beaufsichtigung des Mittagessens, der Mittagsfreizeit und den Kursen helfen auch Honorarkräfte.

Franziska Sy, die Leiterin des Ganztagsbereichs, ergänzt: „Insbesondere in den multiprofessionellen Jahrgangsteams findet die Kooperation statt.“ Bei Entscheidungen sind die Schulleitung und alle Ebenen eingebunden, in einem monatlichen Jour fixe tauschen sich Rüdiger Kuehn und Thomas Niklas aus. Einmal pro Monat findet ein Runder Tisch der Erzieherinnen und Erzieher statt. Letztere nehmen auch freitags am Klassenrat teil.

„Wir müssen für die Kolleginnen und Kollegen attraktive Arbeitsplätze schaffen“, nennt Franziska Sy eine Herausforderung, die eine voll gebundene Ganztagsschule mit sich bringt. Und auch für Termine müssen Zeiten organisiert werden: Lehrerkonferenzen finden grundsätzlich erst nach 16 Uhr statt. Für die pädagogische Jahreskonferenz „schließen wir den Betrieb für einen Tag“ – wobei das Haus der Familie die Betreuung der Kinder gewährleistet, wenn die Eltern dies wünschen.

Rhythmisierung, Lernzeit, Freizeitangebote

Ein anderer Umgang mit Zeit wird auch durch die Rhythmisierung des Schultags deutlich. Dabei unterscheiden sich die Zeittaktungen der 1. und 2 Jahrgangsstufen von denen der 3. und 4. Klassen. Der Tag für die jüngeren Schülerinnen und Schüler beginnt um 8 Uhr mit einer offenen Eingangsphase. Es folgt ein erster 90-minütiger Unterrichtsblock von 8.30 bis 10 Uhr. Nach einer halbstündigen Hofpause findet der zweite, 90 Minuten lange Unterrichtsblock bis 12 Uhr statt.

Dann wird in zwei Schichten bis 13 Uhr im Klassenverband Mittag gegessen. Von 13 bis 14 Uhr nehmen die Kinder an verbindlichen Freizeitangeboten teil. Freitags findet in dieser Zeit der Klassenrat statt. "Die Kinder wählen aus, welches Freizeitangebot sie wahrnehmen wollen", so Franziska Sy. So können sie zum Beispiel in den Bewegungsraum, den Leseraum, die Holzwerkstatt, die Kunstwerkstatt, in die Turnhalle oder auf den Sportplatz. Dort erwarten sie die Honorarkräfte. Die Schülerinnen und Schüler entscheiden auch selbst, wie sie hier ihre Zeit gestalten.

Von 14 bis 15.30 Uhr nehmen die Kinder über die Woche verteilt an verschiedenen Angeboten teil: Es gibt einen 3. Unterrichtsblock, Kurse für die Zweitklässler, das Musik-Angebot „Jedem Kind ein Instrument“ für die Zweitklässler, während die Erstklässler einmal in der Woche auf den Abenteuerspielplatz am Brunnenhof gehen. Der Tag wird mit einer halben Stunde Bewegungszeit beschlossen. Freitags schließt die Bewegungs- und Spielzeit direkt an den Klassenrat nach 14 Uhr an. „Wir beziehen auch den Sozialraum bei der Gestaltung der Ganztagsschule ein“, erläutert Franziska Sy.

Für die Dritt- und Viertklässler gestaltet sich der Tagesaufbau bis 12 Uhr gleich. Das Mittagessen in zwei Schichten beginnt hier allerdings eine Stunde später. Von 12 bis 13 Uhr gibt es noch weiteren Unterricht beziehungsweise eine Lernzeit plus Hofpause, freitags den Klassenrat. Montags bis donnerstags finden im Wechsel Unterricht, Kurse oder „Jedem Kind ein Instrument“ statt. Wie bei den Erst- und Zweitklässlern endet der Tag mit der Bewegungszeit. Freitags dauert die Bewegungs- und Spielzeit von 14 bis 16 Uhr. Laut Ganztagsleiterin Sy funktioniert diese Rhythmisierung „sehr gut“.

Die rund 40 Kurse (PDF, , nicht barrierefrei), aus denen die Schülerinnen und Schüler am Nachmittag wählen können, bieten unter anderem Drucken, Radio machen bei den „Radiofüchsen“, Zirkus, Theater, Philosophieren, Schülerzeitung, Bauen und Werken, Nähen, Weben, Klettern, Ringen und Raufen, Englisch oder Spanisch an.

„Bewegte Schule“ und „Kulturschule“

Die Grundschule an der Thadenstraße ist als „Bewegte Schule“ zertifiziert: Bewegung ist ein fester Bestandteil im Schulalltag. Das Schulgelände mit seinen Spielgeräten, Plätzen und Fahrzeugen bietet dafür viele Möglichkeiten. Im Kurssystem und bei der Freizeitgestaltung während der Mittagszeit gibt es verschiedene sportliche und bewegungsintensive Angebote. Jedes Jahr findet die Sportwoche für alle Klassen statt. Die Vorschulklasse sowie die 1. und 2. Klassen gestalten ein Spielefest mit vielen Bewegungsstationen. Die 3. und 4. Klassen springen, laufen, werfen und veranstalten ein Fußball- und ein Völkerballturnier. Am letzten Tag der Woche macht die ganze Schule beim Spendenlauf mit.

Seit dem Schuljahr 2011/12 nimmt die Ganztagsschule auch an dem Projekt „Kulturschule Hamburg 2011-2014“ teil, das in Kooperation der Gabriele Fink Stiftung, der Kulturbehörde und der Behörde für Schule und Berufsbildung organisiert ist. In dem Projekt werden acht Hamburger Schulen dabei unterstützt, kulturelle Bildung als Schulentwicklungsprogramm zu konzipieren, zu planen und umzusetzen.

Kulturelle Aktivitäten prägen den Schulalltag und stärken das Zusammenwachsen der Schulgemeinschaft. Die künstlerischen Arbeiten oder einstudierten Musik- oder Theaterstücke werden regelmäßig der Schulgemeinschaft vorgeführt. Die Grundschule an der Thadenstraße nimmt an der Initiative „Jedem Kind ein Instrument“ teil und arbeitet im Rahmen von „TuSch – Theater und Schule“ mit dem Schauspielhaus zusammen.

Bildung für alle

"Während an einer offenen Ganztagsschule die sogenannten bildungsnahen Eltern ihre Kinder meist um 13 Uhr abholen, bekommen bei uns alle die gleiche Bildung", führt Rektor Niklas an. "Die Bildungschancen der Kinder aus sozial schwächeren Familien werden so verbessert, alle Schülerinnen und Schüler, auch die leistungsstarken, werden gefördert."

Durch die ungebrochene Nachfrage der Eltern stieg die Raumnot an der Grundschule Thadenstraße. Nach zweijährigem Ringen zwischen der Behörde für Schule und Berufsbildung und der Bezirksversammlung Hamburg-Altona stellte das Bezirksamt 2013 rund 980.000 Euro aus dem Rahmenprogramm Integrierte Stadtteilentwicklung zur Verfügung, um mit einem Neubau den Standort zu einem „Bildungshaus“ weiterzuentwickeln.

Zusätzlich zum Neubau für die Schule entstehen Räumlichkeiten für das Bildungshaus, sodass ein sozialraumorientiertes Quartiersbildungszentrum entsteht. Außerschulische Partner der Schule wie eben das Haus der Familie, der Altonaer Turn- und Sportverein, die Volkshochschule, die Seniorenbildung e.V. und der Zirkus Rotznasen können hier einziehen. Nutzflächen wie Multifunktionsfläche, Aufwärm- und Ausgabeküche und Koordinierungsbereiche sollen entstehen, dazu ein ebenerdiges Elterncafé mit Teeküche und eine Außenterrasse.

 

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