Ein Name als Programm: Rosa-Parks-Schule Herten : Datum: Autor: Autor/in: Ralf Augsburg

„Mut, Inspiration, Träume, Freiheit = Frieden“ lautet das Leitmotiv der Rosa-Parks-Schule im westfälischen Herten. Es steht für soziales Engagement und individuelle Förderung, für Teamgeist und Schulqualität in der gebundenen Ganztagsschule.

Rosa-Parks-Schule
© Rosa-Parks-Schule

„Unser Name ist nicht nur ein Name, sondern auch Programm.“ Thomas Aehlig, Schulleiter der Rosa-Parks-Schule im westfälischen Herten, steht einer von drei Schulen in Deutschland vor, die den Namen der US-amerikanischen Bürgerrechtlerin tragen. „Mit Rosa Parks können sich die Schülerinnen und Schüler unglaublich gut identifizieren. Übrigens gerade auch die Jugendlichen mit Fluchthintergrund.“ Die Geste des Widerstands gegen die Rassendiskriminierung, als sich am 1. Dezember 1955 die damals 42-jährige Sekretärin in Montgomery im Bundesstaat Alabama weigerte, im Bus die für weiße Fahrgäste reservierte Reihe zu räumen, ist für die Schülerinnen und Schüler in ihrer Implikation sehr gut nachvollziehbar: „Mit kleinen Entscheidungen kann ich viel bewirken“, meint der Schulleiter.

Große Wirkung hat die Namensänderung auch für die gebundene Ganztagsschule entfaltet, nach innen wie nach außen. Sie fiel in das Jahr 2008, das der Schulleiter nachträglich als „Zäsur“ für die Schulentwicklung bezeichnet, da in jenem Jahr auch andere wegweisende Veränderungen vorgenommen wurden. „Wir hatten nicht mehr die Akzeptanz in Herten und mussten etwas tun“, erinnert sich Thomas Aehlig. Ein Namenswechsel weg vom recht langweiligen „Gesamtschule Herten“ sollte Aufbruch und Neuanfang, aber auch einen neuen Anspruch symbolisieren.

Mut, Inspiration und Träume

Eine Schülergruppe ging damals „mit großer Aufopferung daran, sich für den Namen Rosa Parks einzusetzen, den die ganze Schulgemeinschaft aus Schülern, Lehrern und Eltern in einem Abstimmungsprozess aus etwa fünf Namen mit deutlicher Mehrheit gewählt hatten“, erzählt der Schulleiter. Es sei noch „ordentlich Arbeit“ gewesen, Stadt und Rat von dem neuen Namen zu überzeugen. Die Schülergruppe besuchte die einzelnen Ratsfraktionen – und ohne Gegenstimme votierte der Rat daraufhin für den Namen Rosa-Parks-Schule. Im Mai 2008 war es dann so weit.

Schülerinnen im Kunstunterricht der Rosa-Parks-Schule
ARTBreak mit Künstlerin Sabine Riedel-Dieckmann © Rosa-Parks-Schule

Heute sind der Name und das dazu gehörende Logo im Schulalltag allgegenwärtig.Thomas Aehlig wacht mit Argusaugen darüber, dass sämtliche Schriftwechsel das Logo tragen. Im Rosa-Parks-Shop können unter anderem T-Shirts mit dem Logo erworben werden, auf deren Rückseite die Worte „Mut, Inspiration, Träume, Freiheit = Frieden“ gedruckt sind. Den Satz der Bürgerrechtlerin „Ohne Mut und Inspiration werden Träume sterben, die Träume von Freiheit und Frieden“ hat die Ganztagsschule als ihr Leitmotiv gewählt.

An jedem 4. Februar verleiht die Schule zum Geburtstag der Namensgeberin den Rosa Parks Award für besonderes soziales Engagement von Schülerinnen und Schülern. 2016 konnte beispielsweise die 13 Jahre alte Illayda Akman den Preis aus den Händen des US-Generalkonsuls Michael R. Keller entgegennehmen. „Weil sie durch ihre offene, freundliche und zuvorkommende Art eine echte Bereicherung für ihre Lerngruppen und unsere Schule insgesamt ist und immer darauf achtet, dass sich alle Kinder in der Klasse und den Gruppen, in denen sie tätig ist, wohl und angenommen fühlen“, hieß es in der Laudatio.

„... eine der besten Ideen, die wir jemals hatten“

Die Wertschätzung ist auch zu spüren, wenn Thomas Aehlig über seine 95 Kolleginnen und Kollegen spricht: „Was sie auszeichnet, ist ihre Begeisterungsfähigkeit. Sie weichen keinem Problem aus und scheuen keine Anstrengung, um für die Schülerinnen und Schüler etwas zu tun.“

Der rote Faden ist das Team. Im besagten Jahr 2008 führte die Schule das Teammodell ein. Seitdem arbeiten die Lehrkräfte eines Jahrgangs zusammen, entwickeln und nutzen gemeinsam Lehrmaterialien, die dann jeweils an den nachfolgenden Jahrgang übergeben werden. „Die Kolleginnen und Kollegen können auf einem Server auf die Materialien zurückgreifen“, berichtet die didaktische Leiterin Stephanie Brzoza. „Wenn ich in einer Klasse vertreten muss, kann ich ad hoc einsteigen. Wir erteilen praktisch den gleichen Unterricht, die Schülerinnen und Schüler schreiben vergleichbare Arbeiten. Die Entlastung sieht jeder.“

Räumlich sinnfällig wird die enge Kooperation in den Teamlehrerzimmern, die in jedem Jahrgangstrakt in ehemaligen Klassenräumen eingerichtet worden sind. Die ehemaligen, nun zu klein gewordenen Teamräume können jetzt zur Differenzierung für die Arbeit in Schülerkleingruppen genutzt werden. „Das ist wie eine kleine Schule in der großen“, beschreibt Stephanie Brzoza.

Gerald Asamoah beim Rosa-Parks-Tag
Rosa-Parks-Tag mit dem Schüler-Paten und Ex-Nationalspieler Gerald Asamoah © Rosa-Parks-Schule

Der dritte Einschnitt, der 2008 vollzogen wurde, war die Einführung der 60 Minuten-Stunde, „eine der besten Ideen, die wir jemals hatten“, wie Schulleiter Thomas Aehlig meint. „So simpel das klingen mag, aber meiner Meinung nach hat diese Maßnahme unsere Schule wie keine andere positiv verändert. Wir sind äußerst zufrieden mit diesem Zeitrhythmus, und kein Kollege kann sich heute vorstellen, dass er mal 45 Minuten unterrichtet hat.“ Aus dem Schultag sei viel Hektik genommen worden. Die über 1.000 Schülerinnen und Schüler haben weniger Wechsel und weniger Fächer, die längeren Zeiten ermöglichen kooperative und individuelle Lernformen im Unterricht. „Es gibt mehr Zeit für Vertiefung und Übung und auch für Muße. Der ganze Tag wird entzerrt“, so Stephanie Brzoza.

Individuelle Förderung + „Salto“ = Qualität

Den Weg der individuellen Förderung hat 2010 maßgeblich das Dezernat „Qualitätsanalyse“ der Bezirksregierung Münster mit angestoßen. „Die individuelle Förderung war unser Knackpunkt, und ich bin heute noch froh über die Initialzündung durch die Qualitätsanalyse, die uns dies rückgemeldet hat“, erklärt Stephanie Brzoza. Das Kollegium habe sich im Anschluss daran gemacht, ein Methoden-Curriculum für jeden Jahrgang zu entwickeln. Dank „großzügiger Förderung“ der Bezirksregierung konnten sich 15 Kolleginnen und Kollegen der Fächer Deutsch, Englisch, Mathematik, Gesellschaftslehre und Naturwissenschaften weiterbilden. Themen der Fortbildungen waren die Individualisierung der Lernprozesse mit strukturierten Arbeitshilfen und einer fundierten Rückmeldekultur, die die Leistungsbewertung einschließt, sowie die Sprachförderung als Aufgabe aller Fächer.

Für diese Fortbildungen schloss sich die Rosa-Parks-Schule mit der Gesamtschule Gelsenkirchen Ückendorf und der Janusz-Korczak-Gesamtschule Bottrop im Projekt „Salto“ zusammen. Schulübergreifend treffen sich seitdem die Lehrerinnen und Lehrer alle zwei Monate, um Erfahrungen auszutauschen, aber auch weitere Unterrichtsvorhaben gemeinsam zu entwickeln. Die abgestimmten Ergebnisse werden dann über die Fachkonferenzen oder Teamstrukturen in jeder Schule veröffentlicht und über eine für alle drei Kollegien zugängliche Internet-Plattform für den sofortigen Unterrichtseinsatz nutzbar gemacht.

An der Rosa-Parks-Schule zeugen unter anderem Arbeitsblätter in unterschiedlichen Anforderungsniveaus von den Bemühungen, differenziert zu unterrichten. Ebenso bieten die von Lehrkräften angebotenen Lernangebote im Ganztagsbereich – wie Arbeitsgemeinschaften, offene Angebote in der Mittagszeit und Selbstlernzeiten – die Möglichkeit, durch individuelle Förderung der Stärken und den Ausgleich von Lernrückständen die Bildungs- und Abschlusschancen erhöhen.

„Starke Schule“: Berufsorientierung

Schwerpunktkurse bieten ein weiteres individualisiertes Lernangebot innerhalb und außerhalb des Unterrichts. Die Kurse sind ein verpflichtendes Angebot für die Jahrgänge 5 bis 7. Die Schüler und Schülerinnen wählen bereits bei der Schulanmeldung einen der Kurse Kunst, Gesundheit und Bewegung, Musik, PC, Reporter oder Weltreisen, der ihren Interessen entspricht. In diesem Kurs setzen sie sich mit Inhalten auseinander, die über den Fachunterricht hinausgehen, und setzen ihre kreativen Ideen um. Sämtlichen Schülerinnen und Schülern soll eine vielfältige kulturelle Erfahrung ermöglicht werden, und alle Kurse enthalten Elemente der Berufsorientierung, die schon frühzeitig an der Gesamtschule implementiert ist.

Schüler bei der Berufsfelderkundung in der Rosa-Parks-Schule
Berufsfelderkundung ab der 9. Klasse © Rosa-Parks-Schule

„Das Grundkonzept ist immer die Berufsorientierung“, bekräftigt der stellvertretende Schulleiter Tobias Hohlmann. Im 8. Jahrgang kommt das Landesprogramm „Kein Anschluss ohne Abschluss“ hinzu. Eine Potenzialanalyse ermöglicht allen Schülerinnen und Schülern eine fundierte Selbst- und Fremdeinschätzung ihrer personalen, sozialen und fachlichen Kompetenzen. Dabei sind auch die Eltern einbezogen. Berufsfelderkundungen mit Praktika und längere Praktika ab der 9. Klasse vertiefen die Berufsorientierung. „Die Kolleginnen und Kollegen bauen die Erfahrungen der Schülerinnen und Schüler aus den Praktika in ihren Unterricht ein“, so Tobias Hohlmann. Berufseinstiegsbegleiter der Agentur für Arbeit helfen bei Bewerbungen und sind Ansprechpartner für die Firmen.

Das zum zweiten Mal verliehene Berufswahlsiegel und die Auszeichnung als „Starke Schule“ dokumentieren die Qualität der Berufsorientierung an der Rosa-Parks-Schule. Und nicht zuletzt ist ermutigend, dass „wir langsam, aber stetig die Vermittlungszahlen in die Betriebe erhöhen“, freut sich der stellvertretende Schulleiter. In der von hoher Arbeitslosigkeit geprägten ehemaligen Zechenstadt mit 65.000 Einwohnern ist das in der Tat eine starke Leistung. „Die Ganztagsschule erhöht mit der Berufsorientierung, den Selbstlernzeiten und den vielfältigen kulturellen Angeboten die Chancen der Jugendlichen, dass sie ihren Weg machen“, ist Schulleiter Thomas Aehlig überzeugt.

„Ihr seid Rosa Parks!“ Dieser Ausspruch aus dem Schulamt geht Stephanie Brzoza nicht aus dem Sinn. Und in gewisser Weise kann man der Schule kein größeres Kompliment machen.

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