Mittelschule Dietenhofen: Klimaschule mit Inklusion : Datum: Autor: Autor/in: Stephan Lüke

2023 erhielt die Mittelschule Dietenhofen das Zertifikat „Klimaschule Bayern Bronze“. Die kleine Mittelschule im Landkreis Ansbach mit 140 Schülerinnen und Schülern baut auf Vielfalt und Inklusion, aber auch neues Lernen.

Klimaschule, Integration, Inklusion (Mi. Schulleiterin Ruth Heß)
Klimaschule, Integration, Inklusion (Mi. Schulleiterin Ruth Heß) © Mittelschule Dietenhofen

Eigentlich hat Lisa Hofmann Feierabend. Doch die Tür zum Büro von Rektorin Ruth Heß steht noch einladend offen, und so nimmt die junge Förderlehrerin noch einmal Platz und erzählt, warum sie sich zur Förderschullehrerin hat ausbilden lassen, warum sie ihre Aufgabe so schätzt und warum sie diese gerade hier an der Mittelschule Dietenhofen so gut ausüben kann. Lisa Hofmann ist überzeugt, dass „alle Menschen gerecht behandelt werden sollten und Schule eben auch einen besonderen Blick auf die Schwächsten werfen sollte“. An dieser kleinen Mittelschule mit 140 Schülerinnen und Schülern geschähe das aus tiefer Überzeugung.

Rektorin Ruth Heß sieht als eine Voraussetzung dafür den regelmäßigen Austausch des wahrlich multiprofessionellen Teams der Offenen Ganztagsschule, zu dem die Mitarbeitenden des Ganztagsträgers „MuM – Menschen unter Menschen gGmbH“ aus Ansbach ebenso wie die des Mobilen Sonderpädagogischen Dienstes oder der kooperierenden Förderzentren gehören. Die Schulleiterin legt Wert auf das wöchentliche „Briefing“. Rund 30 Minuten sind dafür vorgesehen. „Oft werden es mehr“, berichtet Ruth Heß, „denn hier kommen alle Geschichten auf den Tisch“.

Geschichten der Vielfalt

Und davon gibt es mehr als genug. Denn die Mittelschule Dietenhofen, die schon seit Herbst 2013 das Schulprofil „Inklusion“ hat, nimmt sich im wahrsten Sinne des Wortes „aller“ an. Seit 30 Jahren nimmt die im Herzen Mittelfrankens gelegene Marktgemeinde Dietenhofen immer wieder neue Asylbewerberinnen und Asylbewerber auf. Sozialpädagogin Ulrike Sterner von der Caritas Kreisstelle Herrieden steht im engen Kontakt zur Mittelschule, ruft an, wenn „von heute auf morgen“ ein neuer Schüler oder eine neue Schülerin kommt. Angeleitet von Förderlehrerin Lisa Hofmann lernen sie Wort für Wort, Satz für Satz die deutsche Sprache: „Mit Händen, Füßen, Kreativität und Herz“, wie sie sagt.

Zur Kreativität tragen häufig Ehrenamtliche („unsere Goldschätze“) bei. So wie jene ältere Dame, die eines Tages mit einem reich bestückten Picknickkorb vorbeischaute und fröhlich verkündete: „Das wird den Kindern schmecken. Und dabei lernen sie ganz nebenbei auch die deutschen Begriffe und Namen der Dinge.“ Vielfalt wird an der Mittelschule Dietenhofen als Bereicherung betrachtet. „Wir bringen allen unseren Schülerinnen und Schülern Wertschätzung und Interesse entgegen“, sagt Ruth Heß. In seinem Jahresrückblick 2023 dankte Bürgermeister Rainer Erdel den Schulen ausdrücklich für den „großen Einsatz und Erfolg“ in der täglichen Integration.

Fast schon zum „Inventar“ zählt Moneer Ballish. Der gelernte Innenarchitekt und Grafikdesigner kam mit seiner Familie aus Syrien nach Deutschland und ist heute Maler. Seine eindrucksvollen, farbenfrohen und nachdenklich stimmenden Bilder zieren Wände des Schulgebäudes. Wöchentlich begleitet er Jungen und Mädchen in Kunstprojekten.

Schulprofil „Inklusion“

Zu den festen Kooperationspartnern gehört das Diakoneo-Förderzentrum St. Martin in Bruckberg mit dem Förderschwerpunkt geistige Entwicklung. Eine Mittelschulstufenklasse des Förderzentrums ist in der Mittelschule Dietenhofen untergebracht. Die Bruckberger Klasse nimmt am Schulleben teil und arbeitet mit der Mittelschulklasse auch in Projekten und einzelnen Unterrichtsfächern zusammen. Die Lehrerinnen des Förderzentrums St. Laurentius in Neuendettelsau arbeiten ebenfalls im Team der Mittelschule Dietenhofen aktiv mit, auch wenn sie schulrechtlich und organisatorisch dem Förderzentrum unterliegen.

Engagement für Menschenrechte
Engagement für Menschenrechte © Mittelschule Dietenhofen

Die Mittelschule Dietenhofen kooperiert ebenso mit der Klinik für Forensische Psychiatrie des Bezirksklinikums Ansbach, wo Lehrer Gerhard Sonnenleiter jungen Menschen hilft, Schulabschlüsse nachzuholen. Die Mittelschule unterstützt das mit Unterrichtsmaterialien und vor allem bei den Abschlussprüfungen, die viele schon erfolgreich abgelegt haben.

Vor einigen Jahren hat sich die Schule mit ihrem Musikschwerpunkt einen Namen gemacht. Der langjährige Schulleiter Hans Grillenberger-Bomhard, der 2019 verstorbene Vorgänger von Ruth Heß, hatte diesen geprägt und  die Rockbläser für die Kinder und Jugendlichen ins Leben gerufen. Alle Schülerinnen und Schüler konnten mit unterschiedlichen Instrumenten daran teilnehmen und diese Instrumente lernen. Ein Höhepunkt war 2017 die Aufführung des Musicals „Dracula“ unter Beteiligung aller Klassen der Mittelschule, der Schulband, inklusive der Percussion-Gruppe der Partnerklasse aus Bruckberg und des Ganztags, die in vier Aufführungen im Musiksaal der Mittelschule gezeigt wurde. In dem Musical trat der Rektor selbst als „Anstaltsleiter“ auf und kreierte damit den Namen, der im Kollegium bis heute erhalten blieb: „Unsere Anstalt“.

Hand in Hand

Der gemeinsame und individuelle Blick auf die Schülerinnen und Schüler prägt auch den Offenen Ganztag. „Ja, unsere Räume im Schulgebäude vertragen etwas mehr Gemütlichkeit“, findet Katharina Kreische als pädagogische Fachkraft. Doch sie weiß um die Notwendigkeit der Doppelnutzung und die teilweise eingeschränkten Gestaltungsmöglichkeiten. Wichtiger ist ihr aber, dass „die Kinder das hier als eine Art Wohnzimmer betrachten“. Eines, in dem sie sich zur Lernzeit treffen, ihr Handy am selbstgestalteten Handyparkplatz deponieren und die Ganztagsangebote nutzen können.

Noch bevor es mit der Lernzeit losgeht, berichten die rund 30 Schülerinnen und Schüler der OGT in ihren Gruppen im Stuhlkreis von ihrem Schul- und persönlichen Alltag. „Es ist wichtig zu wissen, was bei ihnen im Unterricht, aber auch zu Hause passiert ist“, ist Melanie Selig, die eine Ganztagsgruppe an der Mittelschule betreut, überzeugt: „Das entlastet sie und wir können auf ihre Bedürfnisse eingehen.“ Anschließend können sie verschiedene Angebot nutzen, beispielsweise Fantasievolles nähen oder mit Ganztags-„Urgestein“ Manuela Weiß am großen Mosaik, dessen Einzelteile ein ortsansässiger Fliesenleger zur Verfügung gestellt hat, arbeiten. Sie fügt hinzu: „Das alles geht nur Hand in Hand mit den Lehrkräften.“

Vor allem die Jüngeren schätzen die Möglichkeit, sich auf dem imposant großen und gut ausgestatteten Außengelände zu bewegen und zu spielen. Mit der Spende einer ortsansässigen Firma für den Offenen Ganztag ging 2020 ein lang gehegter Traum in Erfüllung: Eine neue Tischtennisplatte konnte angeschafft werden. Die Montage übernahmen Schülerinnen und Schüler des Offenen Ganztags. Die Tischtennisplatte sei nicht nur bei den Kids beliebt, heißt es.

Zertifizierung als „Klimaschule Bayern Bronze“

Beiträge aller sind gefragt, wenn es um die Schulentwicklung geht – beispielsweise um die Zertifizierung als „Klimaschule Bayern“. Im September 2023 erhielt die Mittelschule die begehrte Auszeichnung. Mit dem Rad zur Schule fahren, Teilnahme am „Stadtradeln“, Mülltrennung, Stoff- statt Papierhandtücher gehören ebenso dazu wie der Einkauf regionaler Lebensmittel oder die Hochbeete auf dem Schulgelände. Selbst eine Hackschnitzelanlage, die die Beheizung der Schule sicherstellt, gehört dazu. Auf den Dächern der Schule sieht man eine Eigenverbrauchsphotovoltaikanlage.

Selbstgestalteter „Handyparkplatz"
Selbstgestalteter „Handyparkplatz" © Stephan Lüke

Umweltminister Thorsten Glauber beeindruckten besonders die Hochbeete, die von den Schülerinnen und Schülern liebevoll betreut werden. Die Ernte findet sich auch schon mal auf dem Teller des Schulfrühstücks. Der Grundstein zur naturverbundenen Schule war früh gelegt worden, seitdem die Schule 2003 mit Hilfe eines Landschaftsarchitekten gemeinsam mit der benachbarten Grundschule den damals noch versiegelten Schulhof zu einer Natur-Erlebnis-Landschaft mitsamt Wasserflächen komplett umgestaltet hatte.

Jetzt gibt es Klettergerüste aus Baumstämmen, Kriechtunnel, Hängebrücke, eine Kletterwand, Platz für Unterricht im Freien im Atrium, Trockenhänge mit Kräutern und selbst einen Wasserspielplatz mit Schwengelpumpe. Das Profil „Klimaschule“ erstreckt sich aber nicht nur darauf, sondern ebenso auf das Lernen im Unterricht. Inzwischen hat die Schule ein eigenes „Klimacurriculum“, in dem fächerverbindendes Arbeiten bei den umweltrelevanten Themen vorgeschrieben ist.

Digitales Lernen nach dem Churermodell

Überhaupt zeichnet sich die kleine Mittelschule durch den ständigen Wunsch nach Weiterentwicklung aus. Die Schulgemeinde wagt sich auch auf Neuland. Nach den Erfahrungen während der Corona-Schulschließungen wird das digitale Lernen fortgeschrieben und ausgebaut. Aktuell wird die – an der Pädagogischen Hochschule Schwyz von Lehrkräften für Lehrkräfte entwickelte – Lernplattform „Learning View“ zur Individualisierung des Unterrichts permanent mit neuen Inhalten gefüllt.

Jede und jeder kann auf die selbst und von anderen entwickelten Materialien zugreifen, die OGt-Kräfte können nachvollziehen, was im Unterricht geschah, Schülerinnen und Schüler nutzen nach Leistungsvermögen differenzierte Arbeitsblätter und erhalten umgehend Rückmeldung von ihrer Lehrkraft. Schulleiterin und Deutschlehrerin Ruth Heß kennt selbst die Vorzüge der Lernplattform: „Wenn ich beispielsweise sehe, dass eine Kollegin im Sozialunterricht etwas zu einem Rezept aufgegriffen hat, kann ich das auch in der Deutschstunde berücksichtigen.“

Das Digitale Lernen in Anlehnung an das  sogenannte Churermodell, das erfolgreiches und herausforderndes Lernen für alle durch individualisierte und inklusive Lernförderung ermöglicht, wird besonders in der Tablet-Klasse der Jahrgangsstufe 5und 6 vorangetrieben. Das heißt nicht, dass herkömmlicher Unterricht zu kurz kommt. „Wenn jemand gerne lebendig Dinge vorträgt, soll er oder sie es natürlich auch weiterhin tun dürfen. Meine Verantwortung ist ja auch, dafür zu sorgen, dass alle ihre Lehrerpersönlichkeit entfalten können“, sagt Ruth Heß. Das entspricht ganz dem Credo der Mittelschule Dietenhofen: Vielfalt bereichert.

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