Das Grüne Klassenzimmer von Saalfeld-Gorndorf : Datum: Autor: Autor/in: Ralf Augsburg

Als „Plus schulischer Bildung“ sieht Schulleiter Michael Patzer die Ganztagsschule. Dazu gehört auch das Grüne Klassenzimmer der Regelschule „Albert Schweitzer“, das gerade eröffnet wurde.

Biotop
© Regelschule Saalfeld-Gorndorf

Das Wetter spielt am Nachmittag des 22. August schon mal mit: Bei Sonnenschein und angenehmen Temperaturen, während im Hintergrund Hausmeister Hartmut Weiß auf dem Grill schon die – natürlich echten – Thüringer Würstchen wendet, konnte die Staatliche Regelschule „Albert Schweitzer“ in Gorndorf, Saalfelds größtem Stadtteil, die feierliche Eröffnung ihres Grünen Klassenzimmers mit Gästen feiern.

Michael Patzer blickt in viele junge Gesichter, denn zahlreiche Ehemalige, die im letzten Jahr hier noch als Zehntklässler waren, sind an ihre Schule und in ihren Schulgarten zurückgekehrt. Bei dessen Entstehen und dem Aufbau des aus Carport-Teilen zusammengesetzten Holzpavillons mit Bänken und Sitzplätzen haben sie bis zuletzt mitgeholfen. „Wenn so viele von euch heute gekommen sind, dann kann es so schlecht bei uns nicht gewesen sein“, freut sich der Schulleiter.

Vorher ist Martina Reichel gar nicht aus dem Händeschütteln herausgekommen. Die Biologie- und Chemielehrerin ist so etwas wie die Mutter des Schulgartens, der ein so schönes und gepflegtes Gelände aufweist, dass er jederzeit bei der Aktion „Offene Gartenpforte“ mitmachen könnte. Hier gibt es nicht nur einen Teich mit Fischen und quakenden Fröschen zu sehen und zu hören, sondern auch zwei Gewächshäuschen mit Tomaten, ein Gemüsebeet, eine Kräuterecke, ein Insektenhotel, eine Feuerstelle, einen Stall mit Meerschweinchen und Ställe mit Hasen.

Wo die größten Haudegen Ehrgeiz entwickeln...

„Ohne die Ganztagsschule könnten wir den Garten nicht so gepflegt halten“, berichtet Martina Reichel. Zwar muss in jedem Fall außerunterrichtliche Arbeit ihrerseits, von Hausmeister Weiß, von Kolleginnen und Kollegen sowie Schülerinnen und Schülern in die Pflege des Gartens einfließen. Aber die zweimal zwei AG-Stunden in der Woche sind ein wichtiger Faktor, dass der Garten so schmuck aussieht und kontinuierlich über die Jahre gewachsen ist. „Es ist toll, wenn man sieht, wie die größten Haudegen hier Ehrgeiz entwickeln mitzuarbeiten“, freut sich die AG-Leiterin, die den Schulgarten von Anfang an mit aufgebaut hat. „Und die Kinder sollen auch sehen, wie viel Arbeit nötig ist, um solch einen Garten schön zu erhalten.“ Inzwischen stecken elf Jahre Arbeit in dem Areal.

2006 begann die Geschichte des Schulgartens auf Initiative des stellvertretenden Schulleiters Ullrich Wagner. Einige Jahre zuvor hätte an dieser Stelle noch gar kein Garten entstehen können, denn das alte Schulgebäude der ehemaligen Juri-Gagarin-Oberschule reichte fast doppelt so weit hinaus wie heute. Im Zuge der Sanierung der Schule wurde die Hälfte des Traktes abgerissen, so dass eine Brachfläche frei wurde. Damals, nach der Wende, waren die Schülerzahlen derart eingebrochen, dass der Platz für die zeitweise nur noch einzügige Schule verzichtbar schien.

Heute hätte man nichts dagegen einzuwenden, wenn es einen Trakt mehr gebe, denn inzwischen ist die Schule wieder durchgängig zweizügig. Rund 300 Schülerinnen und Schüler lernen an der Regelschule. Die Schülerinnen und Schüler der 5. und 6. Klassen können sich seit dem Schuljahr 2004/2005 an drei Tagen der Woche in Ganztagsangebote einwählen, die von 14.00 bis 15.15 Uhr dauern. Dazu gehören die Arbeitsgemeinschaften, das betreute Lernen und die Hausaufgabenstunde.

...und Schüler am Sonntagmorgen noch vorbeischauen

Es gibt unter anderem Förderung in Deutsch, Englisch und Mathematik.

AG Modellbau
AG Modellbau © Regelschule Saalfeld-Gorndorf

Aber auch künstlerisch – „Keramik“, „Textiles Gestalten“ und „Modellbau“ – oder sportlich-bewegt bei „Sportspielen“, „Handball“, „Tanzen“ und „Klettern“ können sich die Schülerinnen und Schüler betätigen. Beliebt sind auch Kurse wie „Modelleisenbahn“, „Hauswirtschaft“ , „Fahrradtouristik“, die jedes Jahr auf fünfttägige Fahrradtour geht wie 2017 auf „Stauseetour“ – , und eben die „Biotop-AG“, bei der teilweise auch Schülerinnen und Schüler der Klassen 7


 bis 10 beteiligt waren.

„Die Ganztagsschule ist keine Aufbewahrung, sondern ein Plus schulischer Bildung“, ist die Überzeugung von Schulleiter Michael Patzer. „Alle vor- und nachmittäglichen Aktivitäten stehen bei uns in einem konzeptionellen Zusammenhang. Und sie verknüpfen sich mit dem sozialen, wirtschaftlichen und kulturellen Umfeld, neben Lehrerinnen und Lehrern wirken Eltern, Vereine und Initiativen an der Umsetzung mit.“

Das zeigte sich auch beim Aufbau des Grünen Klassenzimmers, bei dem – wie bei vielen anderen Projekten – der sehr engagierte Förderverein der Schule von Sponsoren, Vereinen und der örtlichen Politik unterstützt wurde. „Hier hat sich gezeigt, was wir schaffen können, wenn wir alle an einem Strang ziehen“, so der Schulleiter in seiner Dankesrede. „Es ist eine Freude gewesen zu sehen, wie sich die Schülerinnen und Schüler selbst am Sonntagmorgen hier eingebracht haben, damit alles rechtzeitig fertig wird.“

Schulalltag mitgestalten, Abbrüche vermeiden

Bei der Feierstunde ist auch Kerstin Piontek dabei.

Martina Reichel (l.) und Kerstin Piontek
Martina Reichel (l.) und Kerstin Piontek © Redaktion www.ganztagsschulen.org

Die Schulelternsprecherin und stellvertretende Vorsitzende des Fördervereins ist eine verlässliche Stütze für Lehrerin Reichel und gehört der Schulgemeinschaft schon lange an. Zwei ihrer Kinder haben hier bereits den Abschluss gemacht. „Inzwischen beendet der Ältere gerade sein Medizinstudium, und meine Tochter leitet einen Kindergarten in Bremen“, erzählt sie. „Diese Schule hat meine Kinder wirklich sehr gut vorbereitet, und sie haben sich hier wohlgefühlt. Wir haben uns damals bewusst entschieden, dass sie nicht sofort auf das Gymnasium gehen, sondern erst hier lernen sollen. Erst für die Oberstufe sind sie auf's Gymnasium gewechselt.“ Kerstin Piontek findet heute noch: „Das war genau die richtige Entscheidung.“

Eine weiterführende Schule oder ein Lehrvertrag – das sind die erklärten Ziele auch der Berufswahlvorbereitung an der „Albert Schweitzer“. Diese beginnt in der 7. Klasse mit der BeOS 2.0, der Praxisnahen Berufsorientierung im Bildungszentrum Saalfeld. In der 8. Klasse folgt dann eine praktische Ausbildung Metallverarbeitung in der Ausbildungsstätte des Stahlwerkes Thüringen und in den Klassen 8 bis 10 jeweils ein ein- bis zweiwöchiges interessenbezogenes Praktikum in Firmen der Region.



Die Regelschule nimmt am Projekt "SEKA – Schulalltag mitgestalten, Erfolgserlebnisse sichern, Kompetenzen entwickeln, Abbrüche vermeiden" teil, um die Zahl der Schulabbrüche nachhaltig zu reduzieren. Mit Arbeitsgemeinschaften wie der AG Klettern und der Fahrradwerkstatt im Jugend- und Stadtteilzentrum der Diakoniestiftung, Interkulturellem Training und Elternveranstaltungen spricht die Schule die unterschiedlichen Gruppen an.

Die schulbezogene Jugendsozialarbeit ist in Thüringen ein fest verankertes Angebot der Jugendhilfe in weiterführenden Schulen. Dazu gehören offene Gesprächs- und Beratungsangebote für Schülerinnen und Schüler, aber auch für Eltern, Lehrerinnen und Lehrer, Konflikt- und Kompetenztraining, sozialpädagogische Gruppen- und Projektarbeit.

Verantwortlich für die erfolgreiche Umsetzung des Projekts ist die Diakoniestiftung Weimar Bad Lobenstein mit Christoph Frenk als Projektkoordinator und Nancy Schlegel als Sozialpädagogin, welche sich unter anderem um zwei AGs kümmert: die AG Theater & Musik in den Räumlichkeiten des Jugend- und Stadtteilzentrums Gorndorf und die Kletter-AG in Kooperation mit einem gegenüber liegenden Fitness-Center.

Beim Klettern über sich hinauswachsen

Jeden Mittwoch sucht Nancy Schlegel mit der Kletter-AG das gegenüber liegenden Fitness-Center auf. Dort warten schon die Trainer Steffen Teichmann und Mike Saupe, um mit aktuell 19 Schülerinnen und Schülern zu klettern. „Das geht ganz schön in die Höhe, so 10 bis 15 Meter“, erzählt sie.

Schülerinnen und Schüler der Kletter-AG an der Kletterwand
© Regelschule Saalfeld-Gorndorf

„Bei solchen Höhen ist es wichtig, dass die Heranwachsenden  zusammenarbeiten und Vertrauen ausbilden, weil sie sich ja auch gegenseitig sichern müssen. Der größte Prozess liegt darin, wie die Schülerinnen und Schüler über sich hinauswachsen und wie sie ihre Anerkennung für die Mitschüler ausdrücken“, findet die Sozialpädagogin. Das Zielesetzen gehört ebenso dazu wie das Reflektieren des Erlebten und Erreichten.

Vom Namenspatron hat die Albert-Schweitzer-Schule das Motto übernommen: „Ich glaube an die Zukunft dieser Zeit, aber wir müssen sie bauen.“ In Saalfeld-Gorndorf kann man buchstäblich besichtigen, dass die Schulgemeinschaft damit längst begonnen hat.

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