„BOA!“ – Ganztag mit Berufsorientierung : Datum: Autor: Autor/in: Ralf Augsburg

Die Hans-Adlhoch-Schule in Augsburg wird wegen ihrer Berufsorientierung sehr geschätzt. In der Grund- und Mittelschule hat auch der offene Ganztag schon Tradition – seit kurzem in neuen Räumen.

Als Kultusminister Michael Piazolo Anfang Februar Augsburg besuchte, um sich über „BOA!“ zu informieren, hatte die Stadt die Hans-Adlhoch-Schule als Treffpunkt ausgewählt. An der Grund- und Mittelschule im Stadtteil Pfersee unterstützt Diplom-Pädagoge Marcel Büschel die Jugendlichen bei der Berufsorientierung und stellte zusammen mit den Schülerinnen Rosalin und Evelyn das Berufsorientierungskonzept vor.

Die Berufsorientierung gehört in Bayern zum Profil der Mittelschulen. Schülerinnen und Schüler können ab Klasse 7 erste berufsnahe Kompetenzen erwerben. Dafür kooperieren sie mit Betrieben und Firmen, die den Jugendlichen durch Führungen und Praktika einen Einblick in den Arbeitsalltag gewähren, und mit Experten und Fachkräften, die Projekte mit den Schulen durchführen. Zu diesen Berufsorientierungsmaßnahmen (BOM) des Bayerischen Kultusministeriums und der Bundesagentur für Arbeit kommen noch „Leuchtturmprojekte“ im regionalen Raum hinzu, für die alle Regierungsbezirke zusätzliche Mittel erhalten.

BOA! – ein Leuchtturm in Pfersee

Schülercafe
Schülercafé „Bla Bla“: Auch Werbeplakate werden selbst hergestellt. © Hans-Adlhoch-Schule

Das Leuchtturmprojekt der Stadt Augsburg heißt „BOA! – Berufsorientierung Augsburg“. Die Stadt finanzierte bis 2019 – seitdem hat das Land den Anteil übernommen – zusammen mit der Agentur für Arbeit Fachkräfte an jeder Mittelschule, die die Schülerinnen und Schüler bei der Berufsfindung begleiten. Marcel Büschel setzt es an der Hans-Adlhoch-Schule um: „Ich unterstütze die Jugendlichen beim Entdecken ihrer beruflichen Wünsche und Fähigkeiten und fördere eine realistische Selbsteinschätzung“, berichtete er den Gästen. „Ich organisiere Betriebsexkursionen und berufsbezogene Projekttage, helfe bei der Suche nach Praktikumsstellen und unterstütze die Schülerinnen und Schülern bei ihren Bewerbungen. Außerdem übernehme ich auch die Informationskontakte zu den Eltern und begleite unsere Übungsfirma, das Schülercafé.“

Im Schülercafé „Bla Bla“, einer AG, lernen die Schülerinnen und Schüler vom Zubereiten kleinerer Speisen bis zur Erstellung von Verkaufsdisplays und Werbeplakaten bereits grundlegende Abläufe des Arbeitslebens kennenlernen – und das mit Spaß.

Die Wahl war noch aus einem anderen Grund auf die Hans-Adlhoch-Schule gefallen, wie Dominik Dennerle, Schulrat im Staatlichen Schulamt in der Stadt Augsburg, verrät. Nach einer Generalsanierung für über 9 Millionen Euro erstrahlt das altehrwürdige Schulhaus im Stadtteil Pfersee, das während des Ersten Weltkriegs gebaut wurde, im neuen Glanz. Die Stadt ist ebenso froh und stolz wie Schulleiterin Sabine Stahl-Schnitzler. Ende Januar hatte die Schulgemeinschaft den Abschluss der dreijährigen Bauarbeiten gefeiert.

Die ehemalige Turnhalle ist nun zur Aula umfunktioniert, im Untergeschoss sind extra Räume für die offenen Ganztagsangebote entstanden. Die Flure können nun auch als Lernbereiche genutzt werden. Jetzt fehlen nur noch die Außenbereiche mit Sportflächen, Pausenhof und Grünanlagen; sie sollen im Sommer fertiggestellt werden.

#adlochdaheim: „Frühlingspost an Senioren“

Etwa 450 Schülerinnen und Schüler besuchen die Hans-Adlhoch-Schule, in 14 Klassen in der Grundschule und zehn Klassen in der Mittelschule. 50 Lehrkräfte arbeiten hier. Derzeit heißt es natürlich auch in Schwaben „Wir halten Abstand! Wir bleiben zu Hause“. Der Schulbetrieb wird erst langsam wieder anlaufen. Unter #adlochdaheim hat die Schule in den letzten Monaten auf ihrer Website laufend Kontakt zu den Schülerinnen und Schülern gehalten. Davon sprechen nicht nur die Hausaufgaben, Lernmaterialien und Schülerarbeiten, sondern auch Rubriken wie „Frühlingspost an Senioren“ („Schreibe einen Brief an ältere Menschen in Augsburger Seniorenheimen“) oder die Anleitung für ein „Positiv-Tagebuch“ zum Eintragen schöner Erinnerungen und Gedanken.

Schulgebäude Hans-Adlhoch-Schule
Das 100 Jahre alte Schulgebäude in neuem Glanz © Online-Redaktion

„Unsere Schülerschaft ist sozial sehr gemischt“, berichtet Schulleiterin Sabine Stahl-Schnitzler. „In der Grundschule nimmt etwa ein Viertel der Schülerinnen und Schüler das offene Ganztagsangebot wahr. In der Mittelschule sind es etwa 15 Prozent der Schülerinnen und Schüler von Klasse 5 bis 7. Wir haben eine kleine Warteliste, aber die Stadt schafft es, jedes Kind am Nachmittag unterzubringen.“

Bei den Eltern der jüngeren Kinder steht der Schulleiterin zufolge „Flexibilität hoch im Kurs“, und dem entspricht die Grundschule mit einem differenzierten Ganztagsangebot. Für mindestens zwei Tage der Woche müssen die Kinder das Ganztagsangebot nutzen. Es gibt eine „kurze Gruppe“ bis 14 Uhr und eine „lange Gruppe“ bis 16 Uhr. „Der Ganztag in der Grundschule hat an unserem Standort eine lange Tradition“, berichtet Sabine Stahl-Schnitzler.

Jugendhaus linie3: „... ganz andere Gespräche“

Früher gab es nach der Grundschule eine Mittagsbetreuung durch den Förderverein. „Unser Förderverein ist der Träger für den offenen Ganztag geblieben. Die Schülerzahlen sind deutlich angestiegen, und die Qualität der Angebote, die auch früher schon hoch war, hat sich nochmal verbessert. Jetzt arbeiten auch Erzieherinnen und Sozialpädagogen dort. Unser langjähriges Erfolgsrezept ist die multiprofessionelle Zusammenarbeit – viele Augen schauen jetzt auf die Kinder“, sagt die Schulleiterin.

Während die offene Ganztagsschule für die Schülerinnen und Schüler der Klassen 1 bis 4 in den Schulräumen Platz gefunden hat, gehen die Mittelschülerinnen und -schüler montags bis donnerstags in das nahegelegene Jugendhaus linie3. Der Stadtjugendring Augsburg ist der Träger des Ganztagsangebots in der Sekundarstufe I. Im Jugendhaus essen die Schülerinnen und Schüler zu Mittag und nutzen für die Freizeit und für die Lernzeit die Räume und das vielfältige Angebot der Einrichtung. Das großzügige Außengelände eignet sich gut für Spiel und Sport. Drei Räume stehen für das Ganztags-„Herzstück“, die Lernzeit, zur Verfügung. Hier können die Jugendlichen in Ruhe unter anderem ihre Hausaufgaben erledigen. Dieses Angebot gibt es bereits seit 2002.

„Das Schöne am Ganztag im Jugendhaus ist, finde ich, dass hier außerschulisches Personal mit anderer Sichtweise in anderen Räumen und in einer anderen Mischung mit den Schülerinnen und Schülern arbeitet. Dort herrscht eine familiäre Atmosphäre. Schon der Weg zum Jugendhaus, wenn die Erzieherin die Kinder und Jugendlichen abholt, ist wertvoll. Dann finden schon ganz andere Gespräche statt als hier bei uns im Schulhaus“, so Sabine Stahl-Schnitzler.

Zu gemeinsamen Lösungen kommen

Wieselhaus
Highlight im Projekt „Denkmal und Schule“: Modell Wieselhaus © Hans-Adlhoch-Schule

Mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im offenen Ganztag der Grundschule gibt es einen engen Austausch. Die Schulleiterin telefoniert regelmäßig mit den pädagogischen Fachkräften oder trifft sich mit ihnen. Ein Mitglied des Kollegiums ist auch Mitglied im Förderverein, sodass dort eine personelle Überschneidung mit einem direkten Draht zur Schulleitung besteht. Die Fachkräfte der Kooperationspartner nehmen an Konferenzen und Schulveranstaltungen teil.

„Dieser enge Austausch ist wichtig“, findet Sabine Stahl-Schnitzler. „Man erfährt mehr über das Kind und kommt gemeinsam zu Lösungen. Das gilt auch mal, wenn es darum geht, wie wir mit Verstößen im Ganztag umgehen. Da sitzt die Schule jetzt mit im Boot.“ Die Hans-Adlhoch-Schule ist schließlich seit 2014 auch Inklusionsschule, die mit der Ulrichschule, einem Sonderpädagogischen Förderzentrum, kooperiert. Sie verfügt beispielsweise über ein Konzept „Intensivierung der Erziehung (IdE)“: IdE-Lehrerin Anke Buhl vermittelt in Kleingruppen solche Themen wie „Wie verhalte ich mich in der Gemeinschaft richtig?“ oder „Wie behaupte ich mich in der Gruppe?“, aber auch „Wie lerne ich erfolgreich?“

Eine Besonderheit ist auch das Trainingsraum-Konzept. In den Trainingsraum werden Schülerinnen und Schüler geschickt, die mehrfach den Unterricht gestört haben. Sabine Stahl-Schnitzler gesteht: „Als ich 2015 als Schulleiterin angefangen habe, dachte ich: Das schaue ich mir ein Jahr an, dann schaffe ich es ab. Doch ich habe mich eines Besseren belehren lassen.“ Ihre Kolleginnen und Kollegen, die gern im Trainingsraum arbeiten, konnten sie überzeugen, dass das Konzept sinnvoll ist. „Die Schüler reflektieren ihr Verhalten, und es gibt wertvolle Momente. Zusammen mit den Kindern und ihren Eltern kommen wir immer zu guten Lösungen.“

Unterstützt wird das durch Schulsozialarbeit. Seit dem Schuljahr 2015/2016 ist die JaS, die „Jugendsozialarbeit an Schulen“ des Sozialpädagogischen Instituts der Augsburger Gesellschaft für Lehmbau, Bildung und Arbeit gGmbH, an der Schule tätig. An Schulsozialarbeiterin Annika Hassler können sich die Kinder und Jugendlichen wenden, wenn sie jemanden zum Reden brauchen oder wenn sie Probleme haben.

Öffnung der Schule durch Kooperation

Ballroomdance
Die Ballroomdancer © Hans-Adlhoch-Schule

So, wie der Ganztag am außerschulischen Lernort Jugendhaus linie3 für die Schulleiterin eine Öffnung in den Stadtteil bedeutet, spielen Kooperationen an der Hans-Adlhoch-Schule eine herausragende Rolle. Das gilt für die Kooperation der „Ballroomdancer“ der Schule mit dem Staatstheater Augsburg ebenso wie für die „Singklasse“ in Kooperation mit der SuMMA, der Sing- und Musikschule Mozartstadt Augsburg, oder das Generationenprojekt „Grundschulkinder musizieren mit Senioren!“ in Kooperation mit dem AWO Seniorenzentrum Christian-Dierig-Haus. Mit der „Leseinsel“ ist die Schule an die Stadtbücherei angebunden, und jede Schülerin und jeder Schüler erhält einen Leseausweis für die Stadtbücherei. Das Motto der AG Schülerbücherei lautet „Lesen gefährdet die Dummheit!“. In Kooperation mit den Stadtwerken Augsburg werden in der AG Ökodetektive Energiedetektive ausgebildet.

Im Projekt „Denkmal macht Schule“ konnten Schüler der 9. Klasse schon mehrfach mit Architekt Dr. Stefan Schrammel zusammenarbeiten. Ein Projekt war die Erkundung des eigenen historischen Schulhauses, seiner Baudetails wie Stuckornamente, Inschriftentafeln oder kunstvoll geschmiedeter Gitter. Für die Sanierung des Schulgebäudes entwickelten sie Neuinterpretationen und gestalten die Reliefs für vier Fenster nach eigenen Entwürfen. Auch die Umgestaltung des Wieselhauses im Augsburger Domviertel zum Fugger-Welser-Museum – die Fugger gelten als die deutschen Medici und Augsburg als deutsches Florenz – konnten Schülerinnen und Schüler hautnah miterleben.

„Stillstand ist nicht zu erwarten“

Durch die Sanierung der Schule sind auch neue Voraussetzungen für die Digitalisierung geschaffen worden: Ein PC-Netzwerk, Beamer, Smartboards und Dokumentenkameras sind jetzt vorhanden. Die Hans-Adlhoch-Schule nimmt am Pilotprojekt „Tablets an Augsburger Grundschulen und Mittelschulen“ teil. Sie hat Tablets erhalten und wird dabei von Digitalisierungsberatern der Stadt unterstützt. Schulleiterin Sabine Stahl-Schnitzler schätzt im Übrigen die Digitalisierung neben der Inklusion als eine der derzeitigen ganz großen Herausforderungen ein.

Nun freut sich die Schulleiterin, dass nach dem Ende der Sanierung wieder etwas mehr Ruhe ins Schulhaus eingekehrt ist. Aber: „Stillstand ist nicht zu erwarten“. Sie hat schon neue Pläne, einer davon ist, die Schülermitwirkung noch weiter zu stärken.

„Was hier passiert, ist beeindruckend“, meint Stadtschulrat Dominik Dennerle. „Wir sind stolz, dass wir so motivierte und engagierte Lehrkräfte haben. Das ist nicht selbstverständlich, und das geht nur mit einer ebenso motivierten Schulleitung.“

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