Bertolt-Brecht-Schule Nürnberg: Ganztag mit Breite und Spitze : Datum: Autor: Autor/in: Stephan Lüke

„Ändere die Welt. Sie braucht es!“ Das Zitat ihres Namensgebers lesen die 1.700 Schülerinnen und Schüler der Bertolt-Brecht-Schule, einer Eliteschule des Sports, täglich an der Fassade ihres hochmodernen Neubaus.

Drei Schulen unter einem Dach. Ein Schulgebäude, das nach modernen pädagogischen Gesichtspunkten konzipiert und gerade erst bezogen wurde. Eine Schule, die seit 2008 „Eliteschule des Fußballs“ ist und in der prominente Leistungssportlerinnen und -sportler wie Fußball-Nationalspieler İlkay Gündoğan Mathematik, Deutsch und Englisch büffelten und büffeln, das aber auch einfach sportbegeisterte Kinder und Jugendliche aufnimmt. Die Erwartungen an die Bertolt-Brecht-Schule sind vor unserem Besuch hoch. Um es vorwegzunehmen: Es hat sich mehr als gelohnt, einen Blick hinter die Kulissen dieses Schulzentrums, das Mittelschule, Realschule und Gymnasium vereint, zu werfen.

1976 als Gesamtschule Nürnberg-Langwasser gegründet, entstand in den 1980er Jahren die Bertolt-Brecht-Schule. 2014 wurde der von den Architekten Georg Ackermann und Cornelia Renner entworfene, in vier Baukörper gegliederte Schulneubau mit den aufrüttelnden Brecht-Zitaten an der Nordfassade – „Ändere die Welt. Sie braucht es!“ „...und sie dreht sich doch!“ – als sogenanntes Niedrigenergiegebäude geschaffen. Das Architektenteam erhielt dafür einen ersten Preis. Den Sichtbeton werde man mit ein wenig Farbe „aufpolieren“, ist sich Dr. Harald Schmidt, der Leiter des Gymnasiums und der Realschule, sicher. „Das machen wir schon“, sagt er mit der Ruhe eines erfahrenen Chefs, der Anfang kommenden Jahres dem Schulleben den Rücken kehren wird – die Pension wartet.

„Wunderbare Durchlässigkeit“

Plakat "Ändere die Welt sie braucht es" (Bertolt Brecht)
"Ändere die Welt sie braucht es" (Bertolt Brecht) © Stadt Nürnberg | Bertolt-Brecht-Schule

Er wird den Schritt mit einer Portion Zufriedenheit gehen. „Wir haben viel geschaffen in den vergangenen zwei Jahrzehnten“, sagt er und denkt dabei auch an seinen Abschied, den er nun im Neubau feiern darf. Vor seinem Auge ziehen die Jahre im Zeitraffer vorbei. „Ich bin stolz darauf, dass wir uns so weiterentwickelt haben, dass es uns zunehmend gelingt, die Schülerinnen und Schüler an moderne Unterrichtsforme und selbstständiges Lernen heranzuführen“, bekennt er. Nach einer kurzen Pause fügt er hinzu: „Und wir freuen uns, dass die drei Schulformen unter einem Dach zu einer wunderbaren Durchlässigkeit geführt haben. Etwa zehn Prozent derjenigen, die jährlich bei uns das Abitur machen, besuchten ursprünglich die Realschule.“

Nicht nur das Abitur zählt. „Wir möchten, dass alle einen Abschluss schaffen“, betont Ganztagskoordinator Michael Hertel und garantiert: „Bei uns wird Förderung wirklich individuell zugeschnitten.“ Schülerinnen und Schüler orientieren sich an Wochenplänen. „Nach der Devise: raus aus dem Frontalunterricht“, ergänzt Alexander Hammling, der Deutsch und Sport unterrichtet, aber auch für die Öffentlichkeitsarbeit verantwortlich zeichnet. Positiv haben sich das Doppelstunden- und Fachraumprinzip auf die Umsetzung dieses Ansatzes ausgewirkt.

In die Neubauplanung eingebunden

Mehr als 1.700 Schülerinnen und Schüler nutzen die großzügig und nach pädagogischen Konzepten entwickelte Schule. „Wir wurden in die Planungen deutlich stärker, als man es erwarten durfte, eingebunden“, erinnert sich Michael Hertel, der auch Physik-, Geografie- und Informatiklehrer ist. Herausgekommen ist ein helles, dank vieler Glasfronten von Licht durchflutetes Gebäude mit Differenzierungsräumen, Möglichkeiten zum „Chillen“, zahlreichen Sitzecken, die zum Arbeiten einladen, und farblich gestalteten Bereichen: u.a. grün = Ganztag, violett = Mathematik, Informatik und Verwaltung, blau = Naturwissenschaften, Biologie und Sprachen.

Im Schulgebäude befindet sich eine Zweigstelle der städtischen Bücherei. Es gibt einen Lese-, Mensa-, Werk-, Spielhof und eine Fläche auf der beobachtet werden darf, was die Natur so wachsen und gedeihen lässt, wenn der Mensch nicht eingreift. Die Sitzmöglichkeiten im Freien, auch für die Lehrkräfte, deren großzügig gestaltete Arbeitsplätze und eine digitale Ausstattung vom Feinsten lassen erkennen, dass den Architekten und der Stadt Nürnberg ein großer Wurf gelungen ist.

Davon ist auch Schulleiter Harry Windisch überzeugt. Er leitet die sportbetonte Mittelschule und sagt: „Die Schulfamilie der Mittelschule freut sich sehr, nach langen Jahren in verschiedenen Dependancen nun in dieser wunderschönen Schule mit Realschule und Gymnasium angekommen zu sein. Das Miteinander trägt schon jetzt in vielen Bereichen erste Früchte.“ Schulartübergreifend können Wahlfächer belegt werden. Die Klassen der drei Schularten fahren gemeinsam in die Sommersportwoche. Schulentwicklungsteams arbeiten Seite an Seite. Harry Windisch ist sicher, dass „aufgrund dieser optimalen Möglichkeiten, die diese Schule uns allen bietet“, auch der gemeinsame Elternbeirat und die Mitglieder des Fördervereins die relativ kurzen Wege sowie das Miteinander zu schätzen wissen.

Breiten- und Spitzensport

Die Eishockey-Schulmannschaft der Jahrgänge 2003-2006
Die Eishockey-Schulmannschaft der Jahrgänge 2003-2006 © Stadt Nürnberg | Bertolt-Brecht-Schule

Die Bertolt-Brecht-Schule, seit 2012 Eliteschule des Sports auch für zahlreiche Sportarten wie Badminton, Fechten, Leichtathletik, Hockey oder Taekwondo, lockt zahlreiche national und international erfolgreiche Sportlerinnen und Sportler an. Darunter sind etwa der Ringer Roland Schwarz (3. Platz bei der WM 2021 und 2. Platz bei der EM 2019), der Schwimmer Fabian Schwingenschlögl (deutscher Rekordhalter über 100 Meter Brust und Teilnehmer bei Olympischen Sommerspiele in Tokio 2020) oder die Radsportlerin Justyna Czapla, Vize-Weltmeisterin bei der Junioren-Weltmeisterschaft 2022 und Europameisterin im Einzelzeitfahren). Sie bilden an Gymnasium und Realschule eine „Eliteklasse“, die im gebundenen Ganztag arbeitet.

Es reicht nicht, gut Fußball zu spielen oder talentiert zu sein, um hier aufgenommen zu werden. Mit zwölf Sportverbänden wurden Kooperationsverträge geschlossen, die eine besondere Betreuung der Spitzensportlerinnen und -sportler mit Titelambitionen zu gewährleisten. Landestrainerinnen und -trainer erwarten sie täglich für mehrere Stunden auf dem Trainingsgelände, manche außerhalb der Schule auf Vereinssportanlagen, andere in der hochmodernen schuleigenen Sporthalle. Die Inhalte, die sie im Klassenzimmer verpassen, stellen ihnen die Lehrkräfte online zur Verfügung.

Höchst individuell werden darüber hinaus Treffen mit den Aktiven zum sogenannten „Einzel-Nachführunterricht“ durch Pädagoginnen und Pädagogen verabredet. „Das ist nötig und höchst effektiv, denn es gibt Athletinnen und Athleten, die 200 Tage pro Jahr für ihren Sport weltweit unterwegs sind, oder wie im Falle der Schwimmerinnen und Schwimmern nahezu den kompletten Dezember unterwegs sind, etwa weil sie im Trainingslager in Südafrika weilen. Weil das mitunter trotzdem nicht reicht, kann die Oberstufenzeit für diese Gruppe von zwei auf drei Jahre gestreckt werden.

Bei so viel positivem Image als Eliteschule des Sports ist es dem Schulleiter ein zentrales Bedürfnis, zu betonen, dass die Bertolt-Brecht-Schule seit 2022 auch „Eliteschule des Mädchenfußballs“ ist. Und, fast noch wichtiger: „Ohne Breite keine Spitze“, wie Dr. Harald Schmidt ergänzt. Dem Breitensport kommt in der Schule eine immense Bedeutung zu. Schülerinnen und Schüler, die den gebundenen Ganztag besuchen, kommen wöchentlich in den Genuss von sechs Stunden Sport.

Mit Humor durch den „Ganztagsdschungel“

Wie in Bayern üblich, bietet die Bertolt-Brecht-Schule sowohl den gebundenen als auch den offenen Ganztag an. Die Leistungssportklassen arbeiten im gebundenen Ganztag. Die Vielfalt der Bedürfnisse der Schülerinnen und Schüler wirft aber durchaus ihre Schatten. Ganztagskoordinator Michael Hertel sieht noch konzeptionelle Schwächen des Ganztags. Sportstunden liegen beispielsweise aktuell im frühen Morgenband, mit der Folge, dass der Unterricht anschließend „lang“ und anstrengend für die Schülerinnen und Schüler wird. „Noch ist uns keine Lösung eingefallen, wie wir das ändern können und verhindern, dass die Schülerinnen und Schüler auch in den aus der Wissenschaft bekannten kognitiven Leistungs- und Aufnahmetiefs lernen müssen“, meint der Ganztagskoordinator. Bei Mathe oder Englisch um 13 Uhr bleibe „nicht so wahnsinnig viel hängen, daran müssen wir arbeiten“.

In vier Baukörper gegliederter Schulneubau der Architekten Ackermann + Renner
In vier Baukörper gegliederter Schulneubau der Architekten Ackermann + Renner © Stadt Nürnberg | focasfilms

Das Kollegium stellt auch noch nicht zufrieden, dass in Gymnasium und Realschule pro Jahrgang derzeit nur jeweils eine Klasse mit gebundenem Ganztag existiert. Größer ist die Nachfrage im Offenen Ganztag. 165 Schülerinnen und Schüler nutzen ihn im Moment. „Doch die Tendenz ist stark steigend“, berichtet Hertel. Ihnen stehen im großzügig ausgestatteten Ganztagszentrum zahlreiche Freizeitangebote, aber auch außergewöhnliche Arbeitsgemeinschaften wie Segeln auf dem Dutzendteich oder „Glück“ zur Wahl. 60 Angebote waren es vor Corona. Auf 35 ist die Zahl inzwischen wieder angestiegen.

Dazu gehören der Schulsanitätsdienst in Kooperation mit dem Arbeiter-Samariter-Bund, Theater-AGs, Saxophon- und Mandoline-Unterricht, die Schulband und die AG Veranstaltungstechnik oder die AGs Fitness-/Krafttraining und Mountainbike. Fester Bestandteil des Schulalltages ist „RadioBBS – Schulnachrichten von Schülern für Schüler“ in Kooperation mit dem Bayerischen Rundfunk und der Landeszentrale für neue Medien, das den „Wahlunterricht Radio“ und in der Oberstufe des Gymnasiums das „Profilfach Radio“ ermöglicht. Mit der AG „SDG DAY“ sieht sich die UNESCO-Projektschule ebenso den UN-Nachhaltigkeitszielen verpflichtet. Schulzoo und Schulgarten sind noch in der Planung.

Das moderne Ganztageszentrum ist montags bis donnerstags von 12.15 bis 16.30 Uhr geöffnet. Kompetente Unterstützung bieten dort die drei Diplom-Sozialpädagogen Katja Reuther, Markus Voglmaier und Johannes Gregor sowie die beiden Erzieherinnen Anja Roth und Ella Cetvericova, bei persönlichen Fragen oder Schwierigkeiten auch Schulpsychologe Christof Jelko. Wer die Vorzüge der OGS – darunter der verpflichtende „Hausaufgabenunterricht“ bei einer Fachlehrkraft und die freiwillige zusätzliche Hausaufgabenbetreuung – nutzen möchte, muss von vornherein für mindestens zwei Tage der Woche im Ganztag angemeldet sein. Mit einer guten Portion Humor kommentiert Michael Hertel den „Ganztagsdschungel“: „Manchmal müssen wir unsere Pläne auch zweimal lesen, um sie genau zu verstehen.“

Gemeinschaft erfahren

Ernst wird Schulleiter Dr. Harald Schmidt, wenn er an die Heterogenität der Schülerschaft denkt. Seine Vision beschreibt er so: „Wir möchten ein großes Angebot für alle Schülerinnen und Schüler bieten.“ Zur Eliteschule des Sports gehört daher auch das Engagement für den Spitzensport von Kindern und Jugendlichen mit Beeinträchtigung ebenso wie für inklusive Projekte vielfältiger Art jenseits des Sports. „Alle profitieren vom Miteinander und entwickeln Verständnis füreinander“, betont er aus „tiefer Überzeugung“.

"Drei Schulformen unter einem Dach"
"Drei Schulformen unter einem Dach" © Stadt Nürnberg | focasfilms

Er verweist auf das Beispiel des „Kollegen Hertel“, der gemeinsam mit vier Lehrkräften jüngst 45 Schülerinnen und Schüler aus allen Schulformen unter seine Fittiche genommen hat und mit ihnen drei Wochen lang durchs landschaftlich und kulturell reiche Bayern gefahren ist – 1000 Kilometer mit dem Fahrrad, ohne Begleitfahrzeug. Diese Erfahrung – im wörtlichen Sinne von „er-fahren“ – in der Gemeinschaft nennt Schmidt „beeindruckend“. Denn viele der Schülerinnen und Schüler kamen gestärkt und mit einer gehörigen Portion Selbstvertrauen („das habe ich geschafft“) zurück. Wochen, die sich gelohnt haben.

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