Auf die Ganztagsschule gut vorbereitet: Wilhelm-Raabe-Gymnasium : Datum: Autor: Autor/in: Ralf Augsburg

Immer mehr Schulen werden Ganztagsschulen. Viele haben sich schon länger darauf vorbereitet. Heute im Interview: Thorsten Schnell, stellvertretender Schulleiter des Wilhelm-Raabe-Gymnasiums in Lüneburg.

Mit dem Schuljahr 2014/2015 ist es für viele Schulen endlich soweit: Sie können sich auf den Weg zur Ganztagsschule machen. Wir möchten wissen, wie so ein Umgestaltungsprozess in der Praxis verläuft. Was ist zu bedenken? Womit beginnen sie? Und wie überwinden sie die Anfangsschwierigkeiten? In unserer neuen Reihe „Auf die Ganztagsschule gut vorbereitet“ fragen wir Schulleitungen und Ganztagsverantwortliche nach dem Weg zur Ganztagsschule.

Online-Redaktion: Herr Schnell, was war der Anlass, das Wilhelm-Raabe-Gymnasium mit diesem Schuljahr zur offenen Ganztagsschule weiterzuentwickeln?

Thorsten Schnell: Es bestand der Wunsch bei den Eltern nach einer nachmittäglichen Betreuung. Wir als Schulleitung halten diese Schulform für zeitgemäß. Aber nicht zuletzt ist die Stadt Lüneburg als Schulträger die treibende Kraft, die sehr stark daran interessiert ist, dass alle Schulen der Stadt Ganztagsschulen werden.

Online-Redaktion: Wie haben Sie sich darauf vorbereitet?

Schnell: Es begann mit einem Ausschuss, in dem wir uns mit dem Thema Ganztagsschule, den Ideen und der Durchführung befasst haben. Auf Dienstbesprechungen, Gesamtkonferenzen und im Schulvorstand haben wir den Stand der Vorbereitungen und unsere Ideen kommuniziert, bis der Beschluss zur Einführung der Ganztagsschule dann im Schulvorstand gefällt wurde. Zwar hatte der Schulvorstand erst noch Bedenken und wollte die Einführung um ein Jahr verschieben. Der Schulausschuss der Stadt gab uns Bedenkzeit, aber wir konnten, vorbehaltlich der Entscheidung des Schulvorstandes, bereits einen Antrag ans Land stellen. Nachdem wir nochmal ordentlich im Ausschuss gearbeitet hatten, mit Schülerinnen und Schülern, Eltern und Kollegen sprachen, ging der Beschluss durch, sodass wir zum 1. August 2014 starten konnten.

Online-Redaktion: Worin bestanden die Bedenken?

Schnell: Im Kollegium bestand die Sorge, dass man noch mehr, als es an G8-Gymnasien ohnehin üblich ist, am Nachmittag unterrichten müsse. Es gab Bedenken wegen der Anrechnung von Stunden, die man im Ganztag verbringt. Im alten Erlass gab es noch die Regelung, dass Betreuungszeiten nicht vollständig angerechnet werden. Das konnten wir aber nach Regelungen mit dem Personalrat ausschließen.

Die Sportfachschaft wiederum sorgte sich, dass ihr Hallenzeiten verloren gehen und die Bedingungen damit noch schwieriger würden. Und schließlich waren Schülervertreter, aber auch Kolleginnen und Kollegen skeptisch, ob unsere Idee der Hausaufgabenbetreuung durch Schülerinnen und Schüler aus den zehnten bis zwölften Klassen funktionieren würde. Wie sich inzwischen zeigt, funktioniert das, wie erhofft, recht gut.

Online-Redaktion: Haben Sie sich von außerhalb Anregungen geholt?

Schnell: In Lüneburg arbeiteten bereits die anderen Gymnasien ganztägig, sodass wir uns dort umsehen konnten. Meine Ausschusskollegen und ich nahmen an Fortbildungen teil, um uns über die Möglichkeiten des Ganztags zu informieren. Daraufhin haben wir uns entschlossen, das Ganztagsangebot vorerst in den Jahrgängen 5 und 6 einzuführen und es dann hochwachsen zu lassen, um uns als Schule nicht zu überfordern. Noch ist unser Gebäude nicht durchweg ganztagstauglich.

Online-Redaktion: Wird sich daran in absehbarer Zeit etwas ändern?

Schnell: Ja, und wir profitieren hier vom Entgegenkommen der Stadt Lüneburg. Die Stadt, hat uns einen nicht unbeträchtlichen Geldbetrag zur Verfügung stellt, um das Ganze anzuschieben, und Umbaumaßnahmen in Aussicht gestellt. Wir sitzen in einem sehr alten Gebäude. Der Umbau wird uns in die Lage versetzen, den Schülerinnen und Schülern noch mehr Kooperationsangebote zu machen. Wir arbeiten mit Sportvereinen zusammen und bahnen gerade eine Zusammenarbeit mit dem Salzmuseum Lüneburg an. Wir wollen das AG-Angebot insgesamt ausweiten.

Online-Redaktion: Wie sieht es mit einer Mensa aus?

Schnell: Das war noch so ein Bedenkpunkt im Vorfeld: Wir verfügen zwar seit 2008 über eine Mensa, die ist aber nicht viel größer als ein normaler Klassenraum. Wenn da nun auf einmal 300 Schülerinnen und Schüler essen wollten, würde das die Kapazitäten übersteigen. Wir haben die Mittagspause um zehn Minuten auf 40 Minuten verlängert, um den Andrang wenigstens etwas zu entzerren.

Und wir haben direkt im Anschluss an die fünfte Stunde die Hausaufgabenbetreuung und Förderangebote so platziert, dass die Ganztagsschülerinnen und -schüler etwas später essen gehen können. Der Schulträger hat uns aber auch in Aussicht gestellt, dass eine größere Mensa gebaut wird. So lange müssen wir uns noch mit dieser Übergangsregelung behelfen.

Online-Redaktion: Wer kümmert sich um die Koordination des Ganztags und um die Kommunikation mit den außerschulischen Partnern?

Schnell: Das fällt in meinen Zuständigkeitsbereich als stellvertretender Schulleiter. Wir haben aber auch drei Mitarbeiterinnen eingestellt. Eine der drei kümmert sich sozusagen um die Vor-Ort-Kommunikation.

Online-Redaktion: Wenn Sie das erste halbe Jahr Revue passieren lassen: Wie ist es gelaufen?

Schnell: Wir sind positiv überrascht. Die Zahl der teilnehmenden Schülerinnen und Schüler -  im Schnitt sind es 350 in der Woche - übertrifft unsere Erwartungen. Die Angebote werden gut genutzt, sodass fast alle vorgesehenen Arbeitsgemeinschaften auch stattfinden können. Die drei neu eingestellten Mitarbeiterinnen sind mit Energie dabei und leisten richtig gute Arbeit. Auch sehr gut läuft die Hausaufgabenbetreuung durch die Schülerinnen und Schüler, mit denen wir zuvor eine Art Ausbildungswochenende durchgeführt haben. Unsere FSJ-Kraft ist dabei eine hervorragende Stütze. Sie hat gerade Abitur gemacht und ist sehr nah an den Schülerinnen und Schülern. Allerdings müssen wir noch Ihre Einbindung in den schulischen Vormittagsbetrieb verbessern.

Online-Redaktion: Was wünschen Sie sich für das neue Jahr?

Schnell: (lacht) Es wäre sehr schön, wenn dann Erlasse auch mal so rechtzeitig fertig würden, dass man im Vorfeld besser damit planen könnte. Das fänden wir schon echt super. Ansonsten würden wir uns natürlich noch mehr finanzielle Unterstützung vom Land wünschen, auch wenn ich anerkenne, dass es schon besser geworden ist. Alles in allem sind wir zufrieden.

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