Auf die Ganztagsschule gut vorbereitet: Fritz-Lutz-Grundschule : Datum: Autor: Autor/in: Ralf Augsburg

Immer mehr Schulen werden Ganztagsschulen. Heute im Interview: Gerhild Wortmann, Schulleiterin der Fritz-Lutz-Grundschule in München.

Mit dem Schuljahr 2014/2015 ist es für viele Schulen endlich soweit: Sie können sich auf den Weg zur Ganztagsschule machen. Wir möchten wissen, wie so ein Umgestaltungsprozess in der Praxis verläuft. In unserer neuen Reihe „Auf die Ganztagsschule gut vorbereitet“ fragen wir Schulleitungen und Ganztagsverantwortliche nach dem Weg zur Ganztagsschule.

In der Fritz-Lutz-Grundschule in München ist der gebundene Ganztag im Schuljahr 2014/2015 erstmals komplett bis zur vierten Klasse „hochgewachsen“. Schulleiterin Gerhild Wortmann resümiert im Interview,  was erreicht wurde und was die Schule noch beschäftigt, zum Beispiel die Einrichtung der zweiten Ganztagsklasse, die Suche nach Personal und die Eröffnung der Mensa im Frühjahr 2015.

Online-Redaktion: Frau Wortmann, Sie haben mit Einführung der Ganztagsschule vor vier Jahren sofort eine gebundene Ganztagsklasse eingerichtet. Warum nicht die offene Form?

Gerhild Wortmann: Viele unserer Eltern haben damals verzweifelt nach einer Nachmittagsbetreuung gesucht. Ich habe immer wieder versucht, für die Kinder dieser Eltern irgendwo einen Hortplatz oder eine andere Möglichkeit der Betreuung aufzutreiben. Das war sehr aufwendig und letztlich unbefriedigend, weil ich manchen einfach nicht helfen konnte. Es führte auch zu absurden Folgen: Einige Eltern schlossen sich zusammen und organisierten privat ihre eigene Betreuung am Nachmittag, was natürlich kostspielig war.

Als das Referat für Bildung und Sport der Stadt München uns dann das Angebot unterbreitete, uns als Ganztagsschule zu bewerben und einen Ganztagszug zu eröffnen, habe ich gleich zugegriffen. Damit einher ging die Beantragung einer Mensa, die nun vor ihrer Eröffnung im Frühjahr 2015 steht.

Online-Redaktion: Wie haben Sie bisher das Mittagessen organisiert?

Wortmann: Die Schülerinnen und Schüler gehen in eine nahe gelegene Gastwirtschaft, was ganz gut funktioniert, aber natürlich nicht ideal ist.

Online-Redaktion: Waren Sie sich mit Ihrem Kollegium über die Einführung eines Ganztagszugs schnell einig?

Wortmann: Die Diskussionen verliefen sehr zäh. Die Akzeptanz im Kollegium war erstmal nicht besonders hoch. Es gab Ängste, was an zusätzlichem Arbeitsumfang auf die Kolleginnen und Kollegen zukommen würde. Ich habe dann aber eine Kollegin gefunden, die den ersten Ganztagszug übernommen und das ganz toll gemeistert hat.

Online-Redaktion: Ist die Sorge, dass Ganztag eine Mehrbelastung bedeutet, berechtigt?

Wortmann: Am Anfang ist es auf jeden Fall stressiger. Ich habe aber beobachten können, dass die Kolleginnen das immer mehr annehmen und gut finden. Das Stundendeputat von 28 Stunden verändert sich ja nicht, nur der Arbeitsrhythmus wird ein anderer. Nun kommt man manchmal später und bleibt länger.

Online-Redaktion: Gibt es über den Tag feste Bezugspersonen für die Schülerinnen und Schüler?

Wortmann: Eine Lehrerin arbeitet fest in der Ganztagsklasse und wird durch eine Kollegin unterstützt, was durch die zusätzlichen zwölf Lehrerwochenstunden aus dem Ganztagsschuldeputat des Landes ermöglicht wird. In den Lernzeiten fiel uns auf, dass manche Schülerinnen und Schüler die Aufgaben nicht alleine bewältigen konnten, sondern eine persönliche Zuwendung benötigten. Wir haben deshalb für Mitarbeiterinnen, die die Kinder in der Mittagszeit betreuen, die Arbeitsverträge etwas verändert. Nun können sie vor oder nach der Mittagspause im Unterricht die Lehrerinnen unterstützen und differenziert mit den Schülerinnen und Schülern üben.

Dazu kommen dann noch wechselnde Kooperationspartner, mit denen wir teilweise schon in der Zeit vor der Ganztagsschule zusammengearbeitet haben. Aus diesen Ressourcen haben wir geschöpft: Es gibt beispielsweise ein künstlerisches Projekt „Die Schule der Phantasie“, Tanz, Musik, Taekwondo oder Yoga. Letzteres müssen wir bis zur Eröffnung der Mensa wegen der Raumnot momentan allerdings leider aussetzen. Die Angebote verteilen wir über den ganzen Tag, damit die Kinder nicht zu lange am Stück stillsitzen und lernen müssen.

Online-Redaktion: In einer gebundenen Ganztagsklasse sollten die Kinder eigentlich ohne Hausaufgaben nach Hause gehen. Wie sieht das an Ihrer Schule aus?

Wortmann: Wir haben zu Beginn sehr viele Elternabende zu diesem Thema abgehalten und die Bedürfnisse der Eltern wahrgenommen. Und viele haben den Wunsch geäußert, zu sehen, was ihre Kinder in der Schule machen. Wir haben also den Kompromiss geschlossen, an manchen Wochenenden den Schülerinnen und Schülern Aufgaben mitzugeben, damit die Eltern nachvollziehen können, was ihre Kinder gerade lernen.

Online-Redaktion: Wie hat sich der Zuspruch zur Ganztagsschule in den vergangenen vier Jahren entwickelt?

Wortmann: Er wächst. In diesem Jahr richten wir erstmals zwei Ganztagsklassen in der ersten Jahrgangsstufe ein. Von unseren 340 Schülerinnen und Schüler besuchen derzeit 115 die Ganztagsschule. Dadurch dass wir in einem Neubaugebiet liegen, steigen unsere Schülerzahlen sowieso unentwegt. Aber es spricht sich eben auch herum, dass unsere Ganztagsklasse ein gutes Modell ist – und so steigt die Nachfrage der Eltern gerade hier. Das führt im Übrigen dazu, dass wir im kommenden Schuljahr einen Container mit sechs weiteren Klassenzimmern erhalten, um unsere Raumnot zu mindern...

Online-Redaktion: An welchen Stellen hakt es noch?

Wortmann: Wegen der ungünstigen Arbeitszeiten um die Mittagszeit herrscht bei uns eine große Personalfluktuation. Es ist sehr schwierig, Betreuungspersonal zu gewinnen. Jedes Jahr muss ich aufs Neue versuchen, Leute zu finden, die auch qualifiziert genug sind, und Einstellungsgespräche führen. Ich weiß mir da noch keine Lösung. An der Stelle fühlen wir uns als Schule etwas allein gelassen.

Online-Redaktion: Läuft die Koordinierung des Ganztagspersonals auch über Sie als Schulleitung?

Wortmann: Nein, nachdem wir im ersten Jahr einen Verein „Gesellschaft macht Schule“ als festen Kooperationspartner hatten, kümmert sich inzwischen unser neu gegründeter Förderverein mit sehr engagierten Müttern und Vätern um die Bezahlung des Mittagessens und vorrangig auch um das außerschulische Personal. Ich muss ehrlich sagen, dass ohne diesen Förderverein die Arbeit für mich wahrscheinlich nicht zu schaffen wäre. Das ist eine gute Sache, auch wenn ein Förderverein bei einer so großen finanziellen Verantwortung nicht gerade die Ideallösung darstellt.

Online-Redaktion: Worauf sind Sie besonders stolz?

Wortmann: Mich freut, dass hier alle Kinder einen Platz erhalten. Bei den Eltern ist so eine spürbare Entspannung eingetreten. Ich sehe auch eine gute Entwicklung bei unseren Schülerinnen und Schülern, die sich bei uns zu Hause fühlen. Und besonders freut mich, dass wir viele gut fördern können.

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