Auf den Ganztag gut vorbereitet: Gymnasium Ernestinum Celle : Datum: Autor: Autor/in: Stephan Lüke

Immer mehr Schulen werden Ganztagsschulen. Sie haben sich meist schon lange darauf vorbereitet. In unserer Sommerreihe heute: Gymnasium Ernestinum Celle.

Gymnasium Ernestinum
Schulhof mit Mensa © Gymnasium Ernestinum

Im Schuljahr 2015/2016 ist es für viele Schulen endlich soweit: Sie können sich auf den Weg zur Ganztagsschule machen. Wir möchten wissen, wie so ein Umgestaltungsprozess in der Praxis verläuft. Was ist zu bedenken? Womit beginnen sie? Und wie überwinden sie Anfangsschwierigkeiten? In unserer Sommerreihe „Auf den Ganztag gut vorbereitet“ fragen wir Schulleitungen nach ihren Erfahrungen.

Online-Redaktion: Herr Habekost, was hat Sie und Ihr Kollegium bewogen, am Ernestinum den Ganztag einzuführen, und von wem ging die Initiative aus?

Johannes Habekost: Als ich im Sommer 2013 Schulleiter am Ernestinum wurde, habe ich mir die Schullandschaft in der Stadt und im Landkreis Celle angeschaut. Im Herbst 2013 haben wir dann im Kollegium besprochen, ob wir die Chancen einer Weiterentwicklung unseres Gymnasiums zur Offenen Ganztagsschule nutzen wollten. Unser zuständiger Dezernent hat uns dazu ermutigt.

Wir hatten schon damals ein vielfältiges und umfangreiches AG-Angebot. Orchester, Chöre und Theater-AG, aber auch „Jugend forscht", mehrere zusätzliche Fremdsprachen und Sprachdiplome, Schulsanitäter und zahlreiche Sport-AGs gehörten traditionell zu unserem Schulleben. Sie machen das Profil der Schule aus, als Teil des kulturellen Lebens in der Region. Mit der Anerkennung als Offene Ganztagsschule bekamen wir für diese oft ohne Stundenanrechnung geleistete Arbeit endlich die offizielle Anerkennung und die nötigen Ressourcen.

Online-Redaktion: Hat das auch das Kollegium überzeugt?

Habekost: Kollegium, Eltern und Schülervertretung haben im Herbst 2014 in der Gesamtkonferenz und im Schulvorstand einmütig für die Antragstellung bei der Landeschulbehörde gestimmt. Einerseits hatte uns die Neufassung des Ganztagsschulerlasses überzeugt. Andererseits befürchteten wir aber auch, dass ansonsten unser bisheriges AG-Angebot gefährdet sein könnte, wenn zum Beispiel Planstellen nicht wiederbesetzt werden. Hinzu kam, dass die meisten Grundschulen, deren Schülerinnen und Schüler ans Ernestinum wechseln, bereits Ganztagsschulen sind. Folglich erwarten die Eltern, dass auch wir ein Ganztagsangebot mit einer verlässlichen Hausaufgabenbetreuung anbieten.

Online-Redaktion: Was gab den Ausschlag für den offenen Ganztag statt des gebundenen Modells?

Gymnasium Ernestinum
Sportanlage © Gymnasium Ernestinum

Habekost: Wir haben am Ernestinum eine sehr vielfältige Schülerschaft. In der Stadt und im Landkreis Celle gibt es ein sehr großes Freizeit- und Kulturangebot mit einer Kreismusikschule, freien Musikschulen, dem Schlosstheater für Jugendliche, Jungendzentren mit Kursangeboten, Sportvereinen, Jugendfeuerwehren und anderes mehr. Viele Schülerinnen und Schüler und auch die Elternvertreter wünschen sich, dass der Pflichtunterricht nach der 6. Stunde in der Regel abgeschlossen sein sollte, sodass außerschulische Angebote wie Vereins- und Leistungssport oder privater Instrumentalunterricht weiter problemlos genutzt werden können.

Hinzu kommen die langen Busfahrtzeiten zwischen unserem Gymnasium und den zum Teil schlecht angebundenen Wohnorten im weiteren Umland. Die Eltern legen Wert darauf, dass ihren Kindern genügend unverplante Freizeit bleibt. Wir halten die offene Ganztagsschule für das am besten zu uns passende Modell und wollen es auf absehbare Zeit erstmal so beibehalten.

Online-Redaktion: Wie wird der Ganztag Ihre Schule verändern?

Habekost: Unsere rund 730 Schülerinnen und Schüler nutzen die AG-Angebote schon jetzt sehr stark. Insofern wird sich der Schulalltag oberflächlich betrachtet nicht grundlegend verändern. Dank der verbesserten Ressourcen wird es uns ab jetzt aber leichter fallen, Kolleginnen und Kollegen, die eine AG anbieten möchten, diesen Wunsch auch mit Stundenanrechnung zu erfüllen. Vorausgesetzt der Pflichtunterricht kann hinreichend gesichert werden. Mit der Kapitalisierung von Lehrerstunden für Ganztagsangebote können wir nun auch bisher ehrenamtliche AG-Angebote vergüten und damit absichern.

Online-Redaktion: Welche neuen Angebote werden Sie unterbreiten?

Habekost: Neu ist vor allem die verlässliche Hausaufgabenbetreuung, schwerpunktmäßig für die Klassen 5 und 6. Bei den Anmeldungen der neuen fünften Klassen zeigt sich hier eine hohe Nachfrage der Eltern. Ein neues Angebot ist auch die Arbeitsgemeinschaft „Kochen und gesunde Ernährung", die wir in Kooperation mit dem Niedersächsischen Landfrauenverband anbieten. Weitere Kooperationsangebote werden wir in den nächsten Wochen noch ausarbeiten. Sie können dann auch in den ersten Schulwochen des neuen Schuljahres starten.

Online-Redaktion: Wissen Sie schon, wie viele Ihrer Schülerinnen und Schüler das OGS-Angebot nutzen werden?

Habekost: Die genauen Zahlen werden erst rund zwei Wochen nach Start des neuen Schuljahres vorliegen, wenn die Schülerinnen und Schüler ihre Auswahl getroffen haben. Sie müssen sich fest für bestimmte Angebote entscheiden. Nach den Anmeldungen der neuen Fünftklässler und nach dem bisher üblichen Anwahlverhalten gehen wir davon aus, dass 60 Prozent der Schülerinnen und Schüler in den Klassen 5 bis 10 unsere Ganztagsangebote nutzen werden.

Online-Redaktion: Neben der Hausaufgabenbetreuung sehen Sie auch Förderangebote in Kernfächern und Deutsch als Zweitsprache vor. Besteht die Gefahr, dass Schülerinnen und Schüler, die nicht im Ganztag sind, weniger gefördert werden?

Habekost: Die Gefahr sehe ich nicht, denn wir bemühen uns schon bei der Stundenplangestaltung darum, dass gerade die Förderangebote wirklich für alle, die Bedarf haben, zugänglich sind. Wir beraten auch die betreffenden Schülerinnen und Schüler und auch die Eltern sehr gezielt, dass die Förderangebote genutzt werden sollten.

Online-Redaktion: Im Beschluss der Gesamtkonferenz heißt es, dass die Lehrerinnen und Lehrer, die Interesse bekunden, im Ganztag mitarbeiten können. Wie viele werden es sein?

Habekost: Von unseren rund 60 Stammlehrkräften bieten 25 Kolleginnen und Kollegen Arbeitsgemeinschaften oder Förderunterricht an.

Online-Redaktion: Wie sieht es mit den räumlichen Verhältnisse der Schule aus? Genügen sie den Ansprüchen einer Offenen Ganztagsschule?

Gymnasium Ernestinum
Mensa © Gymnasium Ernestinum

Habekost: Seit dem Jahr 2011 steht dem Ernestinum ein neues, attraktives Mensagebäude zur Verfügung. Das Essen wird vom Allgemeinen Krankenhaus in Celle täglich frisch gekocht. Es gibt täglich drei verschiedene Essen und eine reichhaltiges Büffet in der Mensa.

Uns fehlen allerdings noch Räume für Differenzierungsmaßnahmen parallel zum Pflichtunterricht und auch Räume für einen Freizeitbereich. In unserem Schulzentrum sind die IGS und die Oberschule untergebracht, die als gebundene Ganztagsschulen arbeiten. Das schafft zunehmenden Druck auf unsere Mensa- und Sporthallen-Zeiten, das Theater- und Konzert-Forum und die Unterrichtsräume. Unsere Arbeitsgemeinschaften und Förderangebote finden deshalb meistens in normalen Klassenräumen statt.

Online-Redaktion: Welche Aufgaben müssen Sie und Ihr Kollegium jetzt in den Ferien noch bewältigen, um einen gelingenden Start der Ganztagsschule zu sichern?

Habekost: In den letzten Ferienwochen muss noch das AG-Wahlverfahren für die erste Schulwoche vorbereitet werden. In der zweiten Schulwoche werden wir dann die Teilnehmerzahlen auswerten und die verbindlichen AG-Listen erstellen. Wichtig sind natürlich die Arbeitsverträge mit den externen Kooperationspartnern, die AGs anbieten werden. Voraussetzung dafür, dass Lehrerinnen und Lehrer AGs anbieten können, ist die entsprechende Unterrichtsverteilung für den Pflichtunterricht. Die werden wir abschließen, wenn gegen Ende der Ferien alle Planstellen besetzt sind.

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