Auf den Ganztag gut vorbereitet: Grundschule Godshorn : Datum: Autor: Autor/in: Stephan Lüke

Immer mehr Schulen werden Ganztagsschulen. Viele von ihnen haben sich lange darauf vorbereitet, und die Wege sind höchst unterschiedlich. Die Grundschule Godshorn in Langenhagen bietet offene und gebundene Ganztagklassen an.

Im Schuljahr 2015/2016 war es für viele Schulen endlich soweit: Sie konnten sich auf den Weg zur Ganztagsschule machen. Wir möchten wissen, wie so ein Umgestaltungsprozess in der Praxis verläuft. Was ist zu bedenken? Wie überwinden sie Anfangsschwierigkeiten? In der Reihe „Auf den Ganztag gut vorbereitet“ fragen wir Schulleitungen nach ihren Erfahrungen.

Loris Malaguzzi hätte seine liebe Freude. Schließlich hob der norditalienische Erziehungswissenschaftler schon früh die Bedeutung des Raums für das Lernen hervor. Die Grundschule Godshorn wäre so ein Ort, der den Vorstellungen des Pädagogen nahe käme. Helle, lichtdurchflutete Räume, große Fenster, breite Flure, lichte Klassen- und Arbeitsräume kennzeichnen diese Schule im niedersächsischen Langenhagen. Doch in die Schlagzeilen kommt und kam die Einrichtung so richtig, seit sie die Einführung des Ganztags zum Schuljahr 2015/16  beschloss und umsetzte. Das Besondere: Die Klassen eins und zwei laufen als offener, die Jahrgangsstufen drei und vier als teilgebundener Ganztag. 

Bedenken ernst nehmen, Kompromisse schließen

Andrea Kunkel leitet die Schule, die derzeit von 250 Schülerinnen und Schülern besucht wird. Sie erinnert sich gut an den Moment als bekannt wurde, dass Langenhagen an allen seinen Grundschulen den Ganztag etablieren wolle. „Wir haben uns im Kollegium beraten und überlegt, was wir uns vorstellen könnten. Und kamen schnell zu dem Ergebnis: Ein ausschließlich offenes Modell wollen wir nicht“, sagt sie. 

Schüler bei der Freizeitaktivität
© Grundschule Godshorn

Sie liefert die Begründung: „Ganztag benötigt die Rhythmisierung des Unterrichts. Und das geht im offenen Modell eben nicht.“ Warum dann aber die Zweiteilung zwischen den jüngeren und älteren Jahrgangsstufen? Andrea Kunkel macht bei ihrer Antwort keinen Hehl aus ihrem Wunsch und Ziel, eines Tages vielleicht doch alle Altersgruppen im teilgebundenen Ganztag begrüßen zu können. „Doch noch waren die Sorgen von Eltern, aber auch des Kollegiums zu groß, dass die Erst- und Zweitklässler mit dem weiterführenden Modell noch überfordert sein könnten“, berichtet die Schulleiterin. Sie umschreibt damit einen aus ihrer Sicht ganz wichtigen Aspekt bei der Abkehr von der Halbtagsschule: „Wer sich auf diesen Weg macht, muss bereit sein, Bedenken ernst zu nehmen, zu überzeugen oder aber Kompromisse einzugehen. Sonst funktioniert das nicht.“

Stetig steigende Sicherheit und Orientierung

Für diese Einstellung erhält sie von den Eltern nicht nur Zustimmung, sondern ausdrücklich Anerkennung. „Als Eltern müssen wir vor ihr den Hut ziehen. Egal mit welchen Sorgen und Anregungen wir kommen, für alles gibt es ein offenes Ohr. Alles, was wir ansprechen, wird in irgendeiner Form umgesetzt, und wir werden über die Entwicklung auf dem Laufenden gehalten“, lobt die Elternratsvorsitzende Sabine Hanisch. 

Die Mutter des heutigen Drittklässlers Elian gehörte neben anderen Eltern, Lehrkräften und pädagogischen Mitarbeitern der Arbeitsgruppe an, die vor mehr als zwei Jahren begann, die Weichen für die Einführung des Ganztags zu stellen. Auch an diese Zeit erinnert sich Sabine Hanisch gerne: „Es herrschte eine Aufbruchstimmung. In den Prozess waren wir von Anfang an eingebunden, wurden gefragt und gehört.“ In ihm gab es aber auch durchaus kritische Stimmen. „Manche Eltern äußerten die Sorge, dass ihr Kind in so einer Schule untergeht, sich nicht zurechtfindet,  ja, dass der Nestcharakter mit zuverlässigen Bezugspersonen und klarer Überwachung verloren gehen könne“, schildert sie die Startphase. 

Die Befürchtungen hielten sich einige Wochen, in denen die Kinder mitunter überfordert waren, sich an den Tagesablauf zu gewöhnen. „Werden wir zum Essen abgeholt? Wo muss ich jetzt hin?“, rätselten sie zunächst. Doch das legte sich schnell. Von Tag zu Tag stieg ihre Sicherheit, gelang die Orientierung im Tagesablauf. Zumal die Schule stets bereit sei, nachzubessern und nachzusteuern. Etwa indem sie zentral eine Informationstafel installierte, auf der Schülerinnen und Schüler, aber auch Eltern nachlesen können, in welchem Raum etwa die Arbeitsgemeinschaft stattfindet, für die sich ihr Kind entschieden hat.

Es geht um mehr als Unterrichtsinhalte

Doch im Kern ist es genau eine dieser Fragen, die Andrea Kunkel und Kollegium, dem immerhin ein Mann angehört, umtreibt: „Wieviel Freiheit und wieviel Struktur benötigen Kinder dieses Alters im Ganztag?“ Auch die Antwort hierauf ist eine Art Kompromiss. Einerseits betont Andrea Kunkel: „Gerade die Jüngsten benötigen eine kleinschrittige Organisationsform.“    

Schüler machen Stockbrot
© Grundschule Godshorn

Die meisten „Älteren“ hingegen genießen inzwischen den ihnen zugestandenen Freiraum, beispielsweise, wenn sie in ihrer 90-minütigen Mittagspause ohne Anleitung und Anweisung entscheiden können, wie sie ihre Zeit nutzen. Neben dem obligatorischen Essen bleibt viel Raum zum Toben und Spielen im Freigelände, für den Besuch der Bibliothek oder zum Entspannen im Ruheraum. 

Oder Zeit für Soziales. Wie es sich etwa um die Gruppe von Viertklässlerinnen entwickelt hat, die sich entschieden haben, in der provisorischen Kantine (eine neue soll im Sommer fertig sein) „Aufsicht“ zu führen. Unterstützt wurde das Vorhaben von der Näh-AG. Sie gestaltete für die Mädchen passende Schürzen. Genau das ist es, was Andrea Kunkel wichtig ist: „Der Ganztag an unserer Schule soll auch dazu beitragen, mehr als nur Stoff zu vermitteln. Es geht um soziales Miteinander, Werte und Gemeinschaft.“

Das Rad nicht neu erfinden

Fragt man die engagierte Schulleiterin, worauf Schulen, die sich auf den Weg zum Ganztag machen wollten, achten sollten, fallen ihr spontan zwei Aspekte ein. Erstens: Niemand müsse das Rad neu erfinden. Stattdessen solle man sich an den Erfahrungen anderer Schulen orientieren. Elternratsvorsitzende Sabine Hanisch nickt zustimmend: „Das hat uns als Arbeits- und Steuergruppe sehr viel gebracht.“ 

Zweitens: „Unser Prozess war und ist auch davon bestimmt, für uns als Team eine hohe Arbeitszufriedenheit anzustreben“, versichert Kunkel. Untrennbar damit verbunden sind die Lehrerarbeitszeiten. Alle Pädagoginnen unterrichten nachmittags, bieten Arbeitsgemeinschaften an oder sind in den Förderstunden und der Hausaufgabenbetreuung eingesetzt. Dabei wird auf einen „frauenadäquaten und familienfreundlichen“ Arbeitsplan geachtet. Sonderwünsche werden wenn eben möglich berücksichtigt, schließlich ist das Team jung (Durchschnittsalter etwa 40 Jahre) und kinderreich.  

40 zusätzliche Lehrerstunden beschert der so genannte Ganztagszuschlag, und „damit kann man eine ganze Menge machen und auch auf Wünsche eingehen“. Zur Arbeitszufriedenheit beigetragen hat zudem eine Lehrerteambildung. Die Teams agieren anders als früher nur noch in maximal zwei Jahrgängen. Die Schulleiterin ist überzeugt: „Dadurch entsteht das notwendige Zeitfenster für Teamarbeit, die Kolleginnen sprechen sich enger ab, profitieren von der Arbeit der anderen, die Solidarität steigt.“ Die positiven Rückmeldungen ihrer Kolleginnen zur Teamentwicklung nach knapp sechs Monaten Ganztag bestätigt ihre Einschätzung.

Kooperationen behutsam aufbauen

Entspannt sollten Schulen auf dem Weg zum Ganztag auch die Kooperation mit außerschulischen Partnern angehen. Rät jedenfalls Andrea Kunkel. „Kooperationen sind wichtig. Doch nach unserer Erfahrung ist es hilfreich, Arbeitsgemeinschaften und Ähnliches zunächst einmal mit Bordmitteln zu stemmen. Im Aufbau solcher Partnerschaften steckt sehr viel zusätzliche Arbeit. Dafür hat man in der Startphase meistens nicht genug Zeit.“ Und sie unterstreicht: „Dauerhaft aber sollte eine Schule eng im Ort vernetzt und verzahnt sein.“ 

Die Lehrerinnen der Grundschule Godshorn
© Grundschule Godshorn

Dennoch existieren bereits wertvolle Bünde. Eng kooperiert die Grundschule mit den Horten, die die Kinder bislang nachmittags betreuten. Fast schon Tradition ist das Angebot der evangelischen Kirche „Zum guten Hirten“. Sie bietet den pädagogischen Mittagstisch „Satt und schlau“ an. Eine Diakonin und ehrenamtliche Helferinnen laden die Erst- und Zweitklässler täglich, die Älteren an den kurzen Schultagen Montag, Dienstag und Freitag zur warmen Mahlzeit und zur Hausaufgabenbetreuung ein. 

Ein Wandel mit „Korrekturen im Laufen“

Apropos Hausaufgaben: Stärker als früher besteht die Möglichkeit, sie in der Schule zu erledigen. „Ein echter Lernprozess auch für die Eltern“, räumt Elternratsvorsitzende Sabine Hanisch ein. Man sei es schließlich gewöhnt gewesen, die Hand immer drauf zu halten. „Inzwischen aber wurde uns verständlich gemacht, dass wir die Kommunikation über die Hausaufgaben, richtige und falsche Lösungen oder auch Gestaltung, Schrift und Ordnung den Lehrerinnen überlassen können und sollen“, berichtet sie. 

Sie benennt einen Vorteil: „Wenn wir als Eltern früher zuhause mit den Kindern gearbeitet, sie aufgefordert haben, etwas zu korrigieren oder neu und sauber zu schreiben, bekamen die Pädagoginnen doch gar nicht mit, was das Kind verstanden hat und was nicht oder wo noch Verbesserungen in Schrift und Form erforderlich sind.“ Doch auch dieser Lernprozess gehört zum Wandlungsprozess der Schule, die „noch längst nicht am Ende ihrer Entwicklung ist“, wie Schulleiterin Kunkel bilanziert, und dabei „Korrekturen im Laufen vornimmt“, so die Elternvertreterin Sabine Hanisch. 

Alle Artikel und Interviews unserer Reihe „Auf den Ganztag gut vorbereitet“ finden Sie unter Schulporträts

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