Auf den Ganztag gut vorbereitet: Wippertus-Grundschule Kölleda : Datum: Autor: Autor/in: Ralf Augsburg

Immer mehr Schulen werden Ganztagsschulen. In unserer Sommerreihe heute: die Wippertus-Grundschule in Kölleda.

Im Schuljahr 2015/2016 ist es für viele Schulen endlich soweit: Sie können sich auf den Weg zur Ganztagsschule machen. Wir möchten wissen, wie so ein Umgestaltungsprozess in der Praxis verläuft. Was ist zu bedenken? Womit beginnen sie? Und wie überwinden sie die Anfangsschwierigkeiten? In unserer Sommerreihe „Auf den Ganztag gut vorbereitet“ fragen wir Schulleitungen nach ihren Erfahrungen.

Online-Redaktion: Frau Goerke, was hat Sie in den letzten Wochen vor den Schulferien besonders in Beschlag genommen?

Carola Goerke: In unserer Schule stehen Bauarbeiten an. Wir haben hier ein altehrwürdiges, über 130 Jahre altes Backsteingebäude, und es werden das Sockel- und das Dachgeschoss saniert und Brandschutzmaßnahmen ergriffen. Da hatte ich ganz viele Besprechungen, musste mich also mehr um Logistisches als um Pädagogisches kümmern.

Online-Redaktion: Stehen diese Bauarbeiten im Zusammenhang mit der Einführung der Ganztagsschule im kommenden Schuljahr?

Goerke: Die Arbeiten wären auch so fällig gewesen, haben aber trotzdem auch mit der Ganztagsschule zu tun. Hier in Thüringen gehört laut Schulgesetz der Hort zur Schule. Der Hort befindet sich bei uns zwar auf dem Gelände, aber noch in einem separaten Gebäude, das inzwischen mächtig in die Jahre gekommen ist. Es lohnt keine Sanierung, daher wird es abgerissen. So muss in unserem Haus Platz geschaffen werden für die Nachmittagsbetreuung.

Online-Redaktion: Worin liegt für Sie der Unterschied zwischen dem jetzigen Hort und der im Herbst startenden offenen Ganztagsschule?

Goerke: Die offene Ganztagsschule ist für mich mehr als Grundschule plus Hort. Die Zusammenarbeit der Lehrkräfte mit den Erzieherinnen und Erziehern, insgesamt die Verzahnung unserer Arbeit wird enger werden. Die Horterzieherinnen und -erzieher wollen wir noch enger in die Teamarbeit einbeziehen. Die Erzieherinnen und Erzieher arbeiten nach dem Thüringer Bildungsplan, der mit dem Lehrplan konform geht. Da setzen sie sich mit den Lehrerinnen und Lehrern zusammen, um ihre Angebote am Nachmittag thematisch passend zum Unterricht zu gestalten – und ich erhoffe mir, dass das noch besser funktioniert, wenn wir dann alle in einem Haus sitzen.

Online-Redaktion: Haben Sie sich an anderen Schulen Anregungen geholt, wie so ein Prozess gut gelingen kann?

Goerke: Ich bin immer im Gespräch mit meinen Schulleiterkolleginnen und -kollegen aus der Region, wo ich das Eine oder Andere von denen abschaue. Warum soll man das Rad immer noch mal neu erfinden?

Online-Redaktion: Mit welchen Schülerzahlen können Sie planen?

Goerke: Im kommenden Schuljahr haben wir 202 Schülerinnen und Schüler, von denen 197 Kinder zur offenen Ganztagsschule angemeldet sind. 18 davon sind bis zu zehn Stunden angemeldet, alle anderen werden länger als zehn Stunden hier sein.

Online-Redaktion: Müssen Sie zum Start der Ganztagsschule auch organisatorische Änderungen vornehmen?

Goerke: Zum Glück wenige. Das Thüringer Schulgesetz schreibt für die offene Ganztagsschule eine Mittagsbetreuung vor, die es bei uns bereits gibt. Unsere Hortkolleginnen und -kollegen arbeiten teilweise schon im Vormittagsunterricht. Ich kann in der Woche 20 Erzieherstunden verteilen, das heißt, die Erzieherinnen und Erzieher sind dann in Zweitbetreuung in den Klassen eingesetzt. So weiß der Erzieher immer, was in seiner Klasse passiert und was im Unterricht läuft. An unserer Schule arbeiten wir mit dem Lotusplan, mit dem über einen festgelegten Zeitraum ein spezielles Thema fächerübergreifend behandelt wird.

Online-Redaktion: Wie strukturieren Sie den Schultag?

Goerke: Unsere Schule ist von 6 bis 17 Uhr geöffnet. Der Frühdienst geht bis 7.30 Uhr. Um 7.45 Uhr startet der Unterricht, der bis 12.15 Uhr dauert. Dann folgt das Mittagessen. Wir erhalten das Essen von einem regionalen Anbieter, den wir vor fünf Jahren gemeinsam mit den Eltern ausgesucht haben. Pro Tag geben wir 150 Essen aus. Uns war es wichtig, dass das Essen nicht von „Wer weiß woher“ angekarrt werden muss und dass die Angebote mit saisonalen Lebensmitteln zubereitet werden. Zwei Essen stehen dabei zur Auswahl, die einen Monat vorher bestellt werden. Die Abrechnung läuft über den Essensanbieter.

Online-Redaktion: Sind Sie mit dem Essen zufrieden?

Goerke: Sehr, zumal uns der Anbieter auch anderweitig unterstützt. Wenn wir zum Beispiel Projekte wie „Das gesunde Frühstück“ machen, für die wir Lebensmittel benötigen, dann reicht ein Anruf. Die stellen auch selbst Milch, Quark und Käse her. Deshalb gibt es bei uns zum Nachtisch auch kein Fertigzeugs, sondern selbst gekochte Puddings und Götterspeise. Für die Kinder war das am Anfang gewöhnungsbedürftig, weil es nicht so süß ist, aber sie haben sich daran gewöhnt.

Online-Redaktion: Was steht am Nachmittag an?

Goerke: Wenn das Wetter es zulässt, sind die Kinder draußen. Dann folgen die Hausaufgabenzeit und die AG-Angebote, die von den Lehrkräften und Horterziehern gestaltet werden. Aber wir haben auch Honorarkräfte. So haben wir jemanden, der mit unseren Kindern Schach spielt, eine Ergotherapeutin, die eine Rückenschule anbietet, und einen Tischler, der eine Holzwerkstatt organisiert. Unsere Kolleginnen und Kollegen leiten unsere Laienspielgruppe, die Kunst-AG und unsere große Chor-AG mit 40 Sängerinnen und Sängern. Wir sind kürzlich auch musikalische Grundschule geworden. Dazu kommen Kooperationen mit Vereinen. Hier in Kölleda ist Ringen ganz groß, sodass viele der Schülerinnen und Schüler zum Ringen gehen, aber natürlich auch zum Fußball. Die Initiative ALIBABA veranstaltet einmal die Woche ein Schülercafé. Dabei hilft uns, dass wir eine wunderbare Schülerküche besitzen, die wir gewonnen haben.

Online-Redaktion: Sie haben eine Schulküche gewonnen? Wie das?

Goerke: Wir hatten uns mit einem Konzept bei dem Wettbewerb „Küchen für Deutschlands Schulen“ beworben. Da gerade in einem Nebengebäude Räume umgebaut wurden, ergriffen wir in Absprache mit unserem Landratsamt die Chance beim Schopf und haben tatsächlich gewonnen. Der Koch Tim Mälzer, der den Wettbewerb unterstützt, hat uns besucht und mit unseren Kindern gekocht. Das war toll!

Online-Redaktion: Ein wichtiger Teil der Ganztagsschule ist ja die Hausaufgabenbetreuung. Wie ist diese organisiert?

Goerke: Die Eltern legen auch einen besonderen Wert auf die Hausaufgabenzeit. Bei uns ist jeder Klasse ein Erzieher beziehungsweise eine Erzieherin zugeordnet. Die führen die Hausaufgabenbetreuung durch – in der Schulklasse, denn dort haben die Schülerinnen und Schüler ja auch ihr Material. Hausaufgaben werden bei uns individuell auf jedes Kind abgestimmt. Festgelegt ist, dass die Hausaufgabenzeit keine Nachhilfezeit ist und die Horterzieher keine Nachhilfelehrer sind. Wenn Schülerinnen und Schüler ihre Aufgaben nicht in den 45 Minuten schaffen – sei es, weil sie trödeln oder weil sie den Stoff wirklich nicht verstanden haben –, erhalten die entsprechenden Lehrkräfte eine Rückmeldung, sodass sie darauf eingehen können.

In welcher Form die Rückmeldung erfolgt, ob jetzt im persönlichen Gespräch, per Pendelheft oder mit einem Zettelchen auf dem Schreibtisch, entscheiden die Kolleginnen und Kollegen selbst. Für Kinder, die früher mit ihren Aufgaben fertig werden, gibt es Materialien mit zusätzlichen Aufgaben oder Aktivitäten, mit denen sie sich dann beschäftigen können. Mittwochs gibt es keine Hausaufgabenbetreuung, denn der Hort soll einen Tag haben, an dem er größere Feste und Projekte veranstalten kann. Wir wollen die Eltern aber nicht ganz aus der Pflicht erlassen, daher gibt es freitags Aufgaben, die auch wirklich zu Hause zu erledigen sind.

Online-Redaktion: Jetzt sind erst einmal Ferien. Bieten Sie auch eine Ferienbetreuung an?

Goerke: Ab dem 3. August starten unsere dreiwöchigen Ferienspiele, die sich in diesem Jahr um das Thema Mittelalter drehen. Unsere Erzieherinnen und Erzieher haben sich eine Menge einfallen lassen, so dass sicher auch das ein oder andere Kind kommen wird, dass sonst nicht im Hort angemeldet ist.

* Der Lotusplan ist ein Planungsinstrument aus der Portfolioarbeit. Der Begriff ist vom Aufbau einer Lotusblüte abgeleitet: Neun Blütenkelche haben jeweils acht Blütenblätter. Die Planung beginnt mit der Festlegung eines Oberthemas, das Ausgangspunkt für alle weiteren Unterthemen ist. Zu den Unterthemen werden wiederum konkrete Ziele, Inhalte, Materialien und Methoden festgelegt. Je nach Oberthema können verschiedene Unterrichtsfächer einbezogen werden. Die Methode wird für die Umsetzung des Thüringer Bildungsplans empfohlen.

Motto der Wippertus-Grundschule „Wo man sich wohlfühlt, lernt man gut!“

Die Wippertus-Grundschule gibt es seit 1993/1994. Zum Kollegium gehören 12 Lehrerinnen und Lehrer, 10 Erzieherinnen und Erzieher, eine Sonderpädagogin, eine sonderpädagogische Fachkraft, eine Integrationshelferin, Hausmeister, Sachbearbeiterin und Hallenwart sowie zwei Lehramtsanwärterinnen, ein Referendar und eine Praktikantin.

Im Wettbewerb „Küchen für Deutschlands Schulen“ (heute: „KLASSE, KOCHEN“) der bundesweiten Initiative IN FORM gewann die Wippertus-Grundschule 2012 für ihr gutes Ernährungskonzept eine neue Schulküche.

Den Namen trägt die Schule nach dem Heiligen Wippertus, der auch im Wappen der Stadt Kölleda abgebildet ist. Jedes Jahr feiert die Stadt das Wippertusfest.

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