Auf den Ganztag gut vorbereitet: Camerloher-Gymnasium Freising : Datum: Autor: Autor/in: Ralf Augsburg

Immer mehr Schulen werden Ganztagsschulen. Viele von ihnen haben sich schon lange darauf vorbereitet. In unserer Sommerreihe heute: Camerloher-Gymnasium Freising (Bayern).

Schülerinnen mit Streichinstrumenten
Open-Air-Konzert von 600 Schülerinnen und Schüler im Dolomitenhof Freising © Camerloher-Gymnasium Freising

Im Schuljahr 2015/2016 ist es für viele Schulen endlich soweit: Sie können sich auf den Weg zur Ganztagsschule machen. Wir möchten wissen, wie so ein Umgestaltungsprozess in der Praxis verläuft. Was ist zu bedenken? Womit beginnen sie? Und wie überwinden sie die Anfangsschwierigkeiten? In unserer Sommerreihe „Auf den Ganztag gut vorbereitet“ fragen wir Schulleitungen nach ihren Erfahrungen.

Online-Redaktion: Frau Bliese, warum hat sich Ihr Gymnasium entschieden, Ganztagsschule zu werden?

Andrea Bliese: Wir sind ein musisches Gymnasium, das nicht mehrere Zweige unter einem Dach vereint, sondern alle unserer 930 Schülerinnen und Schüler machen bei uns Musik. Diese spezielle Orientierung bedingt, dass wir einen sehr großen Einzugsbereich haben. Das geht vom nördlichen Münchener Stadtrand bis rauf in die Hallertau, ein Umkreis von rund 100 Kilometern. Es gibt also Schülerinnen und Schüler, die sehr viel fahren, die aber auch lange bei uns im Haus sind, weil zu dem normalen Nachmittagsunterricht noch die Arbeit in den Ensembles kommt.

Für die Entscheidung zur Ganztagsschule hat es zwei entscheidende Momente gegeben: Zum einen erhalten wir einen Neubau mit einer Mensa, einer Konzerthalle und weiteren Räumlichkeiten. Zum anderen hat der Elternbeirat bisher privat eine Hausaufgabenbetreuung angeboten, die sehr gut lief. Aber jetzt zum Sommer hören die entsprechenden Leute auf, und damit läuft das Angebot aus. Da haben wir uns gesagt, dass wir eine andere Lösung brauchen für die Kinder und Jugendlichen.

Online-Redaktion: Wie kam es zu dem Neubau?

Bliese: Es gab überhaupt keine Aula oder einen Konzertsaal. Unsere Konzerte mussten bisher in der Sporthalle stattfinden. Auf dem Gelände, auf dem der Neubau jetzt steht, war früher ein Internat, das aber seit 20 Jahren nicht mehr in Betrieb war und als Ersatzräumlichkeit für unsere Schule diente, bis es schließlich baufällig war und abgerissen werden musste.

Online-Redaktion: Wie viel Vorlauf hatten Sie, von der ersten Idee bis zum Start im September?

Bliese: Im vorletzten Schuljahr im Zusammenhang mit dem Bau gab es die ersten Überlegungen. Eigentlich dachten wir, dass die Gebäude schon zum Herbst letzten Jahres fertig werden, und wir wollten dann schon mit der Ganztagsschule starten. Das hat nicht geklappt, war aber vielleicht auch ganz gut, weil wir so mehr Zeit zum Planen hatten.

Online-Redaktion: Können Sie dieses Planen etwas beschreiben?

Bliese: Wir mussten zunächst einmal die Entscheidung treffen, ob wir die offene Form oder die gebundene Form wählen. In beiden Fällen benötigten wir die Zustimmung unseres Sachaufwandsträgers, das ist bei uns der Landkreis Freising. Wir haben uns für die offene Form entschieden, in der es an vier Wochentagen Angebote gibt. Dann mussten wir schauen, wie viele Schülerinnen und Schüler sich für die offene Ganztagsschule anmelden. Daraus wird errechnet, wie viele Gruppen und damit finanzielle Unterstützung vom Land zusammenkommen. Erst mit der feststehenden Schülerzahl konnten wir unseren Antrag stellen. Und dann konnten wir uns nach einem Träger umsehen, der mit uns den Ganztagsbereich umsetzt.

Online-Redaktion: Welchen Träger haben Sie gefunden?

Bliese: Die Caritas. Wir haben uns da an das Nachbargymnasium drangehängt, das seit einiger Zeit erfolgreich mit der Caritas zusammenarbeitet. Die Caritas sucht gemeinsam mit uns das Personal aus, denn nach dem Bayerischen Schulgesetz hat die Schulleitung die Aufsicht auch über das außerschulische Personal, das bei einem anderen Träger angestellt ist.

Online-Redaktion: Hatten Sie denn schon feste Vorstellungen, wie sie den Ganztag umsetzen wollen, oder haben Sie sich Anregungen von außen geholt?

Bliese: Wir haben eine Arbeitsgruppe Ganztag gebildet, die von einem Mitarbeiter im Direktorat geleitet wird und die aus zehn bis zwölf Lehrerinnen und Lehrern besteht. Diese Gruppe hat über ein halbes Jahr andere Ganztagsschulen besucht, auch unter der Prämisse, dass wir irgendwann gebundene Ganztagsschule werden wollen.

Einweihung der Mensa mit Schulleiterin Bliese
Brot und Salz zur feierlichen Aula-Einweihung am 16. April 2015 mit Schulleiterin Andrea Bliese (r.) © Camerloher-Gymnasium Freising

Die Kolleginnen und Kollegen haben also bevorzugt Schulen besucht, die gleichzeitig einen offenen und einen gebundenen Ganztag anboten, und dahingehend angesehen, was zu uns passt. Wir haben uns dann entschieden, dass wir für den gebundenen Ganztag noch mehr Zeit benötigen. Gerade in unserem musischen Betrieb gibt es da noch viel Organisatorisches zu bedenken. Also startet unser Gymnasium erst einmal als offene Ganztagsschule, und den Schritt zur gebundenen Ganztagsschule behalten wir uns vor.

Online-Redaktion: Wie haben die Eltern auf Ihre Ankündigung reagiert, Ganztagsschule zu werden?

Bliese: Positiv. Es ist für uns dennoch spannend gewesen, wie viele Anmeldungen wir zusammenbekommen würden. Denn erst mit diesen Anmeldungen kann man ja den Antrag beim Schulträger stellen. In der Hausaufgabenbetreuung waren nicht allzu viele Schülerinnen und Schüler, doch nun sind zwei Gruppen mit etwa 25 Kindern entstanden. Es werden allerdings nicht immer alle da sein, weil sie sich aussuchen können, ob sie zwischen zwei oder vier Tagen teilnehmen wollen.

Online-Redaktion: Welche Aufgaben wird die Caritas übernehmen?

Bliese: Die Caritas beschäftigt das Personal und ist für die Organisation des Tagesablaufs verantwortlich. Dazu stimmen wir das Konzept mit ihnen ab. Eine Kollegin wird Ansprechpartnerin für die Caritas sein, sozusagen Scharnier zwischen Ganztagsbetrieb und Vormittagsunterricht, zwischen außerschulischen Partnern und dem Kollegium. Ich habe, bevor ich vor drei Jahren ans Camerloher-Gymnasium gekommen bin, schon an einer anderen Ganztagsschule die Erfahrung gesammelt, dass man eine solche Kontaktstelle unbedingt braucht.

Online-Redaktion: Gibt es schon feste Programmpunkte für den Ganztagsschulbereich?

Bliese: Es wird eine Lernzeit geben. Hausaufgabenbetreuung ist da ja nicht das richtige Wort. Wir versuchen die Gruppen so zu organisieren, dass nicht alles bunt durcheinander gemischt ist, um den Überblick zu behalten. Wir knobeln derzeit noch, wie wir die Ganztagskinder in einer 5. Klasse zusammenbringen. Das geht wohl nicht ganz auf, aber weitgehend.

Ein Problem ist: Was machen die Schülerinnen und Schüler, die aus dem Orchester kommen und die Lernzeit verpasst haben? Auch das ist noch eine Baustelle. Wir überlegen, eine Gruppe einzurichten, für die die Lernzeit dann später stattfindet, während die anderen Kinder schon in einer AG oder der Freizeit sind.

Online-Redaktion: Werden auch Lehrkräfte die Lernzeit begleiten?

Bliese: Es wäre theoretisch möglich, dann reichen uns aber die zur Verfügung stehenden Gelder nicht. Eine Lehrerstunde kommt zu teuer. Auch darum bevorzugen wir langfristig das gebundene Modell, weil wir dann Lehrerinnen und Lehrer einsetzen und einen über den ganzen Tag reichenden Plan machen könnten. Übungszeiten könnten dann auch am Vormittag liegen. Aber das ist noch Zukunftsmusik.

Online-Redaktion: Und wie sieht es mit der zeitlichen Planung für die Ganztagsschule aus?

Bliese: In der Regel endet der Vormittagsunterricht um 13 Uhr, wobei es ab Klasse 6, wenn der Unterricht an einigen Tagen bis in den Nachmittag hineinragt, schon schwieriger wird mit der zur Verfügung stehenden Zeit. Wir werden den Ganztag bis 16.45 Uhr anbieten. Von 13 bis 14 Uhr sind Mittagessen, betreute und unbetreute Freizeit eingeplant. Von 14 bis 15.30 Uhr ist die Lernzeit. Von 15.30 Uhr bis 16.45 Uhr schließlich finden die Arbeitsgemeinschaften statt, mit Sportangeboten und kreativen Angeboten. Aktuell überlegen wir zusammen mit einem Sportverein, gemeinsam einen jungen Mann im Freiwilligen Sozialen Jahr zu beschäftigen.

Online-Redaktion: Wird denn das Mittagessen verpflichtend für die Schülerinnen und Schüler werden, die am Ganztag teilnehmen?

Bliese: Wir haben es so vorgesehen. Wobei der Caterer nicht nur warmes Essen, sondern auch Salate und Snacks anbietet. Die Verpflichtung besteht, gemeinsam in der Gruppe am Tisch eine Mahlzeit einzunehmen.

Online-Redaktion: Worauf freuen Sie sich im neuen Schuljahr, und wo haben sie eventuell noch Bedenken?

Bliese: Wir können uns freuen, dass wir ein gut aufgestelltes Team sind und dass wir so schöne neue Räumlichkeiten haben, in denen wir nun den Ganztag unterbringen werden. Es müssen also keine Klassenzimmer doppelt genutzt werden. Von den äußerlichen Bedingungen her ist es jetzt sehr schön. Etwas Bauchweh machen uns halt noch die unterschiedlichen Stundenpläne der Klassen, die alle mit den Ganztagsgruppen koordiniert werden müssen. Da müssen wir abwarten, wie sich die ersten Wochen einspielen werden.

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