Zwischen den Schuljahren: Johann-Andreas-Schmeller-Gymnasium Nabburg : Datum: Autor: Autor/in: Ralf Augsburg

Franz Xaver Huber, Schulleiter des Johann-Andreas-Schmeller-Gymnasiums im bayerischen Nabburg im Kreis Schwandorf, über die Premiere als Ganztagsschule, die Veränderungsbereitschaft von Gymnasien und "ein wunderschönes Jahr"

Gruppenfoto von Erwachsenen vor einem Gebäude

Online-Redaktion: Herr Huber, seit wann ist das Johann-Andreas-Schmeller-Gymnasium Offene Ganztagsschule?

Franz Xaver Huber: Seit dem Start des abgelaufenen Schuljahres 2008/2009.

Online-Redaktion: Wie hat sich die Idee entwickelt, Ganztagsschule zu werden?

Huber: Auch in einem ländlichen Raum wie dem unseren erfordert die gesellschaftliche Situation - Stichwort Vereinbarkeit von Familie und Beruf - ein solches Angebot. Gemeinsam mit meinen Kollegen in der Schulleitung haben wir ein solches vorbereitet und den Eltern unterbreitet - mit einer großen Resonanz.

Dabei scheint es mir übrigens wichtig, dass man Eltern und besonders auch den Müttern das schlechte Gewissen nimmt, wenn sie berufstätig sein wollen und eine qualifizierte Betreuung für ihre Kinder suchen. In Deutschland, insbesondere auf dem Land, herrscht im Gegensatz zum europäischen Ausland dieses schlechte Gewissen oft noch vor.

Online-Redaktion: Gymnasien können sich über mangelnden Zuspruch nicht beklagen und gelten daher als veränderungsresistenter. Wieso haben Sie sich mit der Ganztagsschule auf einen neuen Weg gemacht?

Huber: Da möchte ich Ihnen erst einmal widersprechen: Dass Gymnasien veränderungsresistenter sind, ist ein gutes halbes Jahrhundert her. Wenn Sie sich ansehen, was in den letzten Jahren an Gymnasien passiert ist, wie sich der Fächerkanon verändert hat, wie modern nicht nur im Einsatz von Medien, sondern auch in Didaktik und Methodik gearbeitet wird, würden Sie zu einer anderen Beurteilung kommen. Es ist unglaublich viel passiert, und ich halte die Gymnasien für veränderungsbereit und auch -willig.

Schülerinnen und Schüler bei einer Aufführung

Uns ist es wichtig, den Eltern nicht bloß eine Kinderverwahranstalt anzubieten, sondern eine qualifizierte Betreuung mit qualifiziertem Personal. Dass uns dies im ersten Jahr gelungen ist, zeigen die steigenden Anmeldezahlen für das kommende Schuljahr 2009/2010. Die bisher angebotene Gruppe reicht nicht mehr aus, wir eröffnen eine zweite.

Online-Redaktion: Wie viele Schülerinnen und Schüler werden dann am Ganztag teilnehmen?

Huber: Im vergangenen Schuljahr sind es von unseren 908 Schülerinnen und Schülern 27 Kinder gewesen. Beim jetzigen Stand gehen wir für das nächste Schuljahr von einer Zahl von 47 Schülerinnen und Schülern aus, die von Klasse 5 bis 10 an der Ganztagsschule teilnehmen werden. Die Altersmischung halte ich übrigens für das besonders Reizvolle.

Online-Redaktion: Wie haben Sie die Ganztagsschulidee in Ihrer Gemeinde bekannt gemacht?

Huber: Ich habe viele Gespräche mit der örtlichen Presse geführt. Daneben suchte ich einen mir bereits bekannten verlässlichen Kooperationspartner für den Ganztag aus: die Gesellschaft für berufliche und soziale Integration in Weiden. Mit dem Kooperationspartner habe ich gemeinsame Elternversammlungen und Informationsabende durchgeführt, auf denen wir bereits konkrete Vorstellungen zur Gestaltung des Ganztags darlegen konnten. Die Anmeldungen gingen daraufhin flott über die Bühne.

Schülerinnen beim Herstellen von Gipsmasken

Online-Redaktion: Haben Sie Vorbilder gehabt und Anregungen gesucht?

Huber: Es gab genügend Informationsquellen im Internet oder in anderen Schularten, die schon länger als Ganztagsschule arbeiten. Da konnten meine Kollegen und ich uns zusammen mit unserem Kooperationspartner bestens informieren, sodass wir auch ein Modell entwickeln konnten, dass zu unserer Schule passt. Man muss ja logischerweise immer auf die örtlichen Gegebenheiten eingehen.

Online-Redaktion: Wenn wir den Tag chronologisch durchgehen: Wie organisieren Sie nach dem Unterricht das Mittagessen?

Huber: Wir besitzen eine eigene Mensa, die für den Ganztagsbetrieb gebaut worden ist. Dazu sollte man nebenbei erwähnen, dass wir ohne einen Sachaufwandsträger wie unseren Landkreis Schwandorf, der auch bereit ist, in einer Schule Geld zu investieren, hier vieles nicht hätten verwirklichen können. In dieser Mensa wird täglich von 12.50 Uhr bis 13.15 Uhr durch eine Köchin frisch zubereitetes Essen angeboten.

Online-Redaktion: Aus Kostengründen ist es Ganztagsschulen oft nicht möglich, diesen Luxus einer vor Ort gekochten Mahlzeit anzubieten. Wie finanzieren Sie das?

Huber: Das bezahlen die Schülerinnen und Schüler über ihren Essensbeitrag, der im letzten Schuljahr bei drei Euro lag und nun auf 3,20 Euro steigen wird. Die Ganztagsschülerinnen und -schüler sind automatisch für das Essen eingeplant. Die Halbtagsschüler erwerben in der Schule einen Bon, um am Mittagessen teilzunehmen.

Die Ganztagsschülerinnen und -schüler sitzen gemeinsam an einem großen Tisch, was ich sehr gut finde. Es ist wirklich eine Freude zu sehen und zu hören, wie sich Fünftklässler mit Neuntklässlern über alles Mögliche unterhalten und Erfahrungen austauschen. Da geht einem als Pädagogen das Herz auf. Ich esse häufig mit den Schülern in der Mensa. Man bekommt viel mit, wenn die Kinder losplappern oder sich mit Fragen an mich wenden. Da entsteht ein echtes Gemeinschaftsgefühl.

Schüler sitzen in einem großen Raum an Tischen und essen.

Online-Redaktion: Wie gestaltet sich die dann anschließende Freizeit?

Huber: Diese Erholungsphase können die Kinder und Jugendlichen mit eigenen Aktivitäten wie Tischtennisspielen oder Muße füllen. Dann geht es aber ans Arbeiten: Spätestens um 13.45 Uhr beginnt die Hausaufgabenzeit, die in der Regel 90 Minuten dauert - bei Bedarf auch etwas länger.

Um 15 Uhr besteht dann bis zum Schulschluss um 16 Uhr die Möglichkeit, Sport in der Turnhalle oder auf den Außenspielplätzen zu treiben. Über das Jahr verteilt gibt es auch spezielle Projekte: Es werden zum Beispiel Plätzchen gebacken, Geschenke gebastelt oder ein Gemüsebeet angepflanzt.

Online-Redaktion: Wer beaufsichtigt die Hausaufgabenzeit?

Huber: Eine Förderlehrerin und eine Erzieherin pro Gruppe. Diese kümmern sich um die gesamte Betreuung, sind also auch bereits beim Mittagessen und bis zum Schulschluss dabei. Die Kinder und Jugendlichen hatten also bisher zwei feste Bezugspersonen.

Die Leiterin, die dann zukünftig die zwei Ganztagsgruppen beaufsichtigen wird, ist mit einem Vertrag an unserer Schule angestellt. Das hat sich als sehr nützlich erwiesen: Sie erhält dadurch direkten Zugang zum Lehrerzimmer und damit auch zum Kollegium. Diese recht geschickte Konstruktion, die Förderlehrerin auch in den Schulbetrieb einzubinden, gewährleistet den Austausch mit den Lehrkräften. Ich nutze dazu Mittel aus einem Topf zur eigenen Bewirtschaftung, die man zur Verhinderung von Unterrichtsausfällen verwenden kann

Schüler lernen in einem großen Raum mit Tischen

Online-Redaktion: Sie sagen über das gemeinsame Mittagessen, dass Ihnen als Pädagogen das Herz aufgeht. Haben Sie auch allgemein den Eindruck, dass die Ganztagsschule die Schülerinnen und Schüler in ihrer Persönlichkeit, in ihrem sozialen Miteinander oder in ihrer Konzentrationsfähigkeit stärkt?

Huber: Davon bin ich fest überzeugt. Das Gemeinschaftsgefühl beschränkt sich nicht auf die Zeit in der Mensa, sondern hat sich auch innerhalb der Gruppe ausgebildet: Die Kinder und Jugendlichen helfen sich gegenseitig, man nimmt Rücksicht aufeinander. Und auch die Entlastung des Elternhauses durch die wegfallenden Hausaufgaben ist deutlich spürbar. Viele Eltern melden ihre Kinder ja genau deshalb an, um diesen Konfliktherd aus dem Elternhaus fernzuhalten.

Online-Redaktion: Hat das Einrichten der Hausaufgabenzeit auch zu Veränderungen in der Aufgabenstellung durch das Lehrerkollegium geführt, was zum Beispiel Menge und Art der Aufgaben betrifft?

Huber: Die Gruppenleiterin, die bei allen Lehrersitzungen anwesend ist, gibt den Kolleginnen und Kollegen Rückmeldung über die Erledigung der Hausaufgaben. Es hat beispielsweise schon eine Sitzung gegeben, auf der thematisiert wurde, dass an manchen Tagen sehr wenig Hausaufgaben aufgegeben worden waren, sodass die Schülerinnen und Schüler bereits nach einer Viertelstunde fertig waren. Wenn Veränderungsbedarf besteht, dann wird das interkollegial gelöst.

Online-Redaktion: Was war aus Ihrer Sicht die prägende Erfahrung des Premierenjahrs der Ganztagsschule?

Huber: Zu sehen, wie die Gruppe zusammengewachsen ist. Eine Kollegin, welche die Ganztagsgruppe betreut hat, sagte mir kürzlich: "Für mich geht ein wunderschönes Jahr zu Ende." Und ebenso ermutigend war es, als eine Mutter im Anschluss an einen Elternabend zu mir kam und mir anvertraute, dass ihr Mädchen das Gymnasium nicht hätte besuchen können, wenn wir keine Ganztagsschule eingerichtet hätten. Beide Eltern sind berufstätig und konnten keine Betreuung organisieren. Das sind für mich zwei Sätze, die mir zeigen, dass sich unsere Arbeit gelohnt hat und es trotz aller Mühen richtig war, die Ganztagsschule einzurichten.

Online-Redaktion: Welche Baustellen warten im kommenden Schuljahr?

Huber: Es gibt bereits eine Baustelle im wörtlichen Sinn, denn für die zweite Gruppe benötigen wir einen weiteren Betreuungsraum. Daher wird derzeit ein Klassenzimmer neben dem schon bestehenden Betreuungsraum umgebaut.

Der erste Betreuungsraum und die Mensa sind auch mit IZBB-Mitteln gebaut worden. Dieses Programm war sicherlich eines der sinnvollsten der letzten Jahre, das uns vor Ort vieles erleichtert hat. Größe Töne kann man immer spucken, aber dann muss man auch bereit sein, das nötige Kleingeld zur Verfügung zu stellen - und das ist hier geschehen.

Das Gymnasium Nabburg arbeitet als Offene Ganztagsschule, die im Schuljahr 2008/2009 von 27 Schülerinnen und Schüler besucht wurde.

Die Ganztagsschule gliedert sich nach dem Unterricht folgendermaßen:

12.50 - 13.15 Gemeinsames Mittagessen in der Mensa
13.15 - 13.45 Freizeit mit Möglichkeit zum Entspannen und Ausruhen
13.45 - 15.00 Hausaufgabenzeit
15:00 - 16.00 Freizeit mit Sport, Kunst, Bibliotheksbesuchen etc.

Kategorien: Service - Kurzmeldungen

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