Friedrich-Güll-Schule Ansbach : Datum: Autor: Autor/in: Ralf Augsburg

In unserer diesjährigen Sommeraktion halten Schulleiterinnen und Schulleiter Rückschau auf das abgelaufene Schuljahr und blicken voraus auf das kommende. Holger Sauerhammer, Leiter der Hauptschule, berichtet über eine Schule im Umbau.

Schulkinder gestalten eine Wand.

Online-Redaktion: Herr Sauerhammer, was hat das vergangene Schuljahr für Sie geprägt?

Holger Sauerhammer: Das lässt sich mit den Worten "Eine Schule im Umbau" beschreiben - und zwar im übertragenen wie im wörtlichen Sinn. Mit IZBB-Mitteln entstand eine Mensa, im alten Gebäude ist umgebaut und das Dach saniert worden. Es war auch inhaltlich ein intensives Schuljahr mit vielen Aktivitäten und Höhepunkten, was auf die gute Zusammenarbeit zwischen motivierten Schülerinnen und Schülern und engagierten Lehrkräften zurückzuführen ist.

Online-Redaktion: Seit wann ist Ihre Schule Ganztagsschule?

Sauerhammer: Wir sind mit dem Schuljahr 2007/2008 gestartet, haben nun also unser zweites Jahr hinter uns gebracht. Wir begannen mit der 5. Klasse, so dass nächstes Schuljahr drei Jahrgänge bis zur 7. Klasse eine Ganztagsklasse führen werden. Daneben gibt es jeweils zwei Halbtagsklassen.

Online-Redaktion: Wie verhält es sich mit dem Zuspruch zur Ganztagsklasse?

Schüler essen gemeinsam an einem Tisch.

Sauerhammer: Im ersten Jahr war es problemlos, genügend Schülerinnen und Schüler zu finden. Letztes Jahr kam dann eine Nachbarschule als Konkurrent dazu, was zu einem Absacken auf 20 Kinder führte. Doch für das kommende Schuljahr 2009/2010 konnten wir nicht zuletzt dank unserer guten PR-Arbeit wieder 25 Schülerinnen und Schüler gewinnen - und mehr sollen es auch nicht werden.

Online-Redaktion: Wie haben Sie Werbung für sich gemacht?

Sauerhammer: Unsere Schule lag bis vor kurzem in einem Dornröschen-Schlaf. Ich bin seit zwei Jahren Schulleiter und habe seitdem auf Informationsveranstaltungen Werbung für unsere Hauptschule und für die Ganztagsschule gemacht. Dadurch ist es gelungen, Interesse für die Schule zu wecken. Die Eltern sagten, man sehe, dass Schulleitung und Kollegium hinter der Schule stünden.

Online-Redaktion: Wie sieht der Tagesablauf der Ganztagsklasse aus?

Sauerhammer: Wir experimentieren immer noch auf der Suche nach der optimalen Lösung, falls es die überhaupt gibt. Im ersten Schuljahr dauerte der Unterricht von 8.00 bis 16.15 Uhr, im zweiten bis 15.30 Uhr und nächstes Jahr bis 16 Uhr. Nach dem ersten Jahr dachten wir, dass der Unterricht bis 16.15 Uhr vielleicht ein bisschen zu viel des Guten für die Schülerinnen und Schüler der 5. Klasse gewesen sei, und verkürzten auf 15.30 Uhr. Dann wiederum beklagten Kolleginnen und Kollegen, dass die Zeit für die Übungszeit nicht ausreiche. Also probieren wir es demnächst bis 16 Uhr.

Schülerinnen tanzen in einer Sporthalle.

Unsere Rhythmisierung besteht in der Einrichtung von Arbeitsgemeinschaften an drei Tagen: Eine liegt in der 3. und 4. Stunde, also einem wertvollen Zeitfenster. Eine weitere Arbeitsgemeinschaft findet von 14.00 bis 15.30 Uhr statt. Freitags endet die Schule bereits um 13 Uhr, dort liegt die AG dann in der 5. und 6. Stunde. Dass ist auch insofern praktisch, weil in dieser Zeit dann die Lehrerbesprechungen stattfinden können.

Online-Redaktion: Wonach haben Sie entschieden, wann sie welche Arbeitsgemeinschaften ansetzen?

Sauerhammer: Wir haben uns in einem kleinen Team zusammengefunden und unsere Schwerpunkte erarbeitet. Es bestand bereits ein Konzept aus der Zeit, bevor ich Schulleiter geworden bin. Wir haben dieses Konzept etwas modifiziert und zum Beispiel mehr Arbeitsgemeinschaften als ursprünglich geplant geschaffen. Jetzt besteht ein recht starkes Angebot mit 16 AGs. Das Schuljahr ist in ein Trimester aufgeteilt. Manche Arbeitsgemeinschaften wie Judo, Erste Hilfe und Trommeln finden nur ein Semester statt, andere wie Basketball, Volleyball, Kreativwerkstatt, Entspannung oder Jonglieren durchgehend.

Online-Redaktion: Wer betreut die Arbeitsgemeinschaften?

Sauerhammer: Größtenteils bestreiten diese außerschulische Partner. Wir haben nach Erfahrungen aus unserem ersten Jahr allerdings auch Lehrerstunden parallel gelegt, um Krankheitsfälle abdecken zu können.

Schüler in einer Sporthalle mit zwei Sportlehrerinnen in asiatischer Kampfsportkleidung

Online-Redaktion: Wie haben Sie die Kooperationspartner gefunden?

Sauerhammer: Es bestanden bereits Kontakte zur hiesigen Volkshochschule, die wir dann auch für die Nachmittagsbetreuung gewinnen konnten.

Online-Redaktion: Sind Sie Ganztagsschule trotz oder wegen Ihres Kollegiums?

Sauerhammer: Die Findungsphase war bereits vorbei, als ich meinen Posten antrat. Ich habe heute den Eindruck, dass das Kollegium hinter der Ganztagsschule steht. Manche Kolleginnen und Kollegen schauen es sich vielleicht lieber von außen an, aber gerade ist zum Beispiel eine Lehrerin auf mich mit dem Wunsch zugekommen, als Tandemlehrerin in die Ganztagsschule hineinzuschnuppern. Die Lehrkräfte, die bereits in der Ganztagsklasse unterrichten, wollen gar nicht mehr anders unterrichten - weil einfach die Möglichkeiten durch die Rhythmisierung und die Differenzierung mit Tandem-Lehrern und kleineren Lerngruppen viel größer sind.

Online-Redaktion: Welche Gründe gibt es für Sie, eine Ganztagsklasse einzurichten?

Sauerhammer: Sie bietet allen Schülerinnen und Schülern bessere Entfaltungsmöglichkeiten. Manche unserer Kinder und Jugendlichen erhalten von elterlicher Seite noch zu wenig Unterstützung, was man mit der Ganztagsklasse auffangen kann. Ein weiterer Punkt, den ich auf den Informationsveranstaltungen immer wieder betone: Viele Schülerinnen und Schüler können was, sie haben Fähigkeiten. Diese liegen aber nicht unbedingt im fachunterrichtlichen Bereich. Sie können stattdessen gut tanzen, gut singen, gut jonglieren. Die Arbeitsgemeinschaften bieten ihnen die Möglichkeit, diese Fähigkeiten zu zeigen und Selbstbewusstsein zu tanken. Wir hoffen, dass dieses Selbstbewusstsein in die schulische Arbeit gebracht wird. Die Schule braucht mehr Zeit für das Lernen - nicht nur im Unterricht, sondern auch im sozialen Bereich. Und das lässt sich meiner Überzeugung nach besser in der Ganztagsklasse erreichen.

Drei Mädchen werden geschminkt mit weißer und gelber Gesichtsfarbe

Online-Redaktion: Gibt es nach den ersten zwei Jahren Anzeichen, dass dieses Konzept einer ganzheitlicheren Bildung aufgeht?

Sauerhammer: Auf jeden Fall. Unser Motto ist: "Fit für das Leben nach der Schule" mit der Vorbereitung auf den Beruf. Die Ganztagsschule soll dem Heranwachsenden beim Hineinwachsen in unsere Lebens- und Arbeitswelt helfen. Da haben sich die Eltern am Anfang teilweise mehr versprochen. Der Anfang war auch deshalb schwierig, weil viele Eltern glaubten, die Ganztagsschule beschere ihnen nun quasi den sofortigen Übertritt zur Realschule. Dieses Missverständnis ist im zweiten Jahr ausgeräumt. Es hat Übertritte zur Wirtschaftsschule und in die M-Klasse der Hauptschule, mit der Mittleren Reife als Ziel, gegeben - die Ganztagsschule ist aber keine Garantie für den Besuch der Realschule.

Was sich ganz offensichtlich durch die Ganztagsschule gebessert hat, ist das soziale Klima. Die Schülerinnen und Schüler erreichen durch das längere gemeinsame Beisammensein eine bessere soziale Kompetenz. Dies gelingt auch durch ein offeneres Verhältnis zwischen Lehrern, Schülern und Eltern. Dabei ist der Wegfall der schriftlichen Hausaufgaben eine sehr erfreuliche Geschichte für die Eltern gewesen.

Online-Redaktion: Das soziale Lernen findet auch in der Mittagspause statt. Manche sagen sogar, es findet gerade in der Mittagspause statt. Wie haben Sie diese organisiert?

Sauerhammer: Die gemeinsame Mahlzeit in der Zeit von 12.15 bis 13.15 Uhr ist in der Tat für den Erwerb sozialer Kompetenzen und für den Austausch wichtig. Das Mittagessen wird derzeit noch durch eine Metzgerei für drei Euro pro Mahlzeit angeliefert, weil uns die Voraussetzungen für ein eigenes Kochen in der Mensa fehlen. Die Teilnahme am Mittagessen ist verpflichtend.

Mittelfristig wollen wir eine Fachkraft aus der Hauswirtschaft engagieren, die vor Ort den Kindern und Jugendlichen als Ansprechpartnerin dienen soll. Die Schülerinnen und Schüler sollen dann auch besser in die Essensausgabe, das Abräumen und Säubern eingebunden werden.

Danach stehen den Schülerinnen und Schülern Aktivitäten in der Gruppe, aber auch Rückzugsmöglichkeiten offen.. Sie können das Schulgelände mit dem Pausenhof, der Außensportanlage, zwei Turnhallen, der Mensa - in der man auch Spiele spielen und quatschen kann - und dem Aufenthaltsraum nutzen.

schüler musizieren mit Trommeln

Online-Redaktion: Sie möchten die Schülerinnen und Schüler beim Mittagessen einbinden. Welche Gestaltungsmöglichkeiten haben sie sonst noch?

Sauerhammer: Wir versuchen, die Schülerinnen und Schüler so viel wie möglich einzubeziehen. Im vergangenen Jahr fand eine Zukunftswerkstatt statt. Dort konnten die Kinder kritisieren und träumen, wie sie sich ihre Schule vorstellen. Zu Beginn des Schuljahrs 2008/2009 griffen wir diese Ergebnisse gleich auf: In jahrgangsgemischten Gruppen haben sich die Schülerinnen und Schüler zusammengesetzt und diskutiert, was am nötigsten zu realisieren und am besten umzusetzen ist. Daraus entstand das Projekt "Wohlfühlschule": Nach den Weihnachtsferien haben die Kinder eine Woche lang im Schulhaus gebastelt, gewerkelt, geweißelt, gemalt und restauriert. Wenn man die lokale Presse verfolgte, konnte man fast annehmen, dass wir ein neues Schulgebäude erhalten hätten.

Online-Redaktion: Was wird das kommende Schuljahr 2009/2010 prägen?

Sauerhammer: Es ist auch an unserer Hauptschule ein Problem, dass viele Schülerinnen und Schüler in der 9. Klasse noch nicht wissen, welchen Beruf sie ergreifen möchten. Wir wollen deshalb - gerade auch in den Ganztagsklassen - die Arbeitswelt mehr in den Mittelpunkt rücken. Bereits ab der 5. Klasse haben wir eine Kooperation mit der Firma Bosch vereinbart. Bis zur 9. Klasse soll in deren Projekt "Come with me" Interesse für die Technik und das Bewusstsein für die Anforderungen und Chancen einer Ausbildung in der Metall- und Elektroindustrie geweckt werden. Wir versuchen, dieses Projekt als AG einzubinden, bei der auch Auszubildende teilnehmen.

Darüber hinaus möchten wir einmal in der Woche in der 7. Ganztagsklasse einen Praxistag veranstalten, an dem verschiedene Partner aus dem Handwerk, dem Handel und der Industrie Berufe und ihre Betriebe vorstellen. Außerdem sind wir auf der Suche nach einem Berufsfindungsbegleiter, der den Schülerinnen und Schülern beratend zur Seite stehen soll.

In der Hauptschule Friedrich-Güll-Schule im bayerischen Ansbach werden zusammen knapp 400 Grundschüler und Hauptschüler bis zur neunten Klasse doppelzügig unterrichtet. Die beiden 5. und 6. Klassen werden als Ganztagsklassen geführt und haben an vier Tagen bis 15.30h Unterricht. Schwerpunkte der Arbeit sind das breite Angebot an beruflichen Praktika in der 8. und 9. Klasse mit intensiver Vor- und Nacharbeit, viele Möglichkeiten zum handwerklichen "Schnuppern" ab der 5. Klasse (z.B. Schnitzen, Steinarbeiten, Backen....), Möglichkeiten der zusätzlichen handwerklichen Qualifizierung in verschiedenen Bereichen in der 9. Klasse und eine intensive Vorbereitung auf den Qualifizierenden Hauptschulabschluss mit zusätzlichen Förderstunden.

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