Im Gespräch: Carola Gruner, Gymnasium Neuhaus am Rennweg (Thüringen) : Datum: Autor: Autor/in: Ralf Augsburg

Schulleiterinnen und Schulleiter der ersten "Ganztagsstunde" ziehen nach zehn Jahren Bilanz. Heute: Carola Gruner und Ganztagsschulkoordinatorin Ursula Zinn vom Gymnasium Neuhaus am Rennweg in Thüringen.

Online-Redaktion: Frau Gruner, vor fünf Jahren haben wir uns mit Ihrem Vorgänger Ralph Leipold unterhalten. Als seine Nachfolgerin kennen Sie das Gymnasium Neuhaus am Rennweg allerdings auch bestens, da Sie seit Gründung der Schule 1991 dort tätig sind. Hat sich der erfreuliche Zuspruch für die Ganztagsangebote, von dem Herr Leipold 2008 berichtete, weiter fortgesetzt?

Carola Gruner: Ja, denn im Schnitt werden jedes Jahr etwa 75 Prozent der Schülerinnen und Schüler der 5. Klasse auch für die Ganztagsbetreuung angemeldet, die Nachfrage der Eltern bleibt unvermindert hoch.

Online-Redaktion: Melden die Eltern ihre Kinder an, weil sie Betreuung benötigen, oder hat sich auch die pädagogische Qualität Ihrer Angebote herumgesprochen?

Gruner: Es ist beides. In erster Linie bringt die Ganztagsschule den Eltern Entlastung, besonders durch die Unterstützung bei den Hausaufgaben. Aber ganz wichtig sind auch die Arbeitsgemeinschaften, an denen die Schülerinnen und Schüler teilnehmen können. Ohne unsere Angebote hätten die Kinder in unserer ländlichen Gegend überhaupt keine Möglichkeit, solche Freizeitbeschäftigungen wahrzunehmen.

Online-Redaktion: 2008 gab es auch für die Schülerinnen und Schüler der 6. Klassen Ganztagsangebote? Warum besteht dieses Angebot nicht weiter, Frau Zinn?

Ursula Zinn: Wir würden die Ganztagsangebote auch gerne wieder in der 6. Jahrgangsstufe anbieten, besonders die Eltern tragen diesen Wunsch immer wieder an uns heran. Aber dazu fehlen uns momentan die finanziellen und personellen Möglichkeiten. Ursprünglich konnten die Schülerinnen und Schüler die Angebote an fünf Wochentagen wahrnehmen. Der Freitag wurde allerdings so schwach nachgefragt, dass wir die Ganztagsangebote inzwischen nur noch an vier Tagen anbieten.

Online-Redaktion: Wie organisieren Sie die Ganztagsangebote?

Gruner: Wir erhalten vom Landkreis Unterstützung und beantragen die Mittel für die Schuljugendarbeit. Vom Land gibt es aber keine Unterstützung. Um das unter diesen Bedingungen Optimale für die Kinder herauszuholen, engagieren sich viele Kolleginnen und Kollegen quasi unentgeltlich in der Schach-AG, Gesteine- und Minerale-AG oder in Sport-AGs.

Daneben versuchen wir, viele ehrenamtliche Kräfte zu engagieren, beispielsweise jung gebliebene Rentnerinnen und Rentner, die wir gegen Honorar aus dem Topf der Schuljugendarbeit beschäftigten. Auch Kooperationen mit der Volkshochschule und mit Musikschulen haben wir etabliert. Bei deren Angeboten müssen die Jugendlichen einen kleinen Obolus entrichten. Der größte Vorteil liegt darin, dass die Schülerinnen und Schüler in der Schule bleiben können und nicht von ihren Eltern hin- und hergefahren werden müssen.

Darüber hinaus bieten auch einige Zwölftklässler Angebote an, was wir ihnen mit einem Zertifikat bestätigen. Dieses Zertifikat können sie zum Beispiel ihren Bewerbungen für ein Lehramtsstudium beilegen, um die Chancen zu erhöhen, einen Platz zu erhalten. Umgekehrt kommen in den letzten Jahren vermehrt Lehramtsanwärterinnen und Lehramtsanwärter sowie Studierende im Rahmen eines Praktikums in unser Gymnasium. Alle diese Kräfte zusammen halten das Ganztagsangebot aufrecht. Und ich bin sehr froh, dass die AGs teilweise schon seit Jahren bestehen, weil sie immer wieder aufs Neue von den Kindern angewählt werden.

Online-Redaktion: Eltern wünschen sich häufig, dass Lehrkräfte bei der Hausaufgabenbetreuung anwesend sind. Können Sie das leisten?

Zinn: Wir bieten montags und dienstags von 13.30 bis 14.15 Uhr Lernzeiten an, die in der Regel von Kolleginnen und Kollegen betreut werden. Bei Engpässen setzen wir mindestens Lehramtsstudierende ein, die fachlich in der Lage sind, die Kinder zu unterstützen. Diese Zeit dient ausschließlich der Erledigung von Hausaufgaben. Schülerinnen und Schüler, die keine Hausaufgaben haben, können lesen, Musik über Kopfhörer hören, Gesellschaftsspiele spielen oder sich einfach ausruhen.

Donnerstags finden keine Lernzeiten statt, da wir dann die beiden Ganztagsstunden zusammenfassen, damit dort Arbeitsgemeinschaften stattfinden können, die mehr Zeit in Anspruch nehmen, wie zum Beispiel Kochen oder Schwimmen.

Online-Redaktion: Das Gymnasium Neuhaus am Rennweg stand 2008 besonders für eine demokratisch verfasste Schule. Ist das über die Jahre weiter verfolgt worden?

Gruner: Unsere Schule war eine der ersten in Thüringen, die die Direktwahl der Schülersprecherinnen und Schülersprecher praktiziert hat. Es gibt weiterhin das Schülerparlament, die Gruppe der Streitschlichter und die Klassenräte.

Das Schulparlament, das einmal monatlich zusammentritt, besteht seit etwa zehn Jahren, und die Schülerinnen und Schüler haben es zusammen mit der Schulleitung bis heute immer weiterentwickelt. Im Schuljahr 2011/2012 hat es sich eine Satzung gegeben. Bei den Zusammenkünften werden Themen wie der letzte Schultag, die Schulhausgestaltung oder die Einführung eines W-LAN-Netzwerkes besprochen, beraten und beschlossen. Im Unterricht spielt der Projektunterricht weiter eine große Rolle.

Online-Redaktion: Wie sieht es mit der Elternmitwirkung aus?

Zinn: Die Zusammenarbeit mit den Eltern ist in beide Richtungen generell gut. Wir versuchen die Eltern einzubinden, wo es möglich ist, und erhalten eine überwiegend positive Resonanz. Die Mütter und Väter unterstützen uns bei Klassenfahrten oder Feiern, und es gibt ein gut funktionierendes System der Schulsprecherschaft.

Online-Redaktion: Was wünschen Sie sich für die nähere Zukunft?

Gruner: Wir bekommen Mittel aus dem Topf der Schuljugendarbeit nur dann genehmigt, wenn kein Verein in der Nähe ist, der das entsprechende Angebot  selbst anbietet. Sobald es die Angebote bereits gibt, werden uns dafür keine Mittel zugestanden, mit der Argumentation, die Jugendlichen könnten dann ja auch in die Vereine gehen. Dieser Zusammenhang erscheint mir nicht besonders logisch, und ich würde es begrüßen, wenn hier etwas geändert würde. Zugegebenermaßen waren die Vergabekriterien für die Schuljugendarbeit früher aber wesentlich komplizierter; hier hat der Landkreis schon auf die Bitten der Schulen gehört und das Verfahren vereinfacht.

Grundsätzlich wäre es natürlich gut, wenn für den Ganztag von Landesseite mehr Mittel zur Verfügung gestellt würden. Denn wir arbeiten natürlich mit Herzblut an der Sache und ja auch von Jahr zu Jahr erfolgreich. Auf Dauer ist es frustrierend, wenn man sich ständig bei der personellen Ausstattung durchmogeln muss.

Online-Redaktion: Und wie sieht es für Sie persönlich aus? Überwiegt die Lust am Gestalten oder der Frust darüber, ständig an Grenzen zu stoßen?

Gruner: Es macht mir weiter viel Spaß, und die Arbeit ermöglicht auch viele Frei- und Spielräume. Die Verwaltungsarbeit hat allerdings in den letzten Jahren enorm zugenommen, sie nimmt inzwischen einen großen Teil meiner Arbeitszeit und der meines Kollegiums ein. Manche Zeit, die wir beispielsweise lieber für das Planen von individualisiertem Unterricht verwenden würden, geht so verloren. Und es wird nicht weniger Arbeit, denn die neue Schulordnung beschert uns auch neue Herausforderungen: Die bilingualen Module in der Klasse 9, Gespräche und Bögen zur Leistungsbewertung oder das neue Wahlpflichtfach in Klassen 9 und 10.

Online-Redaktion: Was wird das kommende Schuljahr 2013/2014 prägen?

Gruner: Unser Schulgebäude wird im kommenden Jahr 20 Jahre alt. Wir planen daher eine große Feier.

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