didacta 2022: Digitales und Schularchitektur : Datum: Autor: Autor/in: Stephan Lüke

Zwei Themen beherrschten die didacta 2022: Digitale Medien und gute Schularchitektur. Auch Ganztagsschulen nutzten die Chance, sich zu informieren, etwa über die digitale Welt der Stadt Beckum oder in Dänemark.

Die didacta, Deutschlands größte Bildungsmesse, ist schon einmal auf größeres Echo gestoßen. 35.000 Besucherinnen und Besucher überwanden in diesem Jahr die Hürde des Zutritts erfolgreich. 2019 waren es mehr als 100.000 gewesen. Ob die Wertung der Pressestelle der Köln-Messe, dass von dieser Woche ein starkes Signal für die Bildung ausgesendet worden sei, berechtigt ist, sei dahingestellt. Als Ursache für die deutlich gesunkene Zahl der Interessierten gelten die Nachwirkungen von Corona sowie der unglückliche Zeitpunkt kurz vor den Sommerferien.

Berechtigt war hingegen sicher der Hinweis des Hauptgeschäftsführers des Didacta Verbandes, Reinhard Koslitz: „Wir hatten auf das Zusammentreffen vor Ort gesetzt und das Interesse der Besucherinnen und Besucher zeigt, dass der persönliche Austausch durch nichts zu ersetzen ist.“ Bildung müsse Antworten auf die großen Herausforderungen „unserer Zeit geben“, betonte er.

Schulbau und Architektur

Auf zwei fanden die Gäste vielleicht noch nicht die finalen Lösungen, sicher aber Anregungen. Im Zentrum des Interesses, auch vieler an Ganztagsschulen Tätiger, stießen Möglichkeiten der Digitalisierung, aber auch der immer stärker in den Fokus rückenden Schularchitektur und Raumnutzung von Gebäuden. Letztere griffen unter anderem in einem Vortrag „Pädagogische Architektur – Dem Lernen Raum geben“ für Nordrhein-Westfalen Vera-Lisa Schneider vom Ministerium für Schule und Bildung und Dr. Saskia Koltermann von der Qualitäts- und UnterstützungsAgentur – Landesinstitut für Schule auf.

Didacta Eröffnung
© Koelnmesse / didacta

Die von ihnen aufgeworfene Frage, was „Pädagogische Architektur“ ist, beantworten sie selbst mit den Thesen: Schule kann besonders gut auf die Herausforderungen reagieren, wenn auch das
Gebäude „pädagogisch“ gestaltet ist. Und: Die innere Entwicklung einer Schule ist eng mit der Entwicklung der Räume verknüpft. Sie zitierten den ehemaligen Hamburger Schulleiter und Schulleitungscoach Egon Tegge. Er hatte vor ziemlich genau zwei Jahren formuliert: „Es geht um nichts anderes als darum, die Lernumgebungen und Lernbedingungen für die nächsten 50 Jahre in Beton zu gießen.“

Die Referentinnen machten deutlich, dass die Zeiten, in denen sich Schulbauprogramme an den althergebrachten Schulbaurichtlinien orientierten, vorbei seien oder zumindest sein sollten. Vielmehr wachse die Erkenntnis, dass partizipativ erarbeitete Lösungen zu besseren Ergebnissen führen und diese vor allem auch gemeinschaftlich getragen werden. Sie hoben die „Phase Null“ der Planung hervor. In diesem frühen Stadium müssten alle an der Schule Beteiligten, also auch Schülerinnen und Schüler sowie deren Eltern, eingebunden sein.

Als Gelingensbedingungen für die Gestaltung von innovativen Lernräumen nannten sie unter anderen: die frühzeitige Einbeziehung der Nutzerinnen und Nutzer, Orte für vielfältige Lernszenarien, die Definition eines Raumes über Aktivitäten und Kompetenzen, die Standortspezifität, die Atmosphäre, eine gute Funktionalität, aber auch die Verwendung geeigneter und hochwertiger Materialien.

Ihr Hinweis zum Ende des Vortrags stieß bei den Zuhörenden auf besonderes Interesse: Die Beratung „Pädagogische Architektur“ sei eine Unterstützungsmaßnahme des Landes NRW
für Schulen und Kommunen, um Bauprozesse im Sinne zukunftsweisender Schulentwicklung zu nutzen. Sie kündigten an: „Die Berater und Beraterinnen werden ab Herbst 2022 den Schulen und Schulträgern kostenlos zur Verfügung stehen.“

Die Digitale Welt in Beckum

Wechseln wir bei unserem Rundgang zu den Möglichkeiten des Digitalen, das, man muss fast schon sagen: „dank“ der Pandemie, besondere Fahrt aufgenommen hat. Doch nicht überall waren Kommunen auf diese Ausnahmesituation als Impuls für digitale Weitsicht angewiesen. So etwa in der Stadt Beckum. Dort liegt der Beginn der Digitalisierung bald zwei Jahrzehnte zurück. Heute sind alle neun Schulen der Kommune mit WLAN, alle Lehrkräfte sind mit Tablets ausgestattet und zwei Drittel der rund 3.800 Schülerinnen und Schüler ebenfalls. Für die übrigen sollen die Endgeräte angeschafft werden. Alle Genannten verfügen über eine eigene Schul-E-Mail-Adresse.

Vier Mitarbeiter der Stadt Beckum stehen nahezu rund um die Uhr für Beratung und technischen Service zur Verfügung. Das Unterstützungsprogramm macht auch vor dem Personal im Ganztag nicht halt. Dominik Fahrin: „Uns sind alle Leitungen des Ganztags bekannt, sie haben ebenfalls Zugang zur Schulplattform und können sich auch an uns wenden.“ Doch nicht nur die Beckumer Schulen melden sich. Längst fragen andere Kommunen nach dem Konzept, zumal sie gehört haben, dass man sich mit dem Folgen des Lockdowns im rund 37.000 Seelen zählenden Städtchen deutlich leichter getan hat, weil die Weichen für die digitalen Medien bereits bestens gestellt waren. Dominik Fahrin ist überzeugt: „Auch größere Städte können ein solches Angebot, bestehend aus Ausstattung und Service, auf die Beine stellen.“ Es bedürfe nur einiger Jahre Vorlaufzeit und des Bewusstseins, dass es mit der einmaligen Anschaffung von Endgeräten nicht getan sei: „Denn die müssen regelmäßig erneuert werden.“

Digitales Kompetenzzentrum Rheinland-Pfalz

Auch Rheinland-Pfalz wird den Weg der Unterstützung seiner Schulen ins für Deutschland neue Digitale Zeitalter gehen. Beim Pädagogischen Landesinstitut wird ein Digitales Kompetenzzentrum verankert, berichteten Stephan Pfurtscheller und Markus Friderichs. Sie machten deutlich: „Zur Verfügung stehen fünf Lehrkräfte, die mit jeweils einer halben Stelle das regionale Kompetenzzentrum leiten und mit der anderen Hälfte ihrer Stelle in der Leitung eines kommunalen Medienzentrums verortet sind. Das heißt, die Lehrkräfte stehen mit vollem Stellenumfang zur Verfügung.“ Kontinuität und die Erfahrung von an der Basis Tätigen sind so garantiert. Finanziert werden sie aus Mitteln des Digitalpaktes.

Didacta Schild
© Koelnmesse / didacta

Fünf regionale Kompetenzstandorte werden an den bereits 2010 etablierten Schulungszentren Neuwied, Trier, Rockenhausen, Neustadt und Rodalben eingerichtet und garantieren die erforderliche Nähe zu den Schulen und Schulträgern. Sie werden mit einer pädagogischen Leitung und einem IT-Experten besetzt. Zu deren Aufgaben zählen die Beratung der Schulen und Schulträger, der technische Support, die Entwicklung von E-Learning-Lösungen, die Unterbreitung pädagogisch-didaktischer Angebote sowie die Vernetzung der Einrichtungen zum intensiven Austausch.

Dänischer Tipp für Ganztagsschulen

Es liegt nicht in der Natur und Kultur Dänemarks und seiner Menschen, darüber zu lächeln, dass das „große“ Nachbarland erst die Bedeutung des Digitalen für die Bildung erkennt und dem Rechnung trägt. „Dazu können wir auch viel zu viel von Deutschland lernen. Etwa, wenn es um die Duale Berufsausbildung geht“, meinte Ann Mogeltoft Andersen vom dänischen Generalkonsulat in München bei der Vorstellung des dänischen digitalen Weges. Sie erwähnte, dass sie und ihr Team aktuell eine Analyse der Dualen Ausbildung für die dänische Regierung erarbeitet hätten.

Live zugeschaltet war vor der Präsentation von Ann Møgeltoft Andersen und ihres Kollegen Jess Møller Knudsen außerdem Anders Rokkjær. Rokkjær leitet die dänische Agentur für IT und Lernen, die im Auftrag des Ministeriums für Kinder und Bildung tätig ist. Er machte deutlich, dass im vergangenen Jahrzehnt 67 Millionen Euro in die digitale Ausstattung der Schulen investiert wurden. Man habe deren Bedeutung früh erkannt. Ann Møgeltoft Andersen ergänzte: „Was uns von Deutschland unterscheidet, ist unsere Kultur des Ausprobierens. Wir planen nicht alles bis zum Schluss durch, sondern fangen an, schauen, was funktioniert und was nicht und passen an.“

Schmunzelnd fügte sie hinzu: „Manchmal täte uns vielleicht ein wenig mehr Strategie auch gut.“ Allerdings sei es ein Vorteil, dass man ständig im Gespräch über die Entwicklung sei. Darüber hinaus gebe es kontinuierlich Fortbildungsangebote für die Lehrkräfte: „Und zwar häufig von anderen Lehrkräften, denn die wissen, was an und in der Schule sinnvoll ist und funktioniert.“ Gleichzeitig machten Andersen und Knudsen klar: „Der Staat gibt Leitlinien und Ziele vor, die Kommunen besitzen die Autonomie, sie passgenau umzusetzen.“

Ähnliches wünscht sich wohl manche deutsche Lehrkraft in Deutschland. Kathrin Dorn-Kaatz aus Niedersachsen berichtete: „Bei uns hängt es zumeist noch von einem kleinen Kreis von Lehrkräften ab, ob Digitales an einer Schule vorangetrieben wird und ob sich das Kollegium selbst fortbildet.“ Eine Kollegin eines Gymnasiums aus Rheinland-Pfalz ergänzte: „Wir sind ja dankbar, dass wir jetzt alle ein Tablet besitzen.“ Doch weil die Schule nur an wenigen Orten über WLAN verfügt, gestaltet sich die Nutzung im Unterricht noch schwierig.

Didacta Dänemark
© Koelnmesse / didacta

Zum Ende der spannenden Präsentationen aus dem Nachbarland formulierte Ann Møgeltoft Andersen noch einen aus ihrer Sicht großen Vorteil der Ganztagsschule: „Hier gibt es viel Zeit und Raum, schon die junge Generation auf die rasante digitale Entwicklung vorzubereiten und ein Verständnis für einen verantwortungsbewussten Umgang damit entwickeln zu können. Denn das Thema Nachhaltigkeit macht auch vor dem Digitalen nicht halt.“

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