Vom Klassenraum zum klasse Raum : Datum: Autor: Autor/in: Ralf Augsburg

Die Qualität von Räumen in der Schule beeinflusst das Lernen, die Motivation und das Wohlbefinden von Schülern wie Lehrenden. Darin waren sich die Teilnehmerinnen und Teilnehmer auf dem 6. Ganztagsschulkongress 2009 einig.

Raum und Qualität - das Investitionsprogramm "Zukunft Bildung und Betreuung" (IZBB) hat in den vergangenen sechs Jahren den Blick auf den Zusammenhang von räumlichen Gegebenheiten, Motivation und Schulentwicklung aufgezeigt. In Ganztagsschulen sorgen abwechslungsreiche Unterrichtsformen und die Arbeit in multiprofessionellen Teams für eine andere Tagesstruktur, die nach anderen Räumen verlangt.

Wilhelm Barnhusen, Schulleiter der Paul-Gerhardt-Schule im westfälischen Werl, hat die Erfahrung gemacht, dass "es nicht funktioniert, wenn für verschiedene Aktivitäten immer wieder nur das Klassenzimmer benutzt wird". Größe und Ausstattung der Räume müssten sich nach den jeweiligen Arbeitsformen richten, vor allem müssten sie Platz für Bewegung bieten. An seiner Grundschule ist mit IZBB-Mitteln daher ein ehemaliges Schwimmbad zu einem Bewegungsraum umgebaut worden.

Das IZBB-Programm beschränkte die Möglichkeiten der Raumgestaltung aber nicht nur auf Innenräume. Auch Außengelände haben Veränderungen erfahren. An der Grundschule Am Albertschacht gibt es nun jede Menge Platz zum Spielen und Toben an der frischen Luft, doch bis vor drei Jahren war es in der Schule in Freital-Wurgwitz in der Sächsischen Schweiz bei weitem nicht so schön. Vor allem dank eines engagierten Elternvereins entstand unter anderem ein Grünes Klassenzimmer. "Alle Schülerinnen und Schüler nutzen das, auch als Ruheoase, und Kolleginnen und Kollegen finden hier ganz neue Möglichkeiten für ihren Unterricht", beschreibt Schulleiterin Kerstin Möller das Einbetten der Anlage in den Schulalltag.

Durchbrüche ermöglichen den Durchblick

Mit dem Abschluss des Investitionsprogramms zum Jahresende ist die angestoßene Entwicklung nicht zu Ende. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Ganztagsschulkongresses waren sich einig, dass es "immer weitergehen wird - das ist ja das Spannende an der Schule", wie es Ute Lesniarek-Spieß, Schulleiterin der Bremer Grundschule Auf der Heuen, auf dem Kongress ausdrückte.

Ihre Grundschule war im Mai 2009 beim bundesweiten Wettbewerb "Zeigt her eure Schule" unter der Überschrift "Raum und Qualität" auf den 2. Platz gelangt. "Eine durchsichtige Schule mit Menschen für Durchblick" ist das Motto der gebundenen Ganztagsschule, die im Januar 2005 mit den Planungen für eine neue Schule und einen dem Schulkonzept entsprechenden Umbau des Gebäudes begonnen hatte. Dieser startete nach eineinhalbjähriger Vorbereitungsphase im Mai 2006. Es wurden Räume geöffnet, innen liegende Glasfronten ermöglichen den "Durchblick". Mit dem Umbau erhielt die Schule auch einen richtigen Eingangsbereich. Kein Wunder: Die Kommission, die über die Umbaupläne entschied, hatte bei ihrem ersten Besuch in der Schule den Eingang nicht finden können.

"Ich hatte das Glück, an schwedischen Schulen hospitieren zu dürfen", erzählte Ute Lesniarek-Spieß auf dem Podium des Ganztagsschulkongresses. "Von dort brachte ich, was die Räume betraf, das Gefühl von Großzügigkeit und Wohlbefinden mit. Auf dem ersten Ganztagsschulkongress hörte ich dann von den Ganztagsschulen in Herford, die Mauern durch Glas ersetzten. Nach einem Besuch dort haben wir dies auch bei uns umgesetzt."

Mit Mut neue Räume betreten

Impressionen vom Ganztagsschulkongress

Heute präsentiert sich die Schule mit verschiedenen, kleinen Inseln zum Lernen und Entspannen. Der Flur öffnet sich zu beiden Seiten in große Räume mit Tischen, Sofas, Pflanzen, Personalcomputern und sogar einem Klavier. Rechts und links gehen die Klassenzimmer ab, die durch Glaswände getrennt sind. Durch die verbundenen und verbindenden Räume müsse die Zeit nicht mehr fragmentiert werden, sondern der ganze Tag sei Lernzeit, die sich aus verschiedenen Elementen zusammensetze. "Lehrerinnen, Sozialpädagoginnen und Erzieherinnen verstehen sich jetzt als ein Team. Sie sehen, dass sie nicht nur für sich alleine arbeiten", berichtete Ute Lesniarek-Spieß. Die Lehre, die sie aus diesen Erfahrungen ziehe, sei es, Mut zu haben und nicht immer zu argumentieren: "Das ist alles sehr schön, aber bei uns geht das ja leider nicht."

Prof. Michael Braum vom Vorstand der Bundesstiftung Baukultur befand: "Das Wichtigste sind zunächst einmal motivierte Menschen. Wenn man sich in Räumen bewege, die man wertschätze, sei einerseits die Pflege dieser Räume selbstverständlich, andererseits mache auch das Lernen mehr Spaß. "Es ist daher wichtig, dass diejenigen, welche die Räume nutzen sollen, auch an den Planungsgesprächen beteiligt werden."

Für die Zukunft wünschte sich Braum, dass Schulen einmal die Funktion in einer Kommune übernehmen, die früher die Kirchen inne hatten: als soziale Orte, die von allen Bürgerinnen und Bürger aufgesucht und zur Kommunikation genutzt werden. Dies unterstützte auch Schulleiter Jürgen Fischer von der Joseph-von-Eichendorff-Gesamtschule in Kassel: "Wir wollen mit unserer Schule Mittelpunkt im Stadtviertel werden. Vereine müssen ihre Feten bei uns feiern wollen."

Veränderungen in den Köpfen

Die Ausführungen auf dem Podium zum Thema "Raumqualität" fanden am Nachmittag des ersten Kongresstages ihre Fortsetzung in einem offenen Forum. Der Berliner Künstler Matthias Wagner plädierte für unterschiedliche Räume und Beleuchtungen in einer Ganztagsschule, in der neben dem Lernen Aktivitäten wie Essen, Freizeit und Bewegung stattfänden. Und ebenso setzte sich Wagner dafür ein, Schülerinnen und Schülern ein Mitspracherecht bei der Planung neuer Räume zu geben. Im Studienprojekt "Die Baupiloten" an der TU Berlin, in welchem Studierende der Architektur eine forschungsorientierte Baumaßnahme als konkretes Projekt realisieren, habe sich nämlich gezeigt, dass Jugendliche "vehement andere Räume als Architekten" entwickelten.

Im Forum zeigte sich die Bandbreite an Möglichkeiten, etwas in Schulen zu verändern. An der Hannah-Höch-Schule in Berlin-Reinickendorf, ist durch einen großzügigen Umbau eine ganze "Lernetage" entstanden. Die Gottfried-Kinkel-Grundschule in Bonn hat ein neues Gebäude für die offene Ganztagsschule bekommen, doch "auch das war bald für uns zu klein", erklärte die Geschäftsführerin des "Gemeinnützigen Kinderwerks Baronsky, dem Träger des Offenen Ganztags an der Gottfried-Kinkel Grundschule. "Da es ein bisschen viel verlangt gewesen wäre, dass uns die Kommune noch ein weiteres Haus baut, mussten wir überlegen, wie wir unsere vorhandenen Räume nutzen. Am schwierigsten war es, etwas in den Köpfen der Kolleginnen und der pädagogischen Partner zu ändern. Räume zu öffnen bringt Ängste mit sich. Hoheiten gehen verloren, und man muss buchstäblich zusammen rücken und Einstellungen ändern."

Man begegne diesen Ängsten am besten, indem man Teams schaffe und das Lehrerzimmer für alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter öffne: "Unser Lehrerzimmer heißt jetzt Personalraum", so Petra Baronsky. Und die Kinder übernehmen Patenschaften für ihre Räume unter dem Motto "Vom Klassenraum zum klasse Raum."

Zur Qualität eines Raumes gehört auch das Mobiliar, gab Livia Dorscheid, Architektin und Diplom-Ingenieurin aus dem Saarland, zu bedenken. "Niemand liest sein Lieblingsbuch gerne am Küchentisch", erklärte sie. Um Schule zum Lebensort für Kinder werden lassen, müsse eine angenehme Lern- und Arbeitsatmosphäre geschaffen und ein Raum entsprechend eingerichtet werden. Hier können bereits Kleinigkeiten einen Unterschied machen. So verführen gemütliche Leseecken eher zum Schmökern als unbequeme Stühle und harte Tische.

Kategorien: Erweiterte Suche

Die Übernahme von Artikeln und Interviews - auch auszugsweise und/oder bei Nennung der Quelle - ist nur nach Zustimmung der Online-Redaktion erlaubt. Wir bitten um folgende Zitierweise: Autor/in: Artikelüberschrift. Datum. In: https://www.ganztagsschulen.org/xxx. Datum des Zugriffs: 00.00.0000