Schulbaupreis NRW 2013: "Ein Stück Heimat schaffen" : Datum: Autor: Autor/in: Ralf Augsburg

Zum zweiten Mal nach 2008 verliehen das Schulministerium NRW und die Architektenkammer NRW den Schulbaupreis NRW. Am 16. September 2013 freuten sich 25 Schulen, Bauherren und Architekten in Düsseldorf über eine Auszeichnung.

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© Architektenkammer NRW

25 Preisverleihungen in rund zwei Stunden. Die Gefahr, dass den rund 200 Gästen bei der Verleihung des 2. Schulbaupreises NRW am Abend des 16. September 2013 im Laufe der Veranstaltung ein wenig die Konzentration abhanden kommen würde, war bei der geballten Präsentation von Bauwerken und Jurybegründungen durchaus gegeben. Dass es stattdessen eine kurzweilige und unterhaltsame Preisverleihung im Düsseldorfer K21 Ständehaus wurde, lag nicht nur an der souveränen Moderation der Journalistin Benedicta Junghanns und den Jazz-Einlagen der Big Band des Theodor-Fliedner-Gymnasiums aus Düsseldorf, sondern auch an den vorgestellten preisgekrönten Bauwerken selbst.

Die an die Wand des Foyers des Ständehauses projizierten Fotos der 25 preisgekrönten Schulen bildeten eine äußerst abwechslungsreiche Bandbreite architektonischer Stile und Baumaßnahmen aller Schulformen, über ganz Nordrhein-Westfalen verteilt, ab. Mensen im Grünen, Turnhallen mitten in der Stadt, gigantische Neubauten wie das 2012 fertig gestellte Neue Gymnasium in Bochum oder sorgsame Sanierung wie die der denkmalgeschützten Geschwister-Scholl-Gesamtschule in Lünen, die 1956 bis 1962 von Hans Scharoun entworfen wurde – der Abend war ein Parforceritt durch die Schularchitektur.

Diese besitzt laut Prof. Ludwig Wappner in Deutschland leider noch nicht den Stellenwert wie zum Beispiel in der Schweiz: „Schulbau ist eine öffentliche Aufgabe und wird es hoffentlich auch bleiben. Er ist ein gesellschaftspolitisch bedeutsames Thema, benötigt aber auch eine gesellschaftliche Plattform“, so der Münchener Architekt, der den Vorsitz der Jury übernommen hatte. „In Deutschland herrscht da noch Nachholbedarf. Ich wundere mich manchmal, wie es die Schweizer anstellen, die öffentlich leidenschaftlich darüber diskutieren, mit welcher Farbe die Wand an einer Schule gestrichen werden soll.“

Hohe Beteiligung mit hoher Qualität

Um das öffentliche Bewusstsein auf das Thema Schularchitektur zu lenken, lobte die Architektenkammer NRW zusammen mit dem Ministerium für Schule und Weiterbildung des Landes Nordrhein-Westfalen 2008 erstmals den Schulbaupreis NRW aus. Der Preis wird „nicht allein für städtebauliche, funktionale und gestalterische Qualitäten der Schulgebäude vergeben, sondern berücksichtigt ebenso Besonderheiten des Planungsprozesses und Aspekte der Nachhaltigkeit“, erklärte Hartmut Miksch, der Präsident der Architektenkammer NRW. „Die preisgekrönten Bauten sind Ermutigung und zugleich Appell an uns als Gesellschaft, der angemessenen Entwicklung des gebauten Lernumfeldes eine hohe Priorität zu geben.“

Miksch freute sich zu Beginn der Preisverleihung, dass zum einen die Beteiligung mit 128 eingereichten Beiträgen hoch ausgefallen war, zum anderen aber auch über die hohe Qualität der architektonischen Maßnahmen. Diese fand ihren Widerhall auch in der Tatsache, dass die Jury die höchstmögliche Zahl von 25 Preisen, davon zwei Sonderpreise, vergeben hatte. Sehr viele eingereichte Bauprojekte betrafen Grundschulen – „hier machen sich die notwendigen Umbauten zur Einrichtung von offenen Ganztagsschulen bemerkbar“, erläuterte der Jury-Vorsitzende Wappner. „Viele Schulen wollen Lernlandschaften einrichten, die oft mit den Erfordernissen des selbstständigen Lernens in Ganztagsschulen einhergehen. Lernlandschaften waren auch schon in den 70er Jahren Thema und wurden damals gebaut, allerdings nicht besonders gut.“

Am Wettbewerb konnten sich Schulen, Schulträger und Mitglieder einer Architektenkammer im gegenseitigen Einvernehmen mit Baumaßnahmen bewerben, die von 2008 bis zum April 2013 fertig gestellt wurden. Die Jury bestand aus neun Mitgliedern: Neben dem Vorsitzenden Wappner und Kammerpräsident Miksch waren es die Innenarchitektin Sabine Keggenhoff aus Arnsberg, der Architekt Frank Hausmann aus Aachen, der Architekt Martin Gerth aus Düsseldorf, der Landschaftsarchitekt Stephan Lenzen aus Bonn. Dazu kamen als Vertreter des Schulministeriums Ulrich Heinemann und des Bauministeriums Kay Noell sowie der ehemalige Schulleiter der Gesamtschule Gelsenkirchen-Bismarck, Harald Lehmann. Die meisten von ihnen lasen an diesem Abend aus den Begründungen der Jury vor, während die Preisträger auf der Bühne die Glückwünsche und ihre Auszeichnungen entgegennahmen.

„Angst vor den Laien ist unbegründet“

„Wir haben uns in der Jury ordentlich gestritten“, plauderte Hartmut Miksch aus dem Nähkästchen, „aber wenn ich die Preisträger sehe, hat es sich wirklich gelohnt, denn sind wir zu sehr guten Ergebnissen gekommen.“ Die nordrhein-westfälische Schulministerin Sylvia Löhrmann zeigte sich überzeugt, dass die große Vielfalt bei den Preisträgern vorhanden sei, „weil wir bei diesem Wettbewerb keine genauen Standards vorgegeben haben“.

Gerade in Ganztagsschulen müssten Schulen nicht nur als Orte des Lernens, sondern auch des Lebens verwirklicht werden, führte Hartmut Miksch aus. Für Sylvia Löhrmann, die zusammen mit Miksch die Preise jeweils überreichte, ist die „Flexibilität“ ein wichtiges Kriterium gelungener Schularchitektur: „Ich habe ein umgebautes Berufskolleg in Ostwestfalen besucht, bei dem das Dachgeschoss durch bewegliche Zwischenwände schnell aufgeteilt und so von verschiedenen Lerngruppen unterschiedlich genutzt werden konnte.“ Die Räume sollten den Lernanforderungen schnell und unkompliziert angepasst werden können. Schön ist es der Ministerin zufolge auch, wenn Außenräume wie ein Schulgarten in den Unterricht einbezogen werden können.

Preisträgerinnen und Preisträger mit Ministerin Löhrmann
Gruppenbild mit Ministerin: Sylvia Löhrmann (vorne links) applaudiert den Preisträgerinnen und Preisträgern beim abschließenden Gruppenfoto © Thilo Saltmann

Sylvia Löhrmann war ein Zweites wichtig: „Bei der Planung sollten Schülerinnen und Schüler, Eltern und die Lehrkräfte miteinbezogen werden. Die Erfahrung lehrt, dass die Räume dann besser angenommen werden und es nicht teurer werden muss. Es reichen manchmal schon kleine Maßnahmen wie in meiner Schulzeit, als wir eine Wand in unserem Klassenzimmer selbst bemalen durften, damit sich die Schule mehr wie ein Stück Heimat anfühlt. Und vor Ort wissen die Akteure am besten, was sie benötigen. Die eine Ganztagsschule richtet sich einen Ruheraum ein, die andere einen Bewegungsraum.“

Bestätigt wurde sie durch Peter Hübner. Der Diplom-Ingenieur verantwortete den Entwurf des Neubaus der Justus-von-Liebig-Gemeinschaftshauptschule, einer gebundenen Ganztagsschule in Moers. Er hatte von Beginn an die Schule beteiligt und zog sein Fazit: „Die Angst vor den Laien ist unbegründet. Wenn man die Betroffenen fragt, dann entstehen Häuser, die geliebt werden.“

Kleine Maßnahmen mit großer Wirkung

Der Ministerin dürften da die beiden ausgelobten Sonderpreise besonders gefallen haben, denn sie stellten die Einbeziehung der Kinder und Jugendlichen und das Engagement aller am Schulleben Beteiligten in Rechnung. Die Düsseldorfer Alfred-Herrhausen-Förderschule mit den Förderschwerpunkten Lernen sowie emotionale und soziale Entwicklung (Primarstufe und Sekundarstufe I) erhielt den Preis für einen Terrassenanbau. In den Jahren 2009 bis 2012 waren die Schülerinnen und Schüler dieser offenen Ganztagsschule im Rahmen des Modellversuchs „Schulkunst – Kunst verändert Schule“ vom Entwurfsgedanken bis zur öffentlichen Präsentation einbezogen. „Die Arbeit ist auch von einer hohen gestalterischen Qualität“, lobte die Jury.

Die Geschwister-Scholl-Realschule im westfälischen Senden, ebenfalls eine offene Ganztagsschule, erhielt ihren Sonderpreis für die Neugestaltung des Übermittagsbereichs. Diese Arbeit überzeugte die Jury auch gerade deshalb, weil sie auf den Ideen der Jugendlichen, der Lehrerinnen und Lehrer sowie der Eltern basierte. „An den verschiedenen Eingriffen ist spürbar, dass die Ideen und Ansätze direkt aus dem notwendigen pädagogischen Bedarf vor Ort entwickelt und umgesetzt worden sind“, begründete die Jury ihre Entscheidung. Und weiter: „Die Jury betont, dass auch derartige kleine Umbaumaßnahmen viel bewirken und für eine Verbesserung von Lern- und Aufenthaltsqualität sorgen können.“

Wie sehr die Umwandlung des Halbtags- in ein Ganztagsschulsystem auch für räumliche Veränderungen in der nordrhein-westfälischen Schullandschaft gesorgt hat, zeigte sich auch an den klar als Ganztagsumbaumaßnahmen deklarierten Siegerschulen. So wurde beispielsweise die Städtische Gemeinschaftsgrundschule Deutzer Straße in Düsseldorf erweitert, das Schulzentrum Horn-Bad Meinberg erhielt eine Mensa, die Städtische Gemeinschaftsgrundschule Porz-Ensen-Westhoven wurde zur offenen Ganztagsschule erweitert und umgebaut sowie die Grundschule Rosenmaarschule in Köln zur offenen Ganztagsschule erweitert und renoviert.

Neben dem Ganztag rückt nun ein anderes Thema in den Vordergrund, das in den kommenden Jahren die Bautätigkeit an den Schulen weiter befeuern wird: „Inklusion wird das große Thema“, erklärte Sylvia Löhrmann zum Abschluss der Preisverleihung.

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