Schulbau für den Ganztag: pädagogisch modern : Datum: Autor: Autor/in: Stephan Lüke

Die Schulbau-Messe lockte diesmal zahlreiche Interessierte nach Dresden. Sächsische Städte präsentierten gute Beispiele moderner und nachhaltiger Schulgebäude. Sogar eine „Task Force Schulhausbau“ gibt es.

Schulbau-Messe in Dresden: Sachsen investiert in Ganztagsangebote
Schulbau-Messe in Dresden: Sachsen investiert in Ganztagsangebote © Uwe Schoßig Cubus Medien Verlag

Wenn es noch eines Impulses bedurft hätte, so lieferte ihn Prof. Mikala Holme Samsøe am zweiten Tag der Schulbau-Messe in Dresden. Als während der Diskussion zum Thema „Nutzung im Bestand – Umbau statt Neubau“ die Sprache auf die so genannten Flurschulen kam, betonte die dänische Architektin zweierlei: „Pflegen und Reparieren ist auch Umbaukultur“ und „Neu gilt zwar als lecker, aber alt hat Patina.“

Mit „lecker“ bewerten Dänen weniger ein Essen. Das Wort bedeutet schön, gut, angenehm. Was sie also sagen wollte: Bei allen veränderten Anforderungen an Schulen, auch im Hinblick auf den Ganztag, solle man nicht kapitulieren, nur weil ein Neubau nicht realisierbar sei. „Doch dazu müssen wir auch in unseren Köpfen umbauen“, meinte sie.

Ihr Gegenüber in der Diskussion, der Chemnitzer Architekt Dirk Fellendorf, stimmte ihr zu. Man solle mit dem Vorhandenen sinnvoll und bewusst umgehen. Dabei betrachtet er den Begriff „Vorhandenes“ umfassender. Er plädiert sogar dafür, nicht um jeden Preis an der bisherigen Nutzung eines Gebäudes festzuhalten. „Aus einer Schule können Wohnungen, aus Industriegebäuden Schulen erwachsen.“ Einig waren sich beide, dass Schule offen für ihr Umfeld und umgekehrt sein soll. Fellendorf: „Ich bin gegen Schulen auf der grünen Wiese. Mit Schule kann man Quartiere entwickeln. Schulen haben Strahlkraft.“

Freistaat Sachsen: Hohe Investitionen

Strahlkraft können auch die regelmäßigen Messen rund um den „Bildungsbau“ entwickeln. Das formulierten die Veranstalter möglicherweise sogar ungewollt in ihrer Ankündigung für Dresden: „Nichts ist so sicher wie der Schulbau! Die Investitionen gehen uneingeschränkt im Bildungsbau weiter. Das Land Sachsen stellt in den nächsten Doppelhaushalt 2023/2024 hohe Budgets für den Schulbau (Kitas und Schulen und Berufsschulzentren) ein und hat große Fördermittelpläne zum qualitativen und quantitativen Ausbau der Schulen.“ Erwähnt wird auch, dass fast alle Schulen des Landes Ganztagsangebote – kurz: GTA – im Programm haben. Zusätzliche Investitionen können aus dem Investitionsprogram des Bundes zur Ganztagsbetreuung für Grundschulkinder genutzt werden.

Bildungsbürgermeister Jan Donhauser vertritt die Landeshauptstadt.
Bildungsbürgermeister Jan Donhauser vertritt die Landeshauptstadt. © Uwe Schoßig Cubus Medien Verlag

Mit Dresden, Leipzig und Chemnitz rückten in den Dresdener Messetagen drei Großstädte in den Blickpunkt, die allesamt von sich behaupten dürfen, nicht nur über die Notwendigkeit moderner Schulgebäude zu sprechen, sondern auch zu handeln. Bildungsbürgermeister Jan Donhauser sei stellvertretend erwähnt. Er verwies darauf, dass Dresden in den vergangenen sieben Jahren 800 Millionen Euro in Schulen gesteckt habe. Allen Baukonzepten lägen modernste pädagogische Erkenntnisse zugrunde. Die Gebäude tragen aber auch der Forderung nach mehr Nachhaltigkeit Rechnung.

Beispielsweise die Schule am Schilfweg. Sie wurde in klimafreundlicher Holzmodulbauweise gebaut. Donhauser ließ manch Zuhörenden neidisch werden als er ankündigte: „Wenn wir weiterhin jedes Jahr 100 Millionen Euro in Neu- und Umbau von Schulen stecken, sind bis 2032 alle Schulen in unserer Stadt fertig.“

Task Force für den Schulbau

Ähnliche Erfolgsgeschichten wussten die Leiter der Ämter für Gebäudemanagement Sven Stein aus Leipzig und Thomas Kütter aus Chemnitz, beide selbst Diplom-Bauingenieure, zu erzählen. So erfuhren die Messegäste, dass in Leipzig nicht nur eine Task Force für den Schulbau, sondern auch eine eigene Behörde für die Genehmigung von Schulbauten etabliert worden ist. Ein Vorteil stellten die kürzeren Wege und die schnellere Kommunikation dar.

„Sonst wäre es nicht möglich, eine Schule innerhalb von 24 Monaten zu planen und zu bauen“, versicherte Sven Stein. Aber auch er wies auf die Bedeutung hin, Bestehendes zu nutzen: „Wir müssen von der Neubau- in die Sanierungsstrategie übergehen.“ Und er mahnte: „Wir dürfen uns auch nicht zurücklehnen, sondern müssen Gebäude, seien sie neu oder saniert, auch am Leben halten.“

Thomas Kütter bezog sich indirekt auf die Ausführungen von Dirk Fellendorf: „Wir wollen moderne Lernorte mit dem Charme des Alten, wie beim Chemnitzer Schulmodell, schaffen.“ Mit Blick auf die Aufgaben der Schulbauarchitektur ergänzte der langjährige Bau- und Projektleiter aber auch: „Das Ziel ist verfehlt, wenn sich bei der Eröffnung nur der Architekt freut, weil er sich ein Denkmal gesetzt hat.“

Identifikation ermöglichen

Beteiligung der Schülerinnen und Schüler gehört zum Schulbau
Beteiligung der Schülerinnen und Schüler gehört zum Schulbau © Uwe Schoßig Cubus Medien Verlag

Als moderne Lernorte kann man Schulen bezeichnen, deren Konzeption nicht nur „schöne“ Architektur zugrunde liegt, sondern die moderne Pädagogik ermöglichen. Sprich Räume, die einen hohen Aufenthaltscharakter haben, die Differenzierung ermöglichen – von der Klassen-, Gruppen- bis zur individuellen Arbeit. Mehrere Architektenbüros präsentierten solche Bildungseinrichtungen - von der Gemeinschaftsschule Albertstadt, die zum Campus Cordis in Dresden wächst, über den Neubau des Gymnasiums Dresden-Klotzsche bis hin zum Campus Dösner Weg in Leipzig.

Einig waren sich die Expertinnen und Experten, dass bei Bau und Umbau Elemente nicht vergessen werden dürfen, die zur Identifikation der Nutzerinnen und Nutzer führen – so wie beispielsweise die Integration eines alten, großflächigen Glasbildes im Neubau in Klotzsche. Dem in diesem Zusammenhang geäußerten Appell, die Nutzer in einem modernen Verfahren frühzeitig pfiffig einzubinden („Umplanungen sind teuer“), stimmten die Zuhörenden ausdrücklich zu. Immer wieder wurden dabei die Schülerinnen und Schüler benannt.

Katharina Stahlhoven von der Bundesstiftung Baukultur brachte das auf den Punkt: „In schönen Räumen lernen ist gut. Doch wenn ich selbst etwas dazu beigetragen habe und selbst erfahren habe, dass ich etwas gestalten kann, greife ich das später möglicherweise wieder auf.“ Als eine Möglichkeit nannte sie die gemeinsame Gestaltung eines grünen Klassenzimmers. Aus diesem Grund forderte sie auch, der baukulturellen Bildung eine größere Bedeutung zu schenken.

Es gelte, das Bewusstsein für Qualität im Bau zu schärfen: „Denn Räume prägen Menschen, Menschen prägen Räume.“ Deshalb sollte das Handwerk einen höheren gesellschaftlichen Wert haben, „nicht nur für die, die das Abitur nicht ablegen“. Sie plädierte dafür, dies konkret in der Schule umzusetzen, „nicht nur durch das Bauen von Vogelhäuschen, sondern durch etwas, was die Schulgemeinschaft benötigt.“ Für eine Zuhörende war sofort klar: „Das können wir bestens im Unterricht und in einer Arbeitsgemeinschaft unseres Ganztags umsetzen.“

Ganztag und Mehrfachnutzungen

Lebhafte Diskussionen um nachhaltigen Schulbau
Lebhafte Diskussionen um nachhaltigen Schulbau © Uwe Schoßig Cubus Medien Verlag

In einer lebhaften Diskussion widmeten sich Landschaftsexpertinnen und -experten der zeitgemäßen, nachhaltigen Gestaltung von Schulfreiflächen. Auch hier herrschte Übereinstimmung, dass man stärker schätzen solle, was bereits existiert. „Denn“, so erinnerte die Landschaftsarchitektin Claudia Blaurock: „Jeder neue Baum ist ein Langzeitpatient.“ Sprich, er benötigt über einen sehr langen Zeitraum besonders viel Pflege und Bewässerung. Alle Diskutierenden mahnten in diesem Zusammenhang: „Regenwasser ist kein Abfallprodukt. Wir müssen es nutzen.“ Was für einen Zuhörenden erneut einen Impuls darstellte: „Auch das können wir im Ganztag thematisieren und beispielsweise mit den Schülerinnen und Schülern Regentonnen bauen.“

Der Ganztag spielte, einmal ausgesprochen, einmal nur gedanklich, bei vielen Diskussionen und Gesprächen eine Rolle. Etwa, wenn es um den stets wiederkehrenden Gedanken ging, Schulgebäude nicht alleine für schulische Zwecke zu planen und zu nutzen. Als Begründung wurden natürlich stets finanzielle Aspekte und die Nachhaltigkeit herangeführt, aber auch die Synergieeffekte von Mehrfachnutzungen wurden hervorgehoben. Was die Finanzen anbetrifft, erinnerte ein Architekt aus Potsdam daran, dass die Doppelnutzung von Räumen und Flächen, beispielsweise für Unterricht und Ganztagsangebote, auch viel Geld spare.

Jost Fohmann, Landesbeauftragter für Bildung für nachhaltige Entwicklung im Sächsischen Staatsministerium für Kultus, wünschte sich „Zentren der Begegnung“. Henriette Weber, die Leiterin der Task Force Schulhausbau/Kita in Leipzig, erläuterte die Bedeutung von „Stadträumen“ und plädierte beispielsweise dafür, die Freiflächen von Schulgebäuden stärker für die Öffentlichkeit zugänglich zu machen.

Ein Beispiel ist der Campus Dösner Weg. Hier wurde ein am Ort des Neubaus früher existierender Fußballplatz auf dem Dach der neuen Sporthalle angelegt, der gleichermaßen von Schule wie Vereinen genutzt werden kann. Den Zugang zum Dach ermöglicht eine breite Treppenlandschaft, die gleichzeitig Sitzmöglichkeiten zum Verweilen beinhaltet, aber auch als Tribüne für Veranstaltungen genutzt werden kann.

Bauen in Zeiten knapper Kassen

Über vielen Inhalten kreiste die bange Frage: „Wer soll das bezahlen?“. Umstritten blieb beispielweise das in diesem Zusammenhang häufig diskutierte Thema der Lüftungsanlagen in Schulen. Luisa Manthey vom Gebäudemanagement der Stadt Königstein in der Sächsischen Schweiz fürchtet, dass man möglicherweise am Inventar, wie an Stühlen und Tischen, sparen müsse, da die „Hülle“ und der Brandschutz „stehen“ müssten. Sie räumte allerdings ein, dass dies für die Schülerinnen und Schüler durchaus frustrierend sein könne.

Henriette Weber leitet die "Task Force Schulhausbau/Kita" in Leipzig.
Henriette Weber leitet die "Task Force Schulhausbau/Kita" in Leipzig. © Uwe Schoßig Cubus Medien Verlag

Inzwischen hat sich auch das Schulmobiliar weiterentwickelt, bis hin zu speziell für den Ganztag entworfenen Tischen und Stühlen. Auf der Schulbau-Messe präsentierten sich auch wieder Schulmöbelhersteller, etwa mit höhenverstellbaren Stühlen und sogenannten Fünfecktischen. Letztere ermöglichen eine weit höhere flexible Nutzung als dreieckige Modelle und bieten unter anderem mehr Ablagefläche. Durch die Höhenregulierung können die Stühle auf unterschiedliche Körpergrößen und damit Altersstufen eingestellt werden. Sie können also auch in jahrgangsübergreifenden Arbeitsgemeinschaften des Ganztags genutzt werden.

Alle Vertreter der drei Großstädte machten deutlich, dass die Frage der Kosten eine der Haltung und der Prioritäten sei. Henriette Weber, selbst von Hause aus Architektin, appellierte angesichts knapper Kassen dafür, genau zu prüfen, „was wir uns wirklich leisten können“. Zustimmung erntete sie für die Feststellung: „Wir können keine Pause beim Schulbau einlegen, um die Kostenentwicklung abzuwarten.“

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