Neue Räume braucht das Land… für den Ganztag : Datum:

Schulhospitationen finden in Schleswig-Holstein inzwischen auch online statt. Schulleiter Christian Naterski stellte Ideen zur Doppelnutzung von Räumen an seiner Schule in Reinbek vor und beantwortete Fragen von Teilnehmenden.

Neue Wege braucht das Land. So könnte das Motto der Serviceagentur „Ganztägig lernen“ Schleswig-Holstein in Anlehnung an einen 40 Jahre alten Song von Ina Deter, aber eben leicht und doch entscheidend abgewandelt, gelautet haben. Auch in Corona-Zeiten sollten die im nördlichsten Bundesland so geschätzten Besuche anderer Ganztagsschulen zum Kennenlernen und Erfahrungsaustausch nicht gestrichen werden. Die Idee der Online-Hospitationen wurde geboren – und soll beibehalten werden.

Und dann benötigt man eben einmal einen neuen Mann fürs Land. Einen wie Christian Naterski, Schulleiter der Gertrud-Lege Grundschule in Reinbek, einem Vorörtchen von Hamburg. Seine Aufgabe: Präsentation von Ideen zur Doppelnutzung von Räumen. „Schulräume in der Ganztagsschule gemeinsam nutzen“, hat die Serviceagentur als Titel ausgewählt und damit viele an und für Ganztagsschulen Tätigen und Engagierte gelockt. Sie brachten eine Fülle von Fragen mit, die der neue Mann und sein Team fürs Land geduldig beantworteten.

Online-Redaktion: Wie sehen Klassenräume aus, die gleichermaßen für Ganztagsangebote und Unterricht genutzt werden?

Schulhof
© Gertrud-Lege-Schule

Naterski: Es ist meines Erachtens nicht sinnvoll, dass die Kinder den gesamten Tag nur in Klassenräumen verbringen. Es braucht zusätzliche Räume, die anders gestaltet sind. Ganztag darf nicht bedeuten, dass eine Vormittagsschule einfach den gesamten Tag über genutzt wird. Für eine sinnvolle Doppelnutzung braucht es mehr Platz als nur die alten Klassenräume.

Online-Redaktion: Welche Ideen zur Doppelnutzung von Räumen haben Sie in Ihrer Schule entwickelt, und was versprechen Sie sich davon?

Christian Naterski: Wir möchten über die Clusteridee ein Schulgebäude schaffen, das durch die unterschiedliche Gestaltung verschiedener Räume gemeinsam genutzt werden kann. Es geht nicht nur darum, einen Klassenraum, der in der Größe auf 60 Quadratmeter begrenzt ist, so zu gestalten, dass er für den Vor- und Nachmittag ausreicht. Ein Gebäude, das den gesamten Tag über genutzt werden soll, benötigt insgesamt mehr Raum als ein Gebäude, das nur den halben Tag genutzt wird.

Online-Redaktion: Welche pädagogischen Vorteile sehen Sie in der Doppelnutzung?

Naterski: Sie ist aus Sicht der Kinder vorteilhaft, wenn sie den gesamten Tag in einer Einrichtung verbringen können, sofern sie dafür ausgestattet ist. Es bringt ganz viel Entspannung in den Alltag, wenn die Kinder einen Ort haben, an dem sie den Tag verbringen können, an dem die gleichen Regeln und Bedingungen herrschen und an dem sie nicht „wandern“ müssen.

Online-Redaktion: Gibt es bestimmte Möblierungen, die eine Doppelnutzung erleichtern?

Naterski: Ja, es gibt erfreulicherweise inzwischen vielfältige Möbel, die eine Flexibilität in der Nutzung ermöglichen. Je vielfältiger die Nutzungsmöglichkeiten sind, desto besser!

Online-Redaktion: Wie gelingt es, die ganze Schule und besonders auch Lehrerinnen und Lehrer, die ja unter neuen Bedingungen unterrichten, für die Doppelnutzung zu begeistern?

Naterski: Es gelingt mit Ideen und Plänen, die einen Mehrwert für beide Bereiche im Vergleich zur aktuellen Situation bringen. Sofern es bislang getrennte Bereiche für den Vor- und Nachmittag gibt, kann eine Zusammenführung beider Bereiche trotz „Raumeinsparung“ zu einem Mehrwert für beide führen. Wichtig ist, dass es gelingt, die Kollegien davon zu überzeugen, dass sie nichts verlieren, sondern durch die engere Verzahnung etwas gewinnen. Mehr Nähe ergibt mehr Kommunikation und damit auch mehr und bessere Förderung sowie Unterstützung der Schülerinnen und Schüler.

Schulhof
© Gertrud-Lege-Schule

Online-Redaktion: Wir planen einen Schulneubau. Was sollten wir beachten?

Naterski: Wichtig ist aus meiner Sicht, dass beide Professionen, diejenigen, die bisher hauptsächlich am Vormittag tätig sind, und diejenigen, die vorwiegend den Nachmittag gestalten, das Gebäude gemeinsam planen und gestalten können. Eine Schule, die als Ganztagsschule gedacht wird, sieht völlig anders aus, als eine Schule, die aus Vormittagsschule und Nachmittagsbetreuung besteht. Wenn die Vorgabe ist, nun alle Räume gemeinsam zu nutzen, müssen beide Seiten sich gleichberechtigt einbringen.

Fast alle Schulen sind ursprünglich als reine Vormittagsschule gebaut worden. Daher ist es immer sinnvoll, zunächst die Bedarfe einer modernen Ganztagsschule zu ermitteln und dann das Schulgebäude daraufhin neu zu gestalten und gegebenenfalls zu erweitern. Es ist nicht zielführend, ohne ein Gesamtkonzept nur fehlende Räume anzubauen.

Online-Redaktion: Wie sehen für Sie intelligente und kreative Raumkonzepte für die Ganztagsschule aus?

Naterski: Die einzelnen Räume können einen Schwerpunkt für die vor- oder nachmittägliche Nutzung haben. Sie sollten dann aber in einem räumlichen Zusammenhang stehen, sodass sie unkompliziert den ganzen Tag über genutzt werden können. Am Vormittag benötigen wir neben einem Klassenraum weitere Räume, beispielweise zum Lernen in kleinen Gruppen oder in verschiedenen Kontexten. Am Nachmittag benötigen wir neben Räumen, die zum Spielen und Entspannen dienen, immer auch welche, in denen Lernangebote gemacht werden können.

Und das Zusammenspiel beider Bereiche muss passen! Das gelingt natürlich nur, wenn sich die Akteure der beteiligten unterschiedlichen Professionen frühzeitig in der „Phase Null“, also vor Beginn der eigentlichen Planung der Räumlichkeiten und der Ausstattung auf ein gemeinsames Bildungsverständnis einigen und überlegen, unter welchen Voraussetzungen dieses Bildungsverständnis umgesetzt werden kann. Die Räumlichkeiten spielen dabei eine nicht zu unterschätzende Rolle.

Online-Redaktion: Was sollte eine Schule mit klassischen Fluren beim Umbau zur Clusterschule beachten?

Naterski: Wie gesagt, zunächst sollte ein gemeinsames Konzept erarbeitet werden, das vollkommen unabhängig von den vorhandenen Räumen sein kann. Wenn das Konzept steht, muss das vorhandene Raumangebot passend gemacht und gegebenenfalls auch erweitert werden.

Schulhof
© Gertrud-Lege-Schule

Online-Redaktion: Wie binde ich Schülerinnen, Schüler und Eltern in die Planung und Gestaltung ein?

Naterski: Schülerinnen und Schüler haben immer zusätzliche gute Ideen aus ihrem Erfahrungshorizont, die über gemeinsame Gespräche in Gremien wie dem Schülerparlament ermittelt werden können. Das gilt ebenso für die Eltern und den Schulelternbeirat. Die Erkenntnisse sollten in die Planungen einfließen, allein schon aus partizipativer Sicht, aber auch, um die Akzeptanz der Planungen und schließlich der Ergebnisse zu erhöhen.

Online-Redaktion: Wer sollte die Schulplanung steuern: Die Schule, der Schulträger oder...?

Naterski: Der Schulträger als Bauherr sollte im besten Fall gemeinsam mit der Schulleitung und der Ganztagsleitung agieren. Die Steuerung sollte dennoch beim Schulträger liegen. Er ist ja für die äußeren Schulangelegenheiten, also die Errichtung und Unterhaltung der Schulen per Gesetz zuständig.

Online-Redaktion: Gab es bei der Planung des Neubaus Ihrer Schule eine externe pädagogische Beratung?

Naterski: Wir sind seit vielen Jahren im Netzwerk „Ganztägig Lernen“ aktiv und haben darüber ganz viele Eindrücke und Ideen von anderen Schulen mitgenommen. Diese Erfahrungen sind in unser Konzept eingeflossen. Unsere Arbeitsgruppe bestand aus Schulleitung, Lehrkräften, unserer Schulsozialarbeiterin, dem Hortleiter und der pädagogischen OGS-Leitung. Eine zusätzliche pädagogische Beratung gab es nicht.

Positive Reaktionen im Chat

Offensichtlich konnten viele Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Online-Hospitation für sich Anregungen mitnehmen. Die Reaktionen im Chat jedenfalls fielen entsprechend positiv aus: „Vielen Dank für den Einblick und behaltet die Idee des gebundenen Ganztags bei. Sehen wir auch so“, lautete eine Formulierung. Eine andere Person notierte: „Herzlichen Dank für die Vorbereitung und Mühe!!! Solche Erfahrungen sind sehr wertvoll :).“ Und schließlich hielt jemand fest: „Dankeschön, wir wissen nun, dass wir auch auf dem richtigen Weg sind :-).

Und dann fand sich die Nachricht wieder, der vermutlich sehr viele zustimmen werden: „Es wäre wünschenswert, wenn Ganztagsklassen über mehr Raum verfügen würden als nur ein Klassenzimmer. Dennoch ist dies an manchen Schulen der Fall.“

Kategorien: Service - Kurzmeldungen

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