Licht, Luft und Bewegung für den Ganztag : Datum: Autor: Autor/in: Ralf Augsburg

Der Schulbau-Kaffeeklatsch „Licht, Luft und Bewegungsräume für differenziertes Lernen“ leuchtete rotweißrot, mit drei Experten aus Österreich: einem Architekten, einem Lichtdesigner und einem Lüftungsspezialisten.

Georg Poduschka Anna Popelka
Georg Poduschka und Anna Popelka aus Wien © Anna Sophia Rühmann

Der monatliche „Schulbau Kaffeeklatsch mit Experten“, seit einem Jahr ein Online-Format der Schulbau-Messe, leuchtete am 16. Juni 2021 rotweißrot. Drei Experten aus Österreich – ein Architekt, ein Lichtdesigner und ein Bauingenieur – sprachen in dem rund einstündigen Live Chat über „Licht, Luft und Bewegungsräume für differenziertes Lernen“ und beantworteten Fragen der rund 70 Zuschauenden.

„Im Ganztag brauchen die Schülerinnen und Schüler und die Lehrkräfte viel (Tages-)Licht, gute Raumluft und gezielt Bewegungsräume, um konzentriert und individuell lernen beziehungsweise lehren zu können“, erklärte Moderator Martin Jung zur Einleitung.

Zeitgemäßer Schulbau in Wien ...

In Wien hat das Büro von Georg Poduschka und Anna Popelka 2014 den Bildungscampus Sonnwendviertel entworfen. Die Volks- und Berufsschule Längenfeldgasse, die im Herbst 2020 fertiggestellt wurde, ist unter anderem für den Mies van der Rohe Award 2022 nominiert. Die 17-klassige Ganztagsgrundschule für Kinder von sechs bis zehn Jahren ist in vier Cluster à vier Bildungsräume eingeteilt und jeweils um eine multifunktionale Zone, die „Lernlandschaft“, angeordnet.

Teamräume des Kollegiums im Cluster-Verband und Klassenräume jeweils mit einem Nebenraum orientieren sich an einer Pädagogik, in der nicht der klassische „Frontalunterricht“, sondern Projektarbeit und freies Lernen im Vordergrund stehen. Die Teams haben jeweils Überblick über ihr Cluster und Nähe zum Nachbar-Cluster. „Jeder der Bildungsbereiche hat sein eigenes kleines 'Nest', einen Rückzugsbereich“, so Georg Poduschka. „Die Wände können als Stauraum für die Utensilien der Schülerinnen und Schüler genutzt werden.“

Der Schulneubau an der Längenfeldgasse nimmt in seiner räumlichen Ausdehnung Rücksicht auf den Bestand, indem nur der ehemalige Sportplatz bebaut worden ist und der Obstbaumgarten bestehen blieb. Begegnungsraum für alle Kinder und auch für die Pädagoginnen und Pädagogen ist das Erdgeschoss. Die große Aula hat Sichtbeziehung zur Straße und zum Garten. Ein großer Freiraum auf dem Dach der Schule ist als Bewegungs- und Freiraum für die Kinder nutzbar und belichtet die Cluster zusätzlich von oben.

... und Berlin

Grafik Schulbau
„Synergie schaffen, Gemeinschaft fördern" © PPAG Architects

In Berlin-Marzahn entsteht gerade in der Allee der Kosmonauten ein von Georg Poduschka und Anna Popelka entworfenes Schulgebäude für eine Integrierte Sekundarschule und ein Gymnasium. Im August wird der Spatenstich erfolgen.

„Wir sind mit Begeisterung im Bildungsbau tätig“, so Poduschka, „weil sich dieser gerade neu erfindet. Alle Aspekte des zeitgemäßen Bildungsbaus haben mit Bewegung zu tun. In Ganztagsschulen wechseln sich Freizeit und Unterricht ab, und die einzelnen Raumteile müssen vielfältige Interpretationsmöglichkeiten bieten – ein Schüler hat seinen Lieblingsplatz zum Essen, ein anderer zum Studieren. Im Bildungscampus Sonnenviertel eignet sich die Sporthalle für Bewegung ebenso wie für Theateraufführungen.“

In Berlin haben Anna Popelka und Georg Poduschka zwei Sporthallen in die Mitte des Gebäudekomplexes gelegt. „Sie sind damit nicht nur für den Sport nutzbar, sondern auch unmittelbar von den Schülerinnen und Schülern in der Pause oder für große Präsentationen oder Versuche in der Physik, bei der man viel Platz oder große Höhe braucht, zugänglich.“

Tageslicht in den Raum bringen

Licht ist das Thema des Lichtdesigners Robert Müller aus der Nähe von Innsbruck. Er verfügt über eine umfassende lichttechnische Ausbildung – Tageslichttechnik, Kunstlichttechnik und Wahrnehmungspsychologie – und hat unter anderem die Schule am See, eine Volks- und Mittelschule der Marktgemeinde Hard im österreichischen Bundesland Vorarlberg, und eine Privatschule Wollerau im Kanton Schwyz in der Schweiz mitgestaltet.

Müller möchte „von der reinen mathematischen Diskussion weg, dass der Schulbau einen Tageslichtanteil von zwei bis drei Prozent benötigt“. Für ihn geht es „um viel mehr Qualitäten, die das Tageslicht in den Raum bringen kann – das geht von regnerischen Tagen über sonnige Tage bis zum Sonnenuntergang. Alle diese Stimmungen sind für den Menschen sehr wichtig. Man muss Licht als mehr erleben als nur einen physikalischen Wert.“

Allee der Kosmonauten Innen
„Abnehmendes Tageslicht wird mit Kunstlicht ergänzt." © PPAG Architects

In seinen Entwürfen setze sein Büro bewusst das Sonnenlicht ein. Inzwischen erlaube es die Technik mit einer programmierten Steuerung, das Kunstlicht dem Tageslichteinfall anzupassen. „Bei schlechtem Wetter zum Beispiel wird mit weißerem und sehr brillantem Licht ergänzt, damit die Dreidimensionalität nicht verloren geht. Abnehmendes Tageslicht wird mit Kunstlicht ergänzt – aber so ergänzt, dass es niemand merkt.“

Automatisiertes Lüften

Auch für Ernst Kainmüller ist „das Wetter auf unserem Planeten immer eine Inspiration“. Der Diplom-Ingenieur aus Wien stellte sein Konzept der „natürlichen automatisierten Fensterspaltlüftung“ vor – ein Thema, das gerade noch an Bedeutung gewinnt. „Die Energie für das Wetter ist kostenlos. Sie entsteht durch Temperaturunterschiede und durch die daraus entstehenden Druckunterschiede. Die Reaktionen auf die freigesetzte Energie sind unaufhaltsam und mit einer ständigen Luftbewegung verbunden. Diese Luftbewegung versorgt ohne technische Hilfsmittel die ganze Erde ununterbrochen mit Frischluft“, erläuterte er das Prinzip, das seinem Konzept mit dem schönen Namen „Klassenbester“ zugrunde liegt.

Ohne dass Schülerinnen und Schüler oder Lehrkräfte sich darum kümmern müssten, öffnen und schließen sich Fenster hier automatisch je nach Zugluft, Raumtemperatur und CO2-Belastung. Eine Wetterstation am Gebäude misst draußen die Temperatur und die Windgeschwindigkeit, während eine Messstation innen die Temperatur und CO2-Werte ermittelt. Das System arbeitet rund um die Uhr und sorgt für einen ausreichenden Luftaustausch – auch während der Heizperiode – und ohne dass der Raum zu sehr auskühlt und auch nicht überwärmt.

Zum Abschluss betonte Schularchitekt Georg Poduschka, der mit seinen Mitreferenten unter anderem bei der Planung des Bildungscampus Sonnwendviertel und bei der Volks- und Berufsschule Längenfeldgasse auch schon selbst zusammengearbeitet hat, wie wichtig das Zusammenspiel unterschiedlicher Expertisen und Professionen ist. Denn wie hatte er schon eingangs gesagt?

Gebäude Allee der Kosmonauten
Integrierte Sekundarschule in der Allee der Kosmonauten, Berlin © PPAG Architects

„Schule bedeutet nicht nur Lernen, sondern auch Bewegen, Spielen, Ausruhen, Essen, Austauschen, Musikmachen und vieles mehr. Räume müssen über den Tag hinweg für unterschiedliche Nutzungen zu Verfügung stehen und zu verschiedenen Aktivitäten anregen. Wir müssen also Räume so gestalten, dass sie für Ganztagsangebote ganz unterschiedlicher Art die passende Atmosphäre und Funktionalität bieten.“
 

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Kategorien: Service - Kurzmeldungen

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