Ganztagsschulen benötigen gut gestaltete Schulhöfe : Datum: Autor: Autor/in: Stephan Lüke

Welche Bedeutung ein attraktiver Schulhof für Ganztagsschulen hat und wie dessen Umgestaltung gelingt, erklären Professor Dr. Susanne Edinger (SRH Hochschule Heidelberg) und Hans-Joachim Schmidt (Serviceagentur „Ganztägig lernen“ Saarland).

Online-Redaktion: Seit mehr als 20 Jahren sind Sie feste Ansprechpartner für Schulen und Kommunen, die bereit sind, Schulhofumgestaltung nicht nur als nette optische Verbesserung, sondern als Chance der Schulentwicklung zu betrachten. An ihren Fortbildungen „Umgestaltung des Schulgeländes unter ökologischen, spielpädagogischen und sicherheitstechnischen Gesichtspunkten“, wie jüngst am Gymnasium Ottweiler, nehmen nicht nur Lehrkräfte und Vertreter von Kommunen, sondern auch Schülerinnen und Schüler teil. Sie plädieren auch für deren systematische Einbindung in den Prozess der Schulhofgestaltung. Warum?

Hans-Joachim Schmidt: Schulhofumgestaltung bedeutet immer auch Partizipation. Schülerinnen und Schüler, die eine Ganztagsschule besuchen, verbringen dort einen Großteil ihres Tages. Also müssen sie mitgestalten können. Ganz abgesehen davon, dass sie unglaublich kreativ sind und vor allem Signale geben, was sie benötigen.

Prof. Dr. Susanne Edinger: Außerdem identifizieren sie sich nach einem gemeinschaftlich durchgeführtem Projekt mit ihrem Schulhof und fühlen sich verantwortlich. Mutwillige Zerstörungen sind an jenen Schulen, an denen die Schüler beteiligt wurden, ausgesprochen gering. Aber es geht nicht nur um die Schülerpartizipation. Eltern, Lehrkräfte, Schulträger, Hausmeister, Vereine, ja auch die Nachbarschaft sollten eingebunden werden. Gerade die Öffnung nach außen in den Ort ist bedeutsam. Zum einen, weil die Akzeptanz der Schule steigt, zum anderen aber auch, weil aus dem Umfeld wertvolle Anregungen und nicht zuletzt auch Unterstützung, sei es durch Arbeitskraft oder materielle Dinge, gewonnen werden können.

Online Redaktion: Wann sollte diese Beteiligung einsetzen?

Demnonstrantin mit einem "Muss kurz noch die Welt retten"-Schild
Ideen und Wünsche zur Schulhofgestaltung einer Schülerin der Grundschule Neumünster © Grundschule Neumünster

Edinger: Unbedingt schon in der so genannten Diskussionsphase. In ihr soll herausgefunden werden, was am Schulhof nicht gefällt und was geändert werden soll. Diese Phase der Ideenentwicklung braucht eine gewisse Zeit. Fragt man Schüler, Lehrer und Eltern ohne Vorbereitung nach ihren Wünschen, könnte es passieren, dass lediglich reproduziert wird, was schon von Spielplätzen oder Freizeitparks her bekannt ist.

Schmidt: Am Anfang empfiehlt sich, eine Zukunftswerkstatt zu organisieren. Hier treffen sich alle und entwickeln Pläne, lassen ihrer Fantasie freien Lauf. Dann befinden wir uns schon in der Visionsphase, der dann später die Realisierung folgt. Aber fertig wird man eigentlich nie. Diese Erfahrung habe ich als ehemaliger Leiter der Grundschule Eiweiler gemacht. Wir haben ganz klein mit nachhaltigen Projekten begonnen. Und es kamen immer neue Dinge, übrigens oft angeregt von außen dazu.

Online-Redaktion: Welche Bedeutung hat ein attraktiv gestalteter Schulhof oder Schulgarten für Ganztagsschulen?

Edinger: Die Schülerinnen und Schüler halten sich tagsüber auf dem Schulgelände von Ganztagschulen mindestens solange auf wie zuhause. Wir wissen, dass der Mensch ständig Informationen aus dem Raum erhält. Also sollte sich das Schulgelände wohltuend und anregend auf die Psyche des Einzelnen auswirken. Erlebnisse und Gefühle werden in der Regel verortet und langfristig erinnert: „Dort hinten haben wir immer Brennball gespielt“ oder „An der Treppe standen immer nur die Großen“. An einem anregenden Ort kann ich ganzheitlich arbeiten. Mit kleinen Projekten, wie etwa einem Schulgarten, erweitern sich die Gestaltungsmöglichkeiten der Schülerinnen und Schüler. Sie spüren, etwas verändern und beeinflussen zu können, und müssen Verantwortung übernehmen. Das geht übrigens auch bei der Umgestaltung des Schulhofs. An vielen Schulen, die wir begleitet haben, haben die Schülerinnen und Schüler aktiv mitgestaltet. Jeder nach seinen Möglichkeiten. Einige haben die Baumstämme getragen, andere sie zur Sitzgruppe angeordnet und wieder andere haben das Gelände von Unkraut befreit. Da entstand Gemeinschaft.

Schmidt: Die Ganztagsschule wird mehr und mehr zum Lebensraum der Kinder und Jugendlichen. Gerade deshalb muss er entsprechend gestaltet werden und nicht wie bislang noch häufig allein aus grauem Asphalt bestehen. Wir brauchen Freizeitangebote sowie Bewegungs- und Aktivitätsflächen wie zum Beispiel den Schulgarten.

Online-Redaktion: Und haben kein oder zuwenig Geld dafür...

Edinger: Wir wissen alle, dass die meisten Kommunen wenig Geld haben. Aber es gibt Momente, in denen Geld vorhanden ist. Wenn beispielsweise der Asphalt kaputt geht und zur Unfallgefahr wird, wollen viele Schulen, dass das eigentlich für die Reparatur vorgesehene Geld in eine Umgestaltung investiert wird. Vor allem hat sich die Gründung eines Fördervereins bewährt. Auch wenn viele Maßnahmen mit wenig Geld, aber umso mehr Fantasie umsetzbar sind, so ist ein finanzielles Polster immer zu empfehlen. Nichts ist frustrierender, als ein Projekt nach einer euphorischen Ideenentwicklung wegen Geldmangels abzubrechen. Darauf allein aber sollte man nicht setzen. Es gibt zahlreiche Sponsoren, die bereit sind, derartige Projekte zu unterstützen. Das fängt bei Stiftungen, aber auch Krankenkassen und Unternehmen an.

Schmidt: Aber Sie werden sich auch wundern, wie viel Unterstützung Sie aus der Eltern- und Nachbarschaft erfahren, wenn sich die Schule öffnet. Ich kann nur raten, klein anzufangen und zu schauen, wer bereit ist, personell, materiell oder finanziell mitzuwirken. Das Extremste, das ich als Schulleiter erlebt habe, war der Einsatz von Menschen, die ein Bußgeld etwa für (viel) zu schnelles Fahren nicht bezahlen konnten und stattdessen bei uns Sozialstunden abgeleistet haben. Einer hat mit den Kindern ein tolles Lehmhaus gebaut.

Online-Redaktion: Sprechen wir einmal über den Sicherheitsaspekt. Worauf sollte man bei der Schulhofgestaltung unbedingt achten?

Edinger: Das lässt sich nicht in jedem Detail beantworten. Ich rate immer dazu, sich bei Anordnung und Aufbau von Geräten zum Beispiel Rat bei der Unfallkasse einzuholen. Die kennen die Bestimmungen und sind sicher gerne bereit, sich ein Modell des künftigen Schulhofs anzuschauen. Das Erstellen des Modells ist übrigens ein wunderbarer fächerübergreifender Arbeitsauftrag für eine Projektwoche. Oft haben wir erlebt, dass Schulleitungen Veränderungen mit dem Hinweis, die Feuerwehr brauche freie Zufahrt, abgelehnt haben. Wir können nur empfehlen: Sprechen Sie mit Ihrer Feuerwehr und loten Sie die Möglichkeiten aus.

Schmidt: Es gibt ein paar ganz konkrete Hinweise. Nehmen wir an, Sie laden den Förster ein und der stellt Ihnen Baumstämme zur Verfügung. Dann achten Sie darauf, dass diese nicht höher als 60 Zentimeter sind. Wenn nämlich die Absturzhöhe dieses Maß nicht überschreitet, können Sie ihn gefahrlos als Sitz- oder Balanciergelegenheit sogar auf den Asphalt legen. Ist er höher, muss der Untergrund weicher sein, etwa aus Sand, Rasen oder Kies bestehen. Oder: Wenn Sie ein Spielgerät, das andernorts abgegeben wird, selbst zusammenbauen wollen, muss es aus sicherheitstechnischen Gründen offiziell abgenommen werden. Doch auch das ist kein Problem, da es Unfallkassen kostenlos übernehmen. Und schließlich noch ein Hinweis: Spielgeräte, die nur ein oder zwei Kinder gleichzeitig nutzen können, sind für den Schulhof ungeeignet. Sie führen in der Regel zu Auseinandersetzungen, wer denn nun gerade, sagen wir einmal schaukeln darf. Ein Spielgerät sollte immer so groß sein, dass es eine ganze Klasse gleichzeitig nutzen kann.

Online-Redaktion: Welchen Beitrag kann ein Schulgarten zur Attraktivität einer Schule leisten?

Edinger: Ich bin davon überzeugt. Denn durch das Anlegen und Pflegen eines Schulgartens wird der Geist der Nachhaltigkeit gefördert. Und nicht zu vergessen: So ein Garten bedeutet auch Lernen mit allen Sinnen.

Schmidt: Das Schulgelände und der Schulgarten bieten vielfältige Möglichkeiten, Beziehungen zu Pflanzen, Tieren und Menschen zu fördern. Durch das Anlegen von Beeten, einer Kräuterspirale oder eines Teichs können neue Pflanzen angesiedelt werden. Durch das Aufhängen von Nistmöglichkeiten oder den Bau eines Insektenhotels können neue Tiere auf das Schulgelände gelockt werden. Was man mit den Händen selbst gepflanzt oder gebaut hat, schätzt und schützt man. Das alles führt zu mehr Identifikation mit der Schule und dann auch zu besseren Leistungen im Unterricht. Lassen Sie sich nicht vom Geldargument abschrecken. Entwickeln Sie Fantasie. Etwa indem sie Hobbygärtner ansprechen. Mancher ist sicher froh, Ableger kostenlos abzugeben, Stauden zu teilen oder seine alten Gartengeräten abzugeben. Also: Sprechen Sie laut über Ihre Pläne und entwickeln Sie Eigeninitiative. Sie werden belohnt werden.

Hans-Joachim Schmidt  ist seit 2006 Mitarbeiter in der Serviceagentur „Ganztägig lernen“. Sein Spezialgebiet: Bildung für nachhaltige Entwicklung. Er hat an verschiedenen Hauptschulen im Saarland unterrichtet, leitete von 1989 bis 1995 die Beratungsstelle „Schulgarten, Schulhofgestaltung“ am Landesinstitut für Pädagogik und Medien in Saarbrücken und war anschließend Rektor der Grundschule Eiweiler.

Prof. Dr. Susanne Edinger ist seit 1994 Professorin an der SRH Hochschule Heidelberg. Sie promovierte 1988 zum Thema „Schulhofgestaltung unter freiraumplanerischen und städtebaulichen Gesichtspunkten“ und nahm sich seitdem systematisch des Themas an. Sie informiert und berät Schulen im Rahmen von Pädagogischen Tagen und  Fortbildungsveranstaltungen.

Kategorien: Service - Kurzmeldungen

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