Ganztagsschule digital im „Schulbau Kaffeeklatsch“ : Datum: Autor: Autor/in: Ralf Augsburg

Im Online-Seminar „Schulbau Kaffeeklatsch“ der Schulbau Messe informieren Expertinnen und Experten über bauliche und pädagogische Konzepte. Neue Räume braucht es auch für digitale Lernkonzepte.

In der realen Welt würde man von „bis auf den letzten Platz besetzt“ sprechen. Für den LiveChat, die virtuelle Variante einer Tagung, die die Macher der Schulbau Messe am 6. Mai 2020 organisierten, hieß es „komplett ausgebucht“. Knapp 100 Interessierte – Schulleitungen, Lehrkräfte, Schulbauverantwortliche aus der öffentlichen Verwaltung und aus Planungsbüros – schalteten sich in das einstündige „Schulbau Kaffeeklatsch“-Online-Seminar, um Florian Dirszus vom Schulverwaltungsamt Düsseldorf und Stefan Ruppaner, Schulleiter der Alemannenschule Wutöschingen, zu den Themen „Medienentwicklungsplanung – Digitale Lernkonzepte“ zu lauschen, im Chat schriftliche Kommentare und Fragen beizusteuern und so in einen Dialog zu kommen.

„Wir wollen den LiveChat zwanglos und familiär abhalten. Unserer Erfahrung nach entstehen in einer solchen Atmosphäre die besten Ideen. Daher auch der Name Kaffeeklatsch“, erläuterte Martin Jung, Geschäftsführer des Cubus Medien Verlags, im Trailer zum Online-Seminar „Bestandsflurschulen“ mit Expertin Katharina Sütterlin. Alle zwei Wochen mittwochs findet dieses Format nun zu verschiedenen Themen statt. Das Thema der zweiten Ausgabe begründete Jung so: „Wenn Bildungsbauten neu gebaut, erweitert oder saniert werden, bietet das auch die Möglichkeit, die Raumkonzeptionen an die Erfordernisse des neuen digitalen Lernens anzupassen.“

Stadt Düsseldorf mit neuer Lernplattform „itslearning“

Düsseldorf itslearning
© Stadt Düsseldorf / Ingo Lammert

Das ist natürlich auch für eine Großstadt wie Düsseldorf eine Herausforderung. Florian Dirszus, der stellvertretende Leiter des Schulverwaltungsamts, berichtete davon. Die Landeshauptstadt hat Ende 2019 gerade 100 Millionen Euro für einen „Medienentwicklungsplan 2020 bis 2025“ aufgelegt – das Zehnfache der Summe, die bisher jährlich zur Verfügung standen. 22 Millionen Euro stammen aus dem Digitalpakt des Bundes.

„Unser Medienentwicklungsplan ruht auf drei Säulen: der technischen Infrastruktur, dem Finanzierungskonzept und vor allem einem pädagogischen Konzept. Die rund 150 Schulen in unserer Stadt können entscheiden, wie sie sich in der medialen Arbeit ausrichten wollen“, erläuterte Florian Dirszus.

Zwei Maßnahmen, die eigentlich erst im kommenden Jahr greifen sollten, sind vorgezogen worden und bereits jetzt gestartet. Die zentrale Lernplattform „itslearning“ ging Mitte April ans Netz. 60.000 der insgesamt 80.000 Lehrenden und Lernenden arbeiten und kommunizieren auf dieser Plattform, 5.000 Kurse sind dort eingerichtet worden. Alle Fächer und Aufgaben, die zur Bearbeitung anstehen, sind sichtbar, und Live-Unterricht ist möglich. Es gibt Videokonferenz-Tools, sodass sich Schülerinnen und Schüler mit Lehrkräften austauschen können. Dokumente können erstellt und hochgeladen werden.

Schulbau gibt Rückenwind für die Digitalisierung

„Das Besondere ist, dass es auch eine Plattform für die Eltern ist. Sie können sehen, welche Aufgaben ihre Kinder lösen müssen. Über Chat-Funktionen können auch sie mit den Lehrerinnen und Lehrern oder sogar anderen Eltern in Kontakt kommen“, erläuterte Florian Dirszus. „Es sind Push-Nachrichten auf jedes mobile Endgerät möglich. Auch Schulleitungen oder Schulträger können Nachrichten versenden.“ Die Reaktionen der Schulen seien positiv. Schulen, die bereits eigene Lernplattformen genutzt hätten, könnten diese weiterhin nutzen.

Die Stadt hat als weitere Maßnahme die dichtere Ausstattung mit mobilen Endgeräten wie Laptops und Tablets vorgezogen. 15.000 Tablets werden schon jetzt nach und nach an die Schulen verteilt. Im Sommer soll ein Ausstattungsniveau von einem Gerät auf vier Schüler erreicht sein. Im kommenden Jahr wird für die weitere Ausstattung ein Elternfinanzierungskonzept, dass soziale Komponenten berücksichtigt, folgen. Dabei wird auch ein Programm des Bundes und der Länder zur digitalen Sofortausstattung mit einfließen.

Der Rat der Landeshauptstadt Düsseldorf hat das Thema Bildung als Standortfaktor priorisiert und lenkt innerhalb von acht Jahren über eine Milliarde Euro in Schulneubauten und Umbauten. „Das hat auch der Digitalisierung einen guten Rückenwind verschafft“, beschreibt das Florian Dirszus. Das Schulverwaltungsamt gestalte diesen Prozess „aus einer Hand“: vom Schulbau über die IT-Ausstattung bis zum Medienentwicklungsplan. Die Raumkonzepte werden gemeinsam mit den Schulen entwickelt.

Düsseldorfer Schülerinnen
© Stadt Düsseldorf / Gstettenbauer

Sich zu etwas Neuem bewegen

Wie sich digitale Medien nutzen lassen, zeigt Düsseldorf ganz aktuell bei den offenen Ganztagsgrundschulen: Honorarkräfte, die momentan ihre sportlichen oder künstlerischen Angebote nicht durchführen können, werden von der Stadt weiter finanziert. Die außerschulischen Kooperationspartner filmen ihre Aktivitäten und Angebote. Diese können in einer digitalen Lernbibliothek hochgeladen und von den Lehrerinnen und Lehrer für den virtuellen Unterricht genutzt werden.

„Es gibt in meiner Wahrnehmung eine große Begeisterungsfähigkeit der Lehrerinnen und Lehrer für den Einsatz digitaler Medien im Unterricht“, so Florian Dirszus. „Dafür braucht es sicherlich gute Fortbildungsangebote, beispielsweise Tutorials, Seminare und Schulungen, um die Hemmschwelle zu überwinden, diese Medien zu nutzen. Natürlich ist das auch eine Haltungsfrage, das gilt ebenso für neue Raumkonzepte. Hier wie dort geht es um die Bereitschaft, sich vom Tradierten zu etwas Neuem zu bewegen, Innovation und Kreativität zu fördern. Entscheidend ist dabei nicht, dass alle im Kollegium gleich mitmachen, sondern dass jemand anfängt.“

Alemannenschule Wutöschingen: Lernateliers und Tablets

Die Alemannenschule Wutöschingen im baden-württembergischen Landkreis Waldshut arbeitet schon seit Jahren auch im virtuellen Klassenzimmer. Nicht zuletzt mit ihrer Differenzierung und Individualisierung, die durch digitales Lernen unterstützt wird, gewann die Gemeinschaftsschule 2019 den Deutschen Schulpreis. Schulleiter Stefan Ruppaner berichtete im Experten-LiveChat ausführlich von den Erfahrungen seines Kollegiums: „Wir haben vor zehn Jahren angefangen, anders zu lernen, wobei das Digitale ein Werkzeug ist. Und wir können nur erfolgreich digital lernen, wenn wir uns die Räume in der Schule anders aneignen.“

Wutöschingen Arbeitsplatz
Arbeitsplätze in der Alemannenschule Wutöschingen © Alemannenschule

In der Alemannenschule gibt es keine Klassenzimmer im alten Stil mehr, sondern Lernateliers. Die Schülerinnen und Schüler lernen in Lerngruppen sowohl mit analogen als auch mit digitalen Lernmitteln. Es gibt sogenannte Input-Räume, in denen die Lehrkräfte jeweils einen Input von nicht mehr als 20 Minuten geben und anschließend in Stillarbeit gelernt wird. Und es gibt den so genannten Marktplatz für das kooperative Lernen. Hinzu kommen Räume für den „Clubunterricht“, zu dem auch Nachmittagsangebote gehören, und „Lebensräume“ für die Mittagsfreizeit.

„Unser sechster Bereich ist die digitale Lernumgebung“, erläuterte Stefan Ruppaner. Manche Schülerinnen und Schüler würden – „das müsste uns zu denken geben“ – besser im „Home-Office“ als in der Schule lernen. Als Lernplattform nutzt die Schule die Open Source-Plattform DiLer. Hier sind in einer geschützten Umgebung Informationen und Nachrichten hinterlegt, alle Beteiligten – Lehrerinnen und Lehrer, Schülerinnen und Schüler und Eltern – können sich gegenseitig kontaktieren. „Die Lernplattform und die Materialien haben wir mit den Schülerinnen und Schülern und den Eltern entwickelt, und die Jugendlichen testen die Entwicklungen immer zuerst und verbessern sie, das ist ständig im Fluss.“

Die Schülerinnen und Schüler der Alemannenschule verfügen seit Jahren über Tablets. Bücher müssen die Jugendlichen nicht mehr von der Schule nach Hause und wieder in die Schule schleppen. Stefan Ruppaner zufolge reichen gut aufbereitete Materialien und die Tablets aus. Mit den Tablets geht es auch mal in den Wald, um Filme zu drehen oder „eine Ameisenstraße zu dokumentieren“. Die Schülerinnen und Schüler arbeiten mit Kompetenzrastern. „Sie sehen genau, welche Anforderungen an sie gestellt werden, und mit welchen Materialien sie arbeiten müssen, wenn sie etwas noch nicht können. Sie steuern ihren Lernfortschritt mit Hilfe der hervorragend konzipierten Materialien selbst.“

Ein neues Format für den Erfahrungsaustausch

Als kürzlich klar wurde, dass es für einen gewissen Zeitraum die gewohnten Veranstaltungen und Workshops für den Erfahrungsaustausch von Ganztagsschulen vorläufig nicht geben wird, schienen auch für die Redaktion www.ganztagsschulen.org die gewohnten Veranstaltungsberichte ein wenig in die Ferne gerückt. Dieser Veranstaltungsbericht ist eine Premiere. Das Resümee: Das Online-Seminar-Format kann zumindest durchaus ein Workshop-Format ersetzen. Die Interaktivität der fortlaufenden Kommentare und Fragen im Chat kommen einer Diskussion zwar nicht gleich, aber der so erreichte Informationsaustausch – auch unter den Teilnehmenden – ist reizvoll und ein Gewinn. Dies bezeugten auch die Kommentare der Teilnehmenden am Ende des wie jedes Schulbau-Kaffeeklatsch-Online-Seminar auf eine Stunde begrenzten interessanten und kurzweiligen Austauschs.

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