Architektur ganztags! – Spielräume für baukulturelle Bildung : Datum: Autor: Autor/in: Ralf Augsburg

Mit seiner Tagung „Architektur ganztags! – Spielräume für baukulturelle Bildung“ zeigte das Deutsche Architekturmuseum am 21. und 22. November 2013 in Frankfurt am Main, dass dies auch Perspektivwechsel, Vernetzung, interdisziplinäre Arbeit und Beteiligung von Schülerinnen und Schülern umfasst.

„Architektur ganztags“ – mit diesem Thema hat das Deutsche Architekturmuseum in Frankfurt am Main offenbar einen Nerv getroffen. Auf jeden Fall konnte sich Peter Cachola Schmal, der Leitende Direktor, am 21. November 2013 zu Beginn der zweitägigen Tagung über eine ausgebuchte Veranstaltung freuen. Im vollbesetzten Auditorium begrüßte Schmal die Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus Architektur und Bildung.

„Das Deutsche Architekturmuseum möchte ein Forum sein. Uns ist daran gelegen, die Vermittlung von Architektur in die kulturelle Bildung zu integrieren, besonders in den Schulen. Dazu bilden wir auch Lehrkräfte fort“, so Cachola. „Dabei können wir bereits erste Erfolge verzeichnen – einige Schulen haben Architektur in ihre Curricula aufgenommen.“

Für das Hessische Kultusministerium lobte Staatssekretär Alexander Lorz das Deutsche Architekturmuseum mit dessen Programm „Architektur macht Schule“ als führend. „Architektur erschließt sich nicht von selbst, sie muss erklärt und vermittelt werden. Diese ästhetische Vermittlung darf in den Schulen nicht neben der kognitiven Bildung verschwinden“, erklärte Lorz in seinem Grußwort. „Diese Vermittlung ist natürlich nur in der interdisziplinären Arbeit möglich. Hier können die Schulen mit außerschulischen Partnern wie den Kammern, den Hochschulen oder den Museen kooperieren. Dem Hessischen Kultusministerium ist das ein Anliegen.“

„Alle hessischen Grundschulen sollen Ganztagsschulen werden“

Für Lorz ist die „ganztägige Architektur“ ein „spannendes“ Thema: „Ganztagsschulbauten stellen andere Anforderungen als Halbtagsschulen." Auch zum Stand des Ganztagsschulausbaus allgemein sagte der Staatssekretär etwas: „Beim Ganztagsschulausbau sind wir auf dem Weg und stocken weiterhin mit 115 Lehrerstellen jährlich auf. Der Bedarf ist allerdings noch nicht gestillt worden. Unabhängig davon, wer die nächste Regierung bildet, wird der Ausbau weitergehen und das bestimmende Thema der nächsten Jahre werden. Wir wollen am Ende der Legislaturperiode alle Grundschulen zu Ganztagsschulen umgewandelt haben.“

Hans-Ulrich Schulz vom Vorstand der Wüstenrot-Stiftung warb in seinem Grußwort für das von der Stiftung entwickelte Programm „Baukultur – gebaute Umwelt. Curriculare Bausteine für den Unterricht“. Schulz meinte: „Die Baukultur war immer nur ein Mauerblümchen im Unterricht. Die Schülerinnen und Schüler lernen gerade mal den Unterschied zwischen Romanik und Gotik, wenn es hochkommt. Die Lehrerinnen und Lehrer werden selbst in diesem Thema nicht geschult, so findet es auch keinen Platz im Schulalltag.“

Mit dem vor drei Jahren vorgestellten „Baukultur“-Programm lasse sich das Thema ohne größeren Aufwand in den Unterricht einbinden und sei von vielen Schulen bereits in der Praxis verankert. Das Lehrangebot biete 36 modulare Bausteine für zwölf Unterrichtsfächer, die an Vorgaben und Schulwirklichkeit angepasst seien sowie ein hohes Maß an Flexibilität und Übertragbarkeit ermöglichten. Die drei Aufgabenfelder - sprachlich/künstlerisch, mathematisch/naturwissenschaftlich und gesellschaftswissenschaftlich seien dabei berücksichtigt. „So kann ‚Baukultur’ zu einem Querschnittsthema werden, das junge Menschen durch mehrere Fächer und die gesamte Schullaufbahn begleitet“, erläuterte Schulz.

„Eltern wählen die Schulen auch nach der Optik aus“

Reiner Nagel von der Bundesstiftung Baukultur sah neben diesem Projekt viele weitere bundesweite Initiativen, die das Thema Architektur in die Schulen trügen: „In den letzten Jahren wurde vieles Richtiges getan.“ Seine eigene Stiftung habe 2010 die Netzwerkkampagne „Bautraum“ gestartet. Die Kampagne, die unter der Schirmherrschaft der damaligen Bundesministerin für Bildung und Forschung Annette Schavan stand, initiierte und präsentierte schulische und außerschulische Aktivitäten, förderte die interdisziplinäre Arbeit und den Erfahrungsaustausch und regte zur Diskussion über Baukultur in den Bildungsorten an.

Daneben gebe es unter anderem noch das Konzept der KidS-Reihe ("Kammer in der Schule") der Architektenkammer Nordrhein-Westfalen. Hier ist das Ziel, Kinder und Jugendliche für ihre gebaute Umwelt zu sensibilisieren und ihnen zu zeigen, dass sie ihre Umwelt aktiv beeinflussen und gestalten können, zum Beispiel konkrete bauliche Probleme an ihrer eigenen Schule zu lösen. Ein kalter, abweisender Schulhof, die unfreundliche Klassenzimmergestaltung, der gewünschte Anbau oder ein Pausen-Pavillon – durch die KidS-Projekte konnten schon einige Schulen verschönert werden. In Niedersachsen wiederum habe die Architektenkammer 2010 eine Rahmenvereinbarung zur Kooperation mit Ganztagsschulen unterzeichnet.

Durch den Ganztagsschulausbau, laut Nagel das „größte Bildungsprogramm, das es je gegeben hat“, werde neben den Erweiterungen und Sanierungen die Baukultur als ein bewussterer Part wahrgenommen: „Zum Lernen braucht es einladende Räumlichkeiten, und immer mehr Eltern wählen die Schule für ihre Kinder auch nach optischen Eindrücken aus.“

Das Medium wechseln, um Architektur zu erfahren

Prof. Dr. Axel Buether von der Bergischen Universität Wuppertal bestätigte in seinem Vortrag „Sinneslandschaft und visuelle Kommunikation“ dies indirekt, indem er ausführte: „Jeder Raum bemisst sich danach, ob die Menschen ihn annehmen.“ Was die Vermittlung von Architektur in den Schulen betrifft, zeigte sich der Architekturwissenschaftler skeptisch, wenn dies nur durch das Anschauen von Bildern geschehe. „Architektur erfasst man nur vollständig, wenn man sie ertasten, wenn man durch sie gehen kann. Wenn Lehrkräfte denken: ‚Der Schüler sieht ja eh das Gleiche wie ich’, ist dies schon der erste Trugschluss. Wir sehen das, was wir wissen. Und wenn wir den Blick lenken, darüber sprechen, dann entdecke ich erst durch meine Aufmerksamkeit den Raum wirklich.“

Es gebe „unglaublich viele“ Wege, sich mit dem Raum auseinanderzusetzen. Ein gutes Mittel ist es dabei laut Buether, das Medium zu wechseln: „Architektur sollte ganzheitlich angegangen werden. Malen, Zeichnen, Modellieren erhöhen die Wahrnehmung der Qualität – wir können besser beschreiben, warum etwas wichtig ist.“

Die Verknüpfung von Raum und Bildung konnte Projektkoordinator Jürgen Dege-Rüger in seinem Vortrag illustrieren. Im Rahmen der Bildungsoffensive Elbinseln „durfte ich als Pädagoge in den vergangenen sieben Jahren mit Architekten und Stadtplanern üben, eine gemeinsame Sprache zu finden“. Die Internationale Bauausstellung Hamburg war dabei der Motor, eine ganze Region in der Stadt zu einer „Lernlandschaft“ umzubauen – im übertragenen Sinne, aber auch mit konkreten Baumaßnahmen.

Die gesammelten Erfahrungen, die er während dieses Prozesses, der in diesem Jahr mit der Präsentation des Erreichten abgeschlossen wurde, fasste Dege-Rüger zusammen: „Es ist wichtig, nicht in Zuständigkeiten zu denken. Administration und Pädagogen müssen hier einen Wechsel in ihrem Denken erreichen – alle werden gewinnen, auch wenn sie abgeben. Vor allem aber bin ich jetzt noch mehr als früher davon überzeugt, dass Kooperation und systematische Vernetzung das Entscheidende beim Gelingensprozess sind.“ Während des Aufbaus der Bildungslandschaft, der Verknüpfung von Schulen mit außerschulischen Partnern, der Jugendhilfe und anderen hätten sich die am Prozess Beteiligten aber auch eingestehen müssen, dass „wir Ganztagsschulbildung alle noch nicht so richtig können“.

Ein Platz in der Stadt wird zum Treffpunkt für Jugendliche

Auf der Tagung kamen die Praktiker und Wissenschaftler aus Architektur und Bildung in sechs Foren und in Diskussionsrunden ins Gespräch. In einem Forum konnten 18 Lehrkräfte sowie Architektinnen und Architekten unter Leitung von Helen Georg und Jan Weber-Ebnet von der Landesarbeitsgemeinschaft Architektur und Schule Bayern die Methode der „Stadtoasen“ von der ersten Idee bis zum Entwurf im Modell am konkreten Beispiel des "Sommercafés am Salzstadel" ausprobieren, erfahren, worauf es bei der Realisierung einer „Stadtoase“ ankommt und Fragen zu möglichen eigenen Projekt stellen.

Mit „Stadtoasen“ werden seit 2008 die sozialen Aktionsräume für Jugendliche in der Stadt Rosenheim durch Mehrfach- und Zwischennutzungen erweitert. Schnelle und flexible Lösungen werden von den Kindern und Jugendlichen dabei weitgehend selbst realisiert, die entsprechende Ausstattung mit Mobiliar und Finanzen und eine kontinuierliche fachliche und organisatorische Unterstützung wird dabei durch die Landesarbeitsgemeinschaft gewährleistet, auch durch Förderung des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung. Der Rosenheimer Platz „Am Salzstadel“ wurde beispielsweise unter anderem mit Pflanzen, Bühnen und Podesten zu einem Treffpunkt für Jugendliche umgebaut, wo auch Bandauftritte, Kino und Tanzen möglich wurden.

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