SV-Kongress Würzburg: „Demokratie ist für alle da“ : Datum: Autor: Autor/in: Ralf Augsburg

Das Bildungswerk für Schülervertretung und Schülerbeteiligung, kurz: SV-Bildungswerk veranstaltete im Dezember 2017 den viertägigen bundesweiten Kongress „Learning by Doing. Demokratiebildung in der Praxis“ in Würzburg. Viktoria Lachenmaier im Interview.

Gruppenfoto des SV-Bildungswerks
© SV-Bildungswerk

Online-Redaktion: Das SV-Bildungswerk hat kürzlich den bundesweiten Kongress „Learning by Doing. Demokratiebildung in der Praxis“ für Schülervertretungen durchgeführt. Worum ging es konkret?

Viktoria Lachenmaier: Wie man Demokratie und Schule verbinden kann, ist ein weites Thema. Aber für die Schülervertretungsarbeit ist es das Kernthema! Denn Schülervertretungen leisten ihre Arbeit in demokratischen und partizipativen Strukturen, die auf andere Bereiche in der Schule ausstrahlen. Auch auf unserem Kongress spiegelte sich dieses partizipative Herangehen: Es gab Workshop-Angebote, die wir organisiert hatten, aber die Teilnehmerinnen und Teilnehmer konnten sich vor Ort an den ersten beiden Abenden auch in sogenannten Nachtstudios mit eigenen Ideen einbringen.

Online-Redaktion: Was sind Inhalte der knapp 20 Workshops gewesen?

Lachenmaier: Es gab zum Beispiel einen englischsprachigen Workshop zur Partizipation „Democratic Citzenship from an international perspective” mit zwei Referentinnen aus Estland und aus der Schweiz. Zwei Referentinnen aus Österreich vom dortigen Bundesteam der Aktion kritischer Schülerinnen und Schüler widmeten sich im Workshop „Selektion im Bildungswesen als Gefahr für die Demokratie“ dem Thema soziale Herkunft und Bildungserfolg. In einem Workshop wurde die Idee einer „Koordinationsstelle Demokratiebildung" an jeder Schule vorgestellt. Außerdem gab es Workshops zu Themen wie Rechtspopulismus, Inklusion, „Politik als Schulfach“, „Geflüchtete im deutschen Schulsystem“, Hatespeech im Netz, aber auch „Satire gegen Menschenfeindlichkeit“.

Versammlung des SV-Bildungswerks
© SV-Bildungswerk / Fabian Wanisch

Dann haben wir als SV Bildungswerk einen Workshop zu unserem großen Projekt „Schule-Klima-Wandel“ durchgeführt. In diesem Projekt bilden wir in einer sechstägigen Qualifizierung Klimabotschafterinnen und -botschafter aus, die dazu befähigt werden, Workshops für Schülervertretungen oder auch andere Jugendorganisationen zum Thema Klima anzubieten. Warum ist das Thema Klimawandel wichtig? Was beeinflusst der Klimawandel? Die Jugendlichen können zu diesem Thema auch selbst ein Projekt an ihrer Schule starten, beispielsweise zum Zusammenhang von Klima und Flucht.

Online-Redaktion: Ein viertägiger Kongress ist ein ehrgeiziges Unterfangen. Welche Idee stand dahinter?

Lachenmaier: Die Idee eines Kongresses, bei dem Schülervertretungen aus ganz Deutschland zusammenkommen, sich vernetzen können und zu einem bestimmten inhaltlichen Thema arbeiten können, hatten wir schon ganz lange. Das scheiterte hauptsächlich daran, dass uns dazu die finanziellen Mittel fehlten. 2017 ergab sich dann die Möglichkeit der Förderung durch das BMBF. Demokratie ist für alle da, und so musste niemand außen vor bleiben, weil sie oder er sich eine Tagungsgebühr nicht leisten konnte.

Wir haben ein Projektteam gegründet, in dem alle drei Gruppen aus unserem Netzwerk mitarbeiteten: Vereinsmitglieder des SV-Bildungswerks, SV-Beraterinnen und -Berater, Klimabotschafterinnen und -botschafter. Das Team traf sich zweimal in Berlin, um den Kongress inhaltlich vorzubereiten. Wir wollten möglichst partizipativ arbeiten, denn dafür stehen wir als SV-Bildungswerk, und das wünschen wir uns auch für die Schulen.

Online-Redaktion: Wer war zum Kongress eingeladen?

Lachenmaier: Wir haben alle Kontakte genutzt, die wir haben, und Mitglieder der Landesschülervertretungen sowie der Bundesschülerkonferenz eingeladen. 13 von 16 Landesschülervertretungen sind schließlich auf dem Kongress vertreten gewesen, was eine richtig gute Quote ist. Aber auch Schülervertretungen der Bezirksebene waren anwesend. Insgesamt haben 100 Jugendliche teilgenommen.

Schülerinnen und Schüler tauschen sich an einem Tisch aus
© SV-Bildungswerk / Fabian Wanisch

Online-Redaktion: Gab es einen Workshop, der Sie besonders beeindruckt hat?

Lachenmaier: Ich war in einem Workshop zum Thema Rechtspopulismus. Die Referentin ist da mit ihrer Power-Point-Präsentation gar nicht zu Ende gekommen. Die zehn Teilnehmerinnen und Teilnehmer waren schon so in dem Thema drin, dass wir selbst viele eigene Beispiele und Projekte einbringen und vorstellen konnten. Was ich sehr interessant fand, war die Analyse von Wahlplakaten rechtspopulistischer Parteien: Was steckt hinter den Bildern und Botschaften? Wie ist die Wirkung?

Online-Redaktion: Das SV-Bildungswerk ist bekannt dafür, seine Veranstaltungen gründlich zu evaluieren. Können Sie schon sagen, was die Teilnehmenden mitnehmen konnten?

Lachenmaier: Vor einigen Tagen haben wir die ersten Rückmeldungen auf unsere Online-Feedback-Bögen erhalten, und ich habe schon einige Eindrücke zusammengestellt. Grundsätzlich fanden es die Teilnehmerinnen und Teilnehmer gut, dass aus ganz Deutschland Jugendliche dabei waren, die aus verschiedenen Perspektiven berichten konnten. Einige loben, sie hätten nun erkannt, auf wie vielen verschiedenen Ebenen man etwas als Schülerin und Schüler bewegen kann. Andere haben kreative Methoden für ihre SV-Arbeit mitgenommen.

Besonders positiv wurde die „Homezone“ hervorgehoben, die jeden Abend stattfand. Hier haben rund zehn Jugendliche mit einer Moderatorin den Tag Revue passieren lassen und ihre Meinung gesagt. Wir haben dieses Feedback gleich für den weiteren Ablauf des Kongresses genutzt. So haben wir zum Beispiel viel Kritik dafür bekommen, dass wir am ersten Abend noch zusammen mit den Teilnehmerinnen und Teilnehmern zwei Stunden lang Projekte entwickeln wollten. Die Jugendlichen meinten, das wäre ihnen zu viel nach einem langen Tag. Wir haben das dann fallen gelassen, auch wenn uns das nicht leichtfiel, weil wir die Projektentwicklung für wichtig hielten. Stattdessen haben wir ein Austauschforum geschaffen, in dem die Jugendlichen Themen diskutieren konnten, die sie für besonders wichtig hielten, und sich noch stärker vernetzen.

Schülerinnen und Schüler tauschen sich aus
© SV-Bildungswerk / Fabian Wanisch

Online-Redaktion: Hat der Kongress auch schon praktische Nachwirkungen?

Lachenmaier: Ja, es hat sich zum Beispiel eine Gruppe zum Thema „Chancen und Missstände im Bildungsförderalismus“ gebildet, in der unter anderem Mitglieder der Bundesschülerkonferenz mitarbeiten. Eine andere Gruppe hat ein Planspiel „Parlamentarische Demokratie“ entwickelt. Andere wollen zum Thema Inklusion an Schulen und Hochschulen sensibilisieren. Ein Teilnehmer möchte eine Projektwoche zum Thema Demokratie an seiner Schule starten. Diese Vorhaben lassen sich an Ganztagsschulen natürlich besser verwirklichen, weil da mehr Zeit und auch andere Organisationsmöglichkeiten bestehen.

Online-Redaktion: Welche Vorhaben stehen 2018 für das SV-Bildungswerk an?

Lachenmaier: Wir werden unser Projekt „Schule Klima Wandel“ ausbauen. Nach den drei Ausbildungsrunden für Klimabotschafterinnen und -botschafter im letzten Jahr wird es zwei weitere geben. Wir wollen auch mehr Workshops zu dem Thema organisieren und damit in verschiedene Netzwerke hineingehen. Daneben werden wir wie bisher die Jugendbeteiligung auf Kongressen zu Bildungsthemen organisieren. Der Ganztagsschulkongress 2017 war ein Beispiel dafür, wo unsere SV-Berater vier Workshops eingebracht haben.

Im SV-Berater-Projekt bilden wir SV-Beraterinnen und -berater zu Themen aus, die allgemein für die Schülervertretungsarbeit wichtig sind, wie zum Beispiel Projektmanagement, Rechte für Schülerinnen und Schülern und Demokratie an der Schule. Dazu bauen wir gerade unsere Zusammenarbeit mit der Landesschülervertretung Rheinland-Pfalz aus. Dort wird eine regionale Ausbildung für 20 Jugendliche stattfinden. In Hessen wird es im Juni eine regionale SV-Berater-Ausbildung geben.

Online-Redaktion: Vielen Dank für das Interview!

 

Zur Person:

Viktoria „Vicky“ Lachenmaier gehört dem Vorstand des SV-Bildungswerks an. Ihr Engagement im SV-Bildungswerk begann mit der Ausbildung zur SV-Beraterin 2016. Sie hat sich auf verschiedenen Ebenen der Schülervertretung engagiert und auch größere Kongresse wie den Münchner Schülerkongress „besser::“ und das bayerische SchülerInnensymposium „basis’17 … nur mit uns“ mitorganisiert. Besonders engagiert sie sich für die bundesweite Vernetzung der Schülervertretungen.

 

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