Schülerzeitung im Ganztag: "ABER HALLO"! : Datum: Autor: Autor/in: Ralf Augsburg

„Die Schülerzeitungen „Reporterkids“ der Grundschule Schenkenland und „ABER HALLO“ der Oberschule Nordenham überzeugen mit preisgekröntem Schülerjournalismus.

Das nennt man Einsatz. Eigentlich ist Anett Rudolph mit einem Bänderriss nicht in der Lage, zur wöchentlichen Reporterkids-AG in der Grundschule Schenkenland im brandenburgischen Groß-Köris zu fahren. Und auch die Treppe zum Klassenraum kann sie so nicht bewältigen. Und doch lässt es sich die AG-Leiterin nicht nehmen, auch in dieser Woche dabei zu sein. Gerade nicht in dieser Woche, so kurz vor der Verleihung des Schülerzeitungspreises für den 1. Platz bei den Grundschulen am 6. Juni im Bundesrat in Berlin. Also lässt sich Anett Rudolph mit dem Auto zur Schule bringen, und die AG findet heute mal draußen und somit ebenerdig statt.

Grundschule Schenkenland
© Grundschule Schenkenland

Warum möchte die AG-Leiterin trotz Krankheit unbedingt bei „ihren“ Zeitungsschülerinnen und -schülern sein? Immerhin könnte sie die Stunde ja auch Christiane Weise überlassen, einer anderen Mutter, mit der sie seit dem Beginn der Zeitung 2012 die AG leitet. „Es macht einfach wahnsinnig viel Spaß!“, meint Anett Rudolph.

An eine „normale“ Redaktionssitzung wird nicht zu denken sein, denn natürlich steht die Reise zur Preisverleihung im Vordergrund. Die zwölf Schülerinnen und Schüler befinden sich in aufgeregter Vorfreude: „Berlin, wir kommen!“, heißt es. Eigentlich sieht die Einladung der Veranstalter von Jugendpresse Deutschland und der Bundesländer vor, dass nur zwei Schülerinnen und Schüler mitreisen können, doch durch Spenden und auch einen Zuschuss der Gemeinde hat die Grundschule Schenkenland genügend Mittel zusammenbekommen, dass jetzt elf der zwölf Kinder mitreisen können.

Die „Reporterkids“ der Grundschule Schenkenland in Groß Köris

Bereits von Anfang an müssen die Reporterkids und ihre beiden AG-Leiterinnen viel richtig gemacht haben, denn schon kurz nach dem Start stellten sich die ersten Erfolge bei Wettbewerben ein: Die zweite Ausgabe gewann einen Sonderpreis des Brandenburger Landtags, die dritte Ausgabe bekam einen Sonderpreis beim Bundeswettbewerb, letztes Jahr erreichten die Reporterkids den zweiten Platz beim Bundeswettbewerb, dazu kam eine Prämierung des SPIEGEL-Verlags. Doch diesmal ist es mit dem 1. Platz und den damit verbundenen 1.000 Euro Preisgeld eine ganz besondere Ehre.

Alles fing damit an, dass Christiane Weise Anett Rudolph bei einem Schulfest fragte, ob sie nicht Lust habe, eine Schülerzeitung zu gründen. Mit dem Start der offenen Ganztagsschule im Schuljahr 2012/13 konnten die beiden Mütter diese Idee als Arbeitsgemeinschaft am Nachmittag umsetzen. Die Schule schaffte vier Laptops an, und die Reporterkids-AG beschloss, alle sechs Wochen eine Ausgabe von acht Seiten herauszubringen. „Wir wollten lieber häufiger und dafür kleiner erscheinen“, erzählt Anett Rudolph. So hatten die Grundschülerinnen und -schüler auch schneller ein fassbares Ergebnis ihrer Bemühungen in Händen. Inzwischen verzeichnet jede Ausgabe allerdings zwischen 60 und 80 Seiten!

Interviews mit Showgrößen, Ministerpräsident und Bundesministerin

Über all die Jahre hat sich die Arbeit in der AG eingespielt und zugleich das Aussehen der Zeitung standardisiert. Viele Rubriken gehören in jeder Ausgabe dazu, die von verschiedenen Gruppen betreut werden: Eine Umfrage ist immer Standard. „Nah an Köris“ bringt Nachrichten aus der Gemeinde, „Schulgeplauder“ Meldungen aus der Schule. Es gehören die bebilderte Beschreibung eines Experimentes dazu, eine Bastelecke und ein Rätsel. Dazu kommen Reportagen, zum Beispiel aus dem Zoo, und Interviews mit Show-Größen wie Peter Maffay oder Politikern wie Ministerpräsident Dietmar Woidke, Bundesbildungsministerin Johanna Wanka oder Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier.

„Wir geben nichts vor, sondern die Kinder können bestimmen, was sie gerne machen wollen“, berichtet Anett Rudolph. „Bei uns in der Redaktion wird über alles abgestimmt. Wir möchten möglichst viel Demokratie für unsere Schülerinnen und Schüler direkt erlebbar werden lassen.“ In der altersgemischten AG bringen sich manchmal schon Erstklässler ein, denen ältere Schülerinnen und Schülern helfen, die zum Teil auch schon seit ihren Erstklässlerzeiten dabei und damit richtig „alte Hasen“ sind. Die Jüngeren schreiben Texte von Hand und bringen sich bei den Bastel- und Experimentierrubriken ein. „Die Kinder helfen einander und fühlen sich als Team“, so die AG-Leiterin. Vor allem aber sind sie „motiviert und mit Spaß dabei“.

Pressefreiheit für die Eigeninitiative

Da ergeben sich auch schon einmal Reportagen durch Eigeninitiative. So schrieb Frieda dem Handball-Europameister Fabian Wiede von den Füchsen Berlin, der die Schülerin für ein Interview nach Berlin einlud. Die geistesgegenwärtige Frieda hakte nach: Könnte nicht die ganze Redaktion kommen? Und so machten sich alle Reporterkids am 12. Februar 2016 zur Reise in die Hauptstadt auf. „Für manche Kinder, die sonst nie wegfahren, teilweise auch noch niemals Zug gefahren sind, ist das natürlich ein Erlebnis“, so Anett Rudolph.

Von den Wettbewerbspreisgeldern hat die AG inzwischen zwei weitere Laptops gekauft, sodass die mit einer Auflage von 145 Exemplaren erscheinende „Reporterkids“ nun an insgesamt sechs Computern entstehen können. Neben den Schülerinnen und Schülern der Ganztagsgrundschule kaufen viele Senioren die Zeitung für ihre Enkel. Auch Restaurants, Friseure und Hotels erwerben die Zeitung zum Auslegen.

Ein großes Lob haben die AG-Leiterinnen für Schulleiter Hans-Joachim Reiner übrig. Auch eine durchaus kritische Umfrage unter den Schülerinnen und Schülern zum Zustand des Schulhofs kommentierte der Rektor, das sei „Pressefreiheit“. Und die Umfrage sorgte dann sogar dafür, dass sich Bürgermeister und Gemeinde zur Verschönerung des Schulhofes einsetzten.

Oberschule Nordenham: „ABER HALLO“!

An der Oberschule Nordenham I, einer teilgebundenen Ganztagsschule im niedersächsischen Landkreis Wesermarsch an der Nordseeküste, ist Torsten Lange, der Leiter der Schülerzeitungs-AG, selbst ein ganz „alter Hase“. Als ehemaliger Schüler der Oberschule begleitete er die Zeitungs-AG zunächst als Lehramtsstudent. Seit 2008 ist er selbst wieder als Lehrer an seiner alten Schule tätig und betreut die Redaktion „ABER HALLO“.

Preisträger
Preisträger beim Schülerzeitungswettbewerb 2016 © Jugendpresse Deutschland/Erik-Holm Langhof

Die Redaktion hatte zuletzt einigen Medienrummel zu verzeichnen: So waren unter anderem der NDR und das ZDF zu Gast. Kein Wunder, denn die seit 1989 bestehende Zeitung hat beim Schülerzeitungswettbewerb den 1. Platz im Bereich der Realschulen erreicht. Für das aus 17 Schülerinnen und Schülern bestehende Redaktionsteam der Jahrgangsstufen 8 bis 10 ist es ebenfalls eine von vielen Auszeichnungen der letzten Jahre. „ABER HALLO“, die einst zweimal jährlich erschien, kommt inzwischen nur noch einmal im Jahr mit einem Umfang von 120 Seiten heraus. Anders als bei den „Reporterkids“ muss in Nordenham ein Versuch pro Jahr also „sitzen“. „Wir sind hier eine kleine Gemeinde mit einem begrenzten Anzeigenkundenkreis“, meint Torsten Lange zur Begründung.

Die Schülerzeitungs-AG, die eines unter etwa 20 AG-Angeboten an der Oberschule darstellt, trifft sich einmal in der Woche. Der Redaktion stehen neben dem Computerraum der Schule ein eigener Bereich mit Tisch und Schrankwand, eine Teeküche und ein Kühlschrank für die „langen Tage“ zur Verfügung. Denn manchmal dauert die „Arbeit am Text“ deutlich länger als die vorgesehenen 90 Minuten Die Redaktionszeit ist immer von 13.45 Uhr bis 17 Uhr – und damit doppelt so lange wie die übliche AG-Zeit an der Schule. Hinzu kommen Arbeitstage in der „heißen Phase“ zum Redaktionsschluss, an denen sich die Redaktion auch an Wochenenden und Brückentagen trifft. „Es macht uns auf jeden Fall Spaß und ist eine intensive Erfahrung“, so die Lehrkraft.

Der nächste Schritt: Schülerreporter 2.0

Inzwischen gibt es auch eine Online-Ausgabe von „ABER HALLO“. Hier finden sich Kurzfassungen der Print-Texte. Wer mehr wissen möchte, muss die gedruckte Ausgabe erwerben. Für die Ausgabe wählen die Schülerinnen und Schüler jeweils ein Oberthema. So geht es in der jüngst erschienenen Ausgabe ging es um Flüchtlinge, wobei besonders der Beitrag „Deutsch lernen mit Händen und Füßen“ beeindruckte. „Eine Achtklässlerin hat eine Geschichte über Flüchtlinge geschrieben. Auf die Story sind wir alle sehr stolz“, erzählt der AG-Leiter.

„ABER HALLO“ besteht aus festen Rubriken wie „Redaktion intern“, „Aus der Schule geplaudert“ und dem „Rentnertratsch“, bei dem Ehemalige über ihre Erfahrungen im Ausland und im Beruf berichten. „Ab in den Beruf“ bringt Beiträge zum Thema Berufsorientierung. Die Redaktion hat im Laufe der Jahre bereits viele gesellschaftspolitische Themen aufgegriffen, für die sie dann ausgezeichnet wurde. So schrieben die Schülerinnen und Schüler über den Arbeitskampf bei Airbus in Nordenham oder den Wahlkampf von Barack Obama 2008. Ärger gab es in all den Jahren nicht: „Wir produzieren keine Skandale, wir sind keine BILD-Zeitung“, stellt Torsten Lange klar.

Vom Preisgeld möchte sich die Redaktion unter anderem Kamera und Stativ kaufen, denn demnächst sollen Video-Podcasts für die geplante News-Seite im Online-Auftritt produziert werden. Die Oberschule 1 Nordenham gehört zu den fünf Pilotschulen des auf zwei Jahre angelegten Projekts „Schülerreporter 2.0 – Mobiles Schreiben und Lesen in Niedersachsen“ des Niedersächsischen Kultusministeriums, bei dem Schülerteams mit Hilfe von Profi-Online-Journalistinnen und -Journalisten für das journalistische Schreiben im Netz fit gemacht werden.

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