Für ein Europa der Schülerinnen und Schüler : Datum: Autor: Autor/in: Peer Zickgraf
Was ein Novum war - der Bildungskongress für Schülervertretungen der EU-Länder vom 26. bis 28. Februar 2007 - soll zukünftig die Regel werden: Bildungsgipfel der europäischen Schülerinnen und Schüler im Vorfeld des EU-Bildungsrates. Auf diesen Versammlungen möchten die Schülerinnen und Schüler die Partnerschaften und Kooperationen zwischen den EU-Ländern vertiefen. Der Schülergipfel in Heidelberg, der von der Bundesschülerkonferenz (BSK) veranstaltet und aus Mitteln des BMBF finanziert wurde, hat die Agenda der nächsten Jahre vorgezeichnet.
Wenige Tage bevor sich Europas Granden - also die Minister und der EU-Bildungskommissar Ján Figel - Anfang März 2007 zu einem informellen Bildungsministertreffen in Heidelberg trafen, machten rund 100 Schülerinnen und Schüler aus 16 Ländern der EU bereits Nägel mit Köpfen. Drei Tage lang debattierten sie über ein Europa der Schülerinnen und Schüler. Von der Idee bis zur Realisierung dieses Forums: eine Europa-Premiere bahnte sich ihren Weg. Bildungspolitik unter umgekehrten Vorzeichen.
Das gemeinsame Europa ist auf politischer, wirtschaftlicher oder kultureller Ebene längst Realität geworden. Doch obwohl es immer stärker in das private und öffentliche Leben eingreift, bleibt Europa für die Schülerinnen und Schüler bislang ein wenig greifbarer politischer Zusammenhang von 25 Mitgliedsstaaten. Um dem entgegen zu wirken, und um die Strukturen der nationalen Schülervertretungen an die Dynamik der Europäischen Integration anzukoppeln, veranstaltete die Bundesschülerkonferenz einen "Educational Summit of Student Representatives", einen Bildungskongress für Schülervertretungen der EU-Länder.
Anschlussfähige Bildungsabschlüsse und "Lebenslanges Lernen"
Die europäische Dimension dieser Veranstaltung brachte der Präsident der Kultusministerkonferenz, Senator Prof. E. Jürgen Zöllner, in seinem schriftlichen Grußwort auf den Punkt: "Ein ganz wesentliches Ziel ist dabei, möglichst viele Schülerinnen und Schüler zu guten und anschlussfähigen Bildungsabschlüssen zu führen und durch gezielte Hilfen und Fördermaßnahmen einen eventuellen Schulabbruch zu vermeiden". Der Programmteil COMENIUS der KMK wird deshalb das "Lebenslange Lernen" unterstützen und den transnationalen Austausch von Schülerinnen und Schülern sowie von Lehrkräften ermöglichen. Darüber hinaus solle im Rahmen des Europäischen Qualifikationsrahmens die Vielfalt der Bildungsgänge und Bildungsabschlüsse in Europa harmonisiert werden.

Bereits im Vorfeld wurden also große Erwartungen an den Heidelberger Bildungskongress gerichtet. Diesen Erwartungen wurde der internationale Schülergipfel mehr als gerecht, denn schließlich präsentierten die Schülerinnen und Schüler am Ende handfeste Ergebnisse. So entwickelten sie Perspektiven und erste Eckpfeiler für eine länderübergreifende Zusammenarbeit der Schülervertretungen in Europa.
Notwendige Voraussetzungen für den Aufbau von europäischen Netzwerken der Schülervertretungen sind Kommunikation und Verantwortungsübernahme. Es war beeindruckend, mit welcher Selbstverständlichkeit litauische, französische oder deutsche Schülerrepräsentanten auf dem Bildungsgipfel sich des Englischen als gemeinsamer Konferenzsprache bedienten.
In seiner Eröffnungsrede hatte Christopher Schuldes, der Bundesvorsitzende der Bundesschülerkonferenz (BSK) bereits gefordert, dass Englisch als erste Fremdsprache an allen europäischen Schulen eingeführt werden müsse. Außerdem solle jeder Schüler die Möglichkeit haben, "mindestens ein Mal in seiner Schullaufbahn ein europäisches Land zu bereisen".
Schülervertretungen schaffen Vertrauen für Europa
Starken Eindruck hinterließen die Vortragskünste und die intelligenten Zwischenfragen der Schülerinnen und Schüler: "Das hohe Niveau, der problemlose Austausch und die Suche nach pragmatischen Lösungen für die Schülervertretungen haben mich sehr beeindruckt", so der 21jährige Student und einstige Schülervertreter Oliver Skopek.

Der erste europaweite Austausch habe zwar noch nicht die "ganz großen inhaltlichen Diskussionen gebracht", so Michael Rack von der Bundesschülerkonferenz. Er habe aber bereits die Handlungsspielräume aufgezeigt, die für die europäische Schülerarbeit offen stehen. Es ging ja zunächst einmal darum, sich über die unterschiedlichen Schulsysteme und die Strukturen der europäischen Schülervertretungen ein Bild zu machen: "Gegenseitige Information schafft gegenseitiges Vertrauen. Ich habe die Hoffnung, dass eine Zusammenarbeit der Schülervertretungen auf europäischer Ebene generell zu einem besseren Miteinander und Füreinander der jungen Generationen beitragen kann", meinte der baden-württembergische Bildungsminister Helmut Rau bereits im Vorfeld der Veranstaltung.
Die Vielfalt der Schülerinteressen Europas
So fanden sich im Studio der Villa Bosch in Heidelberg nicht nur Delegierte aus "Finnland über Bulgarien bis nach Zypern" ein, sondern auch Vertreter der EU-Kommission, des Europarates und der Kultusministerkonferenz. Inhaltlich überzeugte der Bildungskongress durch vielfältige Angebote, die von allgemeinen Informationen zur deutschen EU-Ratspräsidentschaft über den Besuch ausgewählter Schulen wie der Internationalen Gesamtschule Heidelberg oder der Fachschule für Wirtschaft bis hin zu Themenforen über Schülervertretungen in der EU reichte.
Die Themenforen lauteten: "Informationsaustausch: Schülervertretungen und Mitwirkungsmöglichkeiten in den EU-Ländern", "Legitimation der Schülervertretungen in den EU-Ländern", "Bildungspolitische Zusammenarbeit mit Ministerien, Parlamenten und anderen Institutionen". Erörtert wurden ferner "Bildungsprogramme der Europäischen Union", "Projekte und Initiativen der Demokratieerziehung für ein gemeinsames Europa" sowie die "Zusammenarbeit der Schülervertretungen auf europäischer Ebene.
OBESSU bringt die Schülerinnen und Schüler unter einem Dach
In den Themenforen mehrten die Schülerinnen und Schüler ihr Wissen über die verschiedenen nationalen Schülervertretungsstrukturen in Europa. Ein Beispiel: Allein in Österreich gebe es drei unterschiedliche Ebenen der Schülervertretung, meinte Christoph Paar, Mitveranstalter des EU-Bildungskongresses. Neben der BundesschülerInnenvertretung gibt es die Aktion kritischer SchülerInnen und die Schülerunion. In anderen Staaten der EU kooperieren die nationalen Schülervertretungen mit den Ministerien, oder sie unterhalten enge Verbindungen zu den Parteien.
Das gemeinsame Dach der europäischen Schülervertretungen hat seinen Sitz übrigens in Brüssel. Es heißt "OBESSU - The Organising Bureau of European School Student Unions" und wurde 1975 in Dublin gegründet. Heute ist OBESSU Schnittstelle und Plattform für Mitgliedsorganisationen aus 25 Ländern. Ziel der Schülerorganisation ist es, europaweit den Zugang zur Bildung zu verbessern, die Qualität von Bildung zu erhöhen und demokratische Strukturen in den Bildungssystemen zu voranzubringen. Ferner möchte OBESSU dazu beitragen, die Kooperationen und das Verständnis zwischen den europäischen Schülerinnen und Schülern zu fördern.
Heidelberg 2007 gibt die Agenda vor
Während die Vertretung der europäischen Schülerinteressen mit OBESSU über ein gemeinsames Dach verfügt, ging der Heidelberger Schülerkongress nun einen wesentlichen Schritt weiter als es bisherigen Schülerforen im europäischen Zusammenhang möglich war. Es wurde nämlich eine Agenda für die kommenden Jahre formuliert.
Die künftige Agenda drückt sich in zwei Arbeitspapieren aus, die auf dem Schülerkongress in Heidelberg entstanden sind und in vielen Punkten auch den Ansätzen von OBESSU verpflichtet sind. So haben die Konferenzteilnehmer in Heidelberg ein "Konzept für Partnerschaften zwischen den Schülervertretungen in den unterschiedlichen Ländern" erstellt und eine "Gemeinsame Resolution der Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Bildungskongresses" verabschiedet.
Partnerschaften länderübergreifend
Das Konzept für die Partnerschaften zwischen den europäischen Schülervertretungen, das auf regelmäßigen Bildungskongressen weiterentwickelt werden soll, sieht folgende Eckpfeiler vor. Gemeinsame Veranstaltungen sollen auf der Basis nachhaltiger Partnerschaften geplant werden. Die nationalen Schülervertretungen sollen Seminare, Kongresse und Trainingskurse in regelmäßigen Abständen veranstalten. Diese Veranstaltungen sollen auf Rotationsbasis abgehalten werden, so dass die Verantwortung von einem Land auf das andere übergeht.

Repräsentanten der Schülervertretungen nehmen an den Versammlungen der jeweiligen Schülervertretungen teil, um einen Austausch an Informationen und Arbeitspapieren zu gewährleisten und um gemeinsame Standpunkte zur europäischen Bildungspolitik zu formulieren. Ein Beispiel: Auf dem Kongress wurden gegenseitige Einladungen ausgesprochen. So plant Bundesvorsitzender Christopher Schuldes für April eine Reise nach Estland, um neu aufgebaute Kontakte zu vertiefen und sich um eine intensivere Zusammenarbeit mit dem dortigen Schülervertretungssystem zu kümmern.
Austauschprogramme zwischen den Staaten, wie zum Beispiel COMENIUS, sollen vertieft und ausgebaut werden. Der Austausch könnte nach dem baden-württembergischen Modell "Im Zeichen der Integration" durchgeführt werden, wo Schülerrepräsentanten Baden-Württembergs sich eine Woche lang über die Arbeit der türkischen Kollegen ausgetauscht haben.
Europaweite Partnerschaften
Vorgesehen ist auch eine bessere Koordination der Partnerschaften zwischen den Staaten: die vielen individuellen Partnerschaften auf der Ebene von Schulen, Städten, Regionen und Staaten sollen übersichtlicher gestaltet und wirkungsvoller verbunden werden. Und der Austausch zwischen den Staaten könnte nicht nur über Konferenzen, sondern auf der Basis der neuen Medien vonstatten gehen. Die Finanzierung der Arbeit der Schülervertretungen, die ein zentrales Problem darstellt, soll auch durch die Wirtschaft und private Institutionen geleistet werden.
Das gemeinsame Resolutionspapier stellt ferner das gegenseitige Lernen aus der Arbeit der Schülervertretungen in den Vordergrund. Die Rolle der EU habe Auswirkungen auf die Arbeit der Schülervertretungen. Die europäische Perspektive müsse deshalb eine größere Rolle in den Positionen der Schülervertretungen einnehmen und das demokratische Bewusstsein solle bei den 55 Millionen Schülerinnen und Schülern ausgebaut werden.
"Lassen Sie in Ihrem Engagement nicht nach und helfen Sie dabei, die demokratische Kultur und Werte in ihrem Wirkungsbereich zu leben und fest zu verwurzeln. Mit Ihrer Energie und Ihren Ideen liefern Sie wichtige Impulse - nicht allein für die Entwicklung Ihrer Schulen, sondern auch für die Entwicklung der gesamten Gesellschaft", gab Georg Wacker, MdL und Staatssekretär im Kultusministerium Baden-Württemberg, den Schülerinnen und Schülern mit auf dem Weg.
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