Feedback in der Ganztagsschule – kritisch, konstruktiv : Datum: Autor: Autor/in: Ralf Augsburg

Kritikfähigkeit ist auch für die Weiterentwicklung von Schulen wichtig. Es gibt viele Möglichkeiten, eine Feedback-Kultur zu etablieren. Auf einer Tagung der Serviceagentur „Ganztägig lernen“ Rheinland-Pfalz präsentierten Ganztagsschulen ihre Beispiele.

Der Begriff „Feedback“ stammt ursprünglich aus der Kybernetik und lässt sich mit „Rückkopplung“ übersetzen. Der Kugelregulator, der 1869 für die Dampfmaschine zum Druckausgleich erfunden wurde, war das erste automatische Feedback. Heute versteht man Feedback als Rückmeldung über Wahrnehmung, Verstehen und Erleben eines Produkts oder einer Verhaltensweise. Feedback kann deutlichen Einfluss auf Handeln und Verhalten nehmen und ist eins der effizientesten Mittel in der Kommunikation. Und wie bei der Dampfmaschine kann es im übertragenen Sinne zum Druckausgleich beitragen, Missverständnissen vorbeugen und notwendige Veränderungsprozesse anschieben.

Für eine fortwährende und konstruktive Schulentwicklung kann eine gut eingebettete und etablierte Feedback-Kultur zu mehr Eigenverantwortung aller Beteiligten beim Lehren und Lernen führen. „Dabei macht es Sinn, so viele Personen wie möglich einzubinden und verschiedene Perspektiven zu erhalten – Schülerinnen und Schüler, Lehrkräfte, Schulleitung, Eltern, Externe oder eine Hochschule, alle sollten Feedback geben und erhalten“, meint Achim Aschenbach, schulpsychologischer Berater des Pädagogischen Landesinstituts Rheinland-Pfalz. Das Motto solle hier „Viele ist mehr“ lauten.

Aschenbach hielt am vergangenen Donnerstag das Impulsreferat auf der Fachtagung „Schule kritisch und konstruktiv – Entwicklung einer Feedback-Kultur“ in der Agentur für Qualitätssicherung, Evaluation und Selbstständigkeit von Schulen (AQS) in Bad Kreuznach. Der Einladung der Serviceagentur „Ganztägig lernen“ Rheinland-Pfalz und des Pädagogischen Landesinstituts folgten rund 70 Interessierte. „Wir waren erfreut, welchen Zuspruch das Thema gefunden hat“, meint Jürgen Tramm, zusammen mit Anja Kremper Co-Leiter der Serviceagentur.

Feedback muss Konsequenzen haben

„Feedback kann den Blickwinkel erweitern und damit die Professionalität erhöhen“, befindet Achim Aschenbach, „Es kann die Motivation und die Identifikation mit der eigenen Arbeit erhöhen.“ Die Verantwortlichkeit für das Implementieren von Feedback-Instrumenten liege bei der Schulleitung. Sie müsse alle Beteiligten gut informieren und transparent machen, was sie erreichen wolle. Widerstände müsse man ernst nehmen – auch sie seien ja eine Form von Rückmeldung. „Es darf auf keinen Fall darum gehen, jemanden an den Pranger zu stellen oder zu stark defizitorientiert zu schauen, sondern es sollte umgekehrt darum gehen zu fragen: Wovon möchte ich mehr?“, so der Schulpsychologe. Und Feedback müsse auch Konsequenzen nach sich ziehen – „wenn nichts passiert, ist es fatal.“

Laut Aschenbach sollte Feedback ins Gesamtkonzept der Schule eingearbeitet werden, und man sollte mit kleinen Schritten anfangen. Dazu könnte auch Unterstützung von außen geholt werden, zum Beispiel vom Pädagogischen Landesinstitut oder von Schulen, die eine solche Kultur bereits etabliert haben.

Eine solche Schule ist die Regenbogenschule in Schalkenbach, die im Norden von Rheinland-Pfalz in der Eifel liegt, eine einzügige Offene Ganztagsschule mit einem Angebot an fünf Wochentagen bis 16 Uhr. Die Schule hat sich vor Jahren zum Ziel gesetzt, eine neue Lernkultur zu etablieren. Der Auslöser war die „Unzufriedenheit vor acht Jahren mit den Rechtschreibergebnissen unserer Kinder“, wie Schulleiterin Annette Richter-Göckeritz in einem der acht Infoshops am Nachmittag verriet. Der Unterricht alter Prägung stieß an seine Grenzen.

Transparent machen, was gelernt werden soll

Zunächst einmal kam die Ganztagsgrundschule vom 45 Minuten-Takt zu 90-minütigen Lernzeiten. Die Jahrgangsstufen 1 und 2 arbeiten in zwei Lernzeiten, während die Klassen 3 und 4 drei Lernzeiten täglich absolvieren. Im Morgenkreis formulieren die Schülerinnen und Schüler ihre Ziele: Was möchte ich heute erreichen? In der Abschlussrunde am Unterrichtsende wird dann spiegelbildlich reflektiert: Was habe ich heute gelernt?

Als Lerndokumentation und Feedback-Instrument dient das Logbuch, das jedes Kind erhält. „Wir arbeiten täglich damit“, erklärte die Schulleiterin. Im Logbuch finden sich der Wochenplan, in dem die Lernziele festgehalten werden, und viele Feedback-Angebote. Einerseits können die Schülerinnen und Schüler hier ihre Leistungen durch Ankreuzen selbst bewerten oder mitteilen, ob sie mit den Hausaufgaben klar gekommen sind. Zum Anderen erhalten sie hier auch Rückmeldungen durch die Lehrerinnen und Lehrer.

„Unsere Schülerinnen und Schüler denken täglich über das eigene Lernen nach. Wir nehmen uns die Zeit zur täglichen Reflexion. Um das kompetenzorientierte und selbstorganisierte Lernen umzusetzen, ist ein ritualisierter Unterricht wichtig“, betonte Annette Richter-Göckeritz. „Die Kinder müssen dabei auch im Blick haben, was in einem größeren Rahmen über die Woche hinaus gelernt werden soll, was sie schon sehr gut beherrschen. Die Lehrkraft stellt den Kindern am Anfang eines Schulhalbjahres vor, was gelernt werden soll. Dabei muss sie transparent machen, wofür es gelernt werden soll.“

„Das ist das, was wir hier jeden Tag machen.“

Um einzuschätzen, was ein Kind kann, hat die Regenbogenschule Kompetenzraster entwickelt. Mit einer Lernstandserhebung wird zu Beginn der Schulzeit der Leistungsstand ermittelt. Dann werden Tag für Tag, Woche für Woche Ziele formuliert – und in jeder Phase gibt es in irgendeiner Form ein Feedback. Kein Wunder also, dass eine Schülerin, als dieses Wort einmal im Unterricht aufkam und nicht von allen verstanden wurde, meinte: „Das ist das, was wir hier jeden Tag machen.“

Diese Art des Lehrens und Lernens, bei der sich die Lehrerrolle zur Lernbegleitung entwickelt hat, erfordert der Schulleiterin zufolge sehr viel Kommunikation zwischen allen Beteiligten: „Dialog ist ein Muss. Und es muss Spaß machen, man muss mit Leib und Seele dahinter stehen.“ Sehr schön seien die Rückmeldungen, die von den Gymnasien kämen: „Sie bescheinigen, dass unsere Schülerinnen und Schüler sich gut alleine organisieren können“, freut sich Annette Richter-Göckeritz.

Eine andere institutionalisierte Form des Feedbacks hat die Integrierte Gesamtschule Oppenheim, eine Offene Ganztagsschule am Oberrhein zwischen Mainz und Bingen, etabliert. Den klassischen Elternsprechtag hat die im Aufbau befindliche Schule vor zwei Jahren abgeschafft – zu Gunsten von Schüler-Eltern-Lehrer-Gesprächen, die einmal gegen Ende des Schulhalbjahres an zwei Tagen stattfinden. Der Schule wie den Eltern war dies so wichtig, dass dafür zwei Tage Unterricht ausfallen. Von 8.00 bis 16.30 Uhr empfangen die Tutoren – quasi die Klassenlehrer – eine Schülerin oder einen Schüler mit einem Elternteil zu einem 20-minütigen Gespräch.

Lernen, sich selbst zu reflektieren und zu artikulieren

„Zu den Elternsprechtagen kamen früher die Eltern von guten Schülerinnen und Schülern, um sich bestätigen zu lassen, dass alles in Ordnung ist. Eltern von Jugendlichen, die ich selbst gerne gesprochen hätte, ließen sich oft nicht blicken“, erinnerte sich Lehrerin Marika Belloni in ihrem Infoshop. Die Schüler-Eltern-Lehrer-Gespräche führen nun ohne Ausnahme alle zusammen, manchmal auch mithilfe der Schulsozialarbeiterin.

Auf das Gespräch bereiten sich alle drei Parteien mit Vorbereitungsbögen vor: Dort tragen die Schülerinnen und Schüler ein, wo sie sich im Sozialverhalten und bei Schulleistungen sehen. Die Eltern geben Rückmeldungen über Hausaufgaben oder schulische Felder, die sie zu Hause wahrnehmen. Das Gespräch wird durch die Schülerin oder den Schüler eröffnet, die oder der darlegt, wie das Halbjahr gelaufen ist und welche Ziele anstehen. Dann sprechen die Eltern, schließlich die Lehrkraft. Am Ende einigt man sich auf neue Ziele.

In jedem Halbjahr wird dabei ein besonderes Thema angesprochen: Während in der 5. Jahrgangsstufe noch das „Ankommen an der Schule“ thematisiert wird, stehen in der 6. Klasse die Wahlpflichtfächer und in der 7. Klasse die Berufsorientierung im Vordergrund. „Die Schülerinnen und Schüler lernen sich immer besser einzuschätzen, und die Übereinstimmungen mit den Aussagen der Lehrerinnen und Lehrer häufen sich“, hat Lehrerin Caroline Henn beobachtet. „Die Jugendlichen lernen, sich selbst zu reflektieren und zu artikulieren.“

An diesen Infoshop werde ich mich in zehn Jahren noch erinnern“

Das Feedback-Instrument wirkt sich Marika Belloni zufolge positiv auf das Lernklima aus: „Der engere Kontakt zwischen allen Beteiligten stärkt die Beziehungen und senkt die Ängste. Die Eltern merken, dass sich die Schule intensiv um ihr Kind kümmert. Und wir Lehrerinnen und Lehrer finden bei diesen Gesprächen Dinge heraus, die wir sonst wohl nicht erfahren würden.“ Das Instrument der Schüler-Eltern-Lehrer-Gespräche selbst hat auch ein Feedback erhalten – durch Evaluationen des Schulelternbeirats und der Schulleitung, durch Rückmeldungen der Schülerinnen und Schüler im Klassenrat.

Über Feedback konnten sich am Ende der Tagung in Bad Kreuznach auch die Veranstalter freuen. So zitiert Jürgen Tramm einen Teilnehmer: „An diesen Infoshop werde ich mich in zehn Jahren noch erinnern."

 

Kategorien: Service - Kurzmeldungen

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