Blind Date im Ganztag: Schülerzeitung macht Ganztagsschule : Datum: Autor: Autor/in: Ralf Augsburg

Schülerzeitung in der Ganztagsschule: Das Überregionale Förderzentrum Sehen Neukloster (Mecklenburg-Vorpommern) und die Dresdner Grundschule "Elbtalkinder" (Sachsen) gewannen beim bundesweiten Schülerzeitungswettbewerb.

Manchmal kommt es anders als gedacht. Ausgerechnet die Ausgabe des „Blind Date“, die unter großem Zeitdruck entstand, hat der Redaktion des „Blind Date“ einen Preis beim bundesweiten Schülerzeitungswettbewerb der Länder eingebracht. „Wir hatten nur vier Wochen Zeit für das ganze Heft“, berichtet Redaktionsmitglied Justus vor der Preisverleihung in Berlin. Die Schülerinnen und Schüler des Überregionalen Förderzentrums Sehen in Neukloster fuhren zusammen mit ihrer Lehrerin Silke Hein in die Bundeshauptstadt, wo sie am 18. Juni zunächst am Schülerzeitungskongress teilnahmen und am 19. Juni im Bundesrat von Bundesratspräsident Volker Bouffier als Schirmherr des Wettbewerbs ihren Preis entgegennahmen.

Der Schülerzeitungswettbewerb der Länder, der unter dem Titel „Kein Blatt vorm Mund“ stattfindet, wird seit 2004 von der Jugendpresse Deutschland und den Ländern der Bundesrepublik Deutschland veranstaltet. In diesem Jahr können sich 32 Redaktionen aus 14 Bundesländern über Preise freuen. Insgesamt 1.900 Schülerzeitungen waren in den Landeswettbewerben eingereicht worden. Rund 200 junge Redakteurinnen und Redakteure aller Schulformen bildeten sich am zweiten Tag des Kongresses zu journalistischen Themen fort und tauschten sich aus.

„Eine komplizierte Kiste“

Die Redakteurinnen und Redakteure des „Blind Date“ reisten als Landessieger aus Mecklenburg-Vorpommern an. „Wir sind die einzige Schule aus Mecklenburg-Vorpommern, das ist sehr, sehr krass“, freut sich Nicole, das derzeit einzige Mädchen in der Redaktion. Ihre Schülerzeitung gibt es seit rund 20 Jahren. Bis 2006 hieß sie noch „Objektiv“. Nun war es nicht zuletzt der selbstbewusst-humorvolle Zeitungsname „Blind Date“, der der Jury besonders gut gefiel. „Die selbstironische Haltung zieht sich durch das gesamte Heft“, heißt es in der Laudatio. Das Maskottchen des Blattes ist die Blindschleiche.

„Blind Date“ hat einen festen Redaktionskern. Wer mitmachen möchte, muss seit einem Jahr erst einmal eine Schreibprobe abliefern. Die Redaktion will sehen, ob die Bewerber es wirklich ernst meinen. Nicole erzählt: „Wir hatten einige Fehlbesetzungen. Für die war das einfach nichts, sie haben nur stundenlang im Internet gesurft.“ Sieben Schüler und eine Schülerin erarbeiten die Zeitung in der Ganztags-AG. Zwei Ausgaben erscheinen pro Jahr: eine im Winter, eine im Sommer. Jeden Montag trifft sich die Redaktion für zwei Schulstunden und redet über neue Themen für die aktuelle Ausgabe. „Feiern oder was sonst so los ist, sind Anlässe, darüber zu berichten“, erzählt Nicole.

Die meisten Themen drehen sich rund um das Schulgeschehen. Dabei beziehen die Jugendlichen auch Stellung, was sie an ihrer Schule für verbesserungswürdig halten. „Ich habe in einer Ausgabe über den Dachausbau in einem unserer Schulgebäude berichtet“, erzählt Justus. „Das war eine recht komplizierte Kiste, denn unsere Schulleitung war schon hinterher, zu schauen, was ich da schreibe, weil der Artikel ein bisschen kritisch war.“

Außerdem ging es in der preisgekrönten Ausgabe um die Gestaltung des Schulhofs, für den die Redaktion noch Verbesserungsbedarf sieht. Die Redaktion bastelte einen Hund aus Papier, den sie in einer Foto-Story über den Schulhof schickte. Aus dessen Perspektive wurde geschildert, wo etwas im Argen liegt.

„Augen und Ohren immer offen“

Jede „Blind Date“- Ausgabe hat rund 100 Seiten. Die Schrift muss wegen der Sehprobleme der Schülerinnen und Schüler groß sein. Dazu gibt es noch Ausgaben in Punktschrift. Die Redaktion arbeitet in einem der beiden Computerräume der Schule. Silke Hein ist schon seit zehn Jahren die Ansprechpartnerin der Schülerredaktion.

„Mit der jetzigen Redaktion habe ich eine sehr fitte Truppe, die eigenständig arbeitet und nicht nur an die Schülerzeitung denkt, wenn gerade AG-Zeit ist“, freut sich die Lehrerin. „Die machen auch mal ein Foto auf dem Schulhof, wenn es sich anbietet, haben Augen und Ohren immer offen und sind stets auf der Suche nach Themen. Es macht richtig Spaß.“ Bei einem Redaktionsmitglied könnte sie sich vorstellen, dass er später einmal Journalist wird.

Neben der Schülerzeitung gibt es in der offenen Ganztagsschule viele weitere Arbeitsgemeinschaften, darunter eine Informatik-AG, eine Rhönrad-AG, eine Fußball-AG, eine Chor-AG oder den vor drei Jahren wiederbelebten Schulgarten, der laut Lehrerin Silke Hein „wieder sehr aktiv ist“. Gespielt wird in der Schule auch Goal-Ball, ein paralympischer Mannschaftssport für Blinde und Sehbehinderte.

„Der Elbling“: Von Wölfen und Schnecken

Unter den ausgezeichneten Schülerzeitungen war auch „Der Elbling“ der Dresdner Grundschule „Elbtalkinder“. Er hatte ebenfalls den Landeswettbewerb in Sachsen gewonnen. Die Jury lobt die „originellen Artikel, die anschaulichen Bilder, selbstgemalten Zeichnungen und die kurzen, verständlichen Texte“. Die Kinder berichten zum Beispiel über eine Kanu-Tour im Spreewald, über die Rückkehr des Wolfes in die Region, neue Tiere im Dresdner Zoo oder auch in eigener Sache über eine der zahlreichen Preisverleihungen für den „ Elbling“. Dabei führt eine kleine Schnecke mit lustigen Kommentaren durch das ganze Heft.

Zusammen mit den beiden Redakteurinnen Lea und Jessica war Sabine Dresler nach Berlin gekommen in den Bundesrat. Die von der Volkshochschule an die Grundschule „Elbtalkinder“ vermittelte Autorin und Lektorin leitet die Schülerzeitungs-AG, die montags in einer Doppelstunde im Computerraum der Schule arbeitet. Hier sind es rund 15 Nachwuchsredakteurinnen und -redakteure, die zweimal im Jahr ihre 36 Seiten starke Schülerzeitung herausbringen.

„Wir besprechen, worüber wir schreiben wollen – meistens über Sachen, die an unserer Schule passieren“, berichtet Redakteurin Lea, „über Freizeitthemen und unsere Hobbies. Jeder von uns trägt dazu Themen bei. Ich habe zum Beispiel über meine Sportarten Akrobatik und Paddeln geschrieben.“ Lea und Jessica sind seit der dritten Klasse dabei und gehören als Viertklässlerinnen jetzt schon zu den „Redaktionsältesten“. Erstaunlich, was die Grundschülerinnen auf die Beine stellen, ab und zu machen sogar schon Zweitklässler in der Schülerzeitung-AG mit. Beim Layout, zu dem die Schülerinnen und Schüler eigene Fotos und Zeichnungen beisteuern, hilft Sabine Dresler.

Schreiben über das, was bewegt

„Die Kinder entscheiden, was sie schreiben wollen, was sie bewegt und was sie beobachten“, sagt Karin Vater, die stellvertretende Schulleiterin, die auch die Ganztagsangebote koordiniert. „Manchmal schlage ich ihnen Themen vor. Wenn zum Beispiel unsere Schach-AG wieder einen Preis gewonnen hat, dann interviewen die kleinen Reporter die Sieger.“

Die Zusammenarbeit der Schülerinnen und Schüler mit der AG-Leiterin Sabine Dresler sei hervorragend. „Schon bevor sie vor drei Jahren den Kurs übernommen hat, gab es Versuche, eine Schülerzeitung zu gestalten. Aber so weit wie heute sind wir damals nie gekommen. Frau Dresler hat das auf eine ganz neue Stufe gehoben. Sie ist ein echtes Goldstück, und wir geben sie nicht wieder her.“

Lea und Jessica finden das Schreiben am schönsten. Sie widmen sich auch ernsteren Themen wie Mobbing. Das sei leider an Grundschulen bereits ein Thema, wie Karin Vater, berichtet. Aber auch wenn sensible Themen aufgegriffen werden, geschieht das mit Augenmaß: „Bis jetzt hatten wir noch keine Beschwerden über unsere Artikel“, bilanziert Lea.

Auch die Eltern greifen sofort zu

Die Grundschule „Elbtalkinder“ bietet seit über einem Jahrzehnt Ganztagsangebote an. Neben der Schülerzeitungs-AG gibt es, wie Lea und Jessica erzählen, eine Fußball-AG, eine Tanz-AG, eine Bibliotheks-AG und eine Keramik-AG, in „der wir sehr schöne Sachen machen“,. Großen Wert legt die Schule auf die Hausaufgabenbetreuung, die die Schule zusammen mit ihrem Hort organisiert hat.

Doch momentan steht die Schülerzeitung im Vordergrund. Sehr zur Freude von Karin Vater: „Ich bin einfach begeistert, was unsere Grundschülerinnen und Schüler da schaffen. Die Zeitung ist sehr gefragt, deshalb ist die Auflage mit 250 Exemplaren auch so hoch. Wenn eine Ausgabe erscheint, greifen auch die Eltern sofort zu.“

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