Schulverpflegung: „Mehr Ganztag, mehr Fragen“ : Datum: Autor: Autor/in: Ralf Augsburg

Rund 50 Coachinnen und Coaches für die Kita- und Schulverpflegung hat Baden-Württemberg. Mit dem Ganztag wächst die Nachfrage. Fachreferentin Lisa Erdmann im Interview über die Angebote des Landeszentrums für Ernährung.

Lisa Erdmann
© Landeszentrum für Ernährung Baden-Württemberg

Online-Redaktion: Frau Erdmann, unsere Redaktion hat schon einige Interviews mit Vernetzungsstellen Schulverpflegung geführt. Gibt es eine solche in Baden-Württemberg nicht?

Lisa Erdmann: Die Vernetzungsstelle Kita- und Schulverpflegung gibt es in Baden-Württemberg seit dem 1. Juli 2008. Sie hatte aber immer einen Projektstatus. Mit der Gründung des Landeszentrums für Ernährung am 1. Januar 2019 wurde der Aufgabenbereich verstetigt und als fester Bestandteil im Bereich Gemeinschaftsverpflegung verankert. Damit wurde dem wachsenden Stellenwert des Themas Kita- und Schulverpflegung Rechnung getragen.

Das Landeszentrum für Ernährung gehört zum Geschäftsbereich des Ministeriums für Ernährung, Ländlichen Raum und Verbraucherschutz, das unser Landeszentrum auch finanziert. Geografisch angesiedelt sind wir in Schwäbisch Gmünd bei der Landesanstalt für Landwirtschaft, Ernährung und Ländlichen Raum. Wir sind der zentrale Ansprechpartner im Land für alle Fragen der Kita- und Schulverpflegung. Ein Schwerpunkt liegt dabei auf der gesundheitsfördernden, genussvollen und nachhaltigen Verpflegung.

Online-Redaktion: Wie viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter arbeiten im Team Kita- und Schulverpflegung?

Erdmann: Es gibt eine Mitarbeiterin in der Schulverpflegung, das bin ich. Dann gibt es meine Kollegin Alexandra Knauß für die Kitaverpflegung und unsere Sachbearbeiterin Anne Hassel. Dazu kommen noch unsere freiberuflich tätigen rund 50 Coachinnen und Coaches für Kita- und Schulverpflegung, die im ganzen Land unterwegs sind und die Schulen unterstützen und beraten.

Online-Redaktion: Welche Ausbildung haben Sie und Ihre Kolleginnen?

Erdmann: Anne Hassel und ich sind Ökotrophologinnen. Alexandra Knauß ist Ernährungswissenschaftlerin. Die Coachinnen und Coaches haben ganz verschiedene berufliche Hintergründe und setzen unterschiedliche Beratungsschwerpunkte. Viele waren bereits in den Bereichen Küche und Catering tätig, es sind aber auch andere Bereiche vertreten, wie zum Beispiel Hygiene, Architektur oder Ernährungswissenschaften.

Online-Redaktion: Was reizt Sie an Ihrer Tätigkeit?

Erdmann: Dass das Themengebiet so komplex ist. Jede Schule ist anders, die Anfragen, die uns erreichen, sind total individuell. Es ist schön zu sehen, dass es Schulen gibt, die sich für das Thema Ernährung und Verpflegung interessieren, die dankbar für Unterstützung sind und unsere Angebote annehmen. Es ist auch schön, mitzubekommen, wie divers unsere Schullandschaft ist. Das erfordert Kreativität von unserer Seite, aber genau das macht mir Spaß – es ist ein schönes Tätigkeitsfeld.

Online-Redaktion: Sie sprachen vom wachsenden Stellenwert der Kita- und Schulverpflegung. Wie macht der sich bemerkbar?

Schülerinnen essen in der Mensa
© Britta Hüning

Erdmann: Durch den Ausbau der Ganztagsschulen sehen sich immer mehr Schulen mit Fragen des Mittagsessens konfrontiert und müssen sich mit dem Thema auseinandersetzen. Das sehen wir an der ständig wachsenden Nachfrage nach unseren Angeboten. Schulverpflegung muss überall individuell vor Ort konzipiert werden, weil die Rahmenbedingungen immer unterschiedlich sind. Entsprechend ist auch der Beratungsbedarf individuell. Das betrifft nicht nur die Ausstattung von Küchen und Mensen, sondern auch die Relevanz einer ausgewogenen und nachhaltigen Ernährung nimmt zu. Da ist die Situation natürlich noch ausbaufähig, aber wir sehen, dass die Schulen das Thema immer häufiger aufgreifen und angehen wollen. Entsprechend viel gibt es für uns zu tun.

Online-Redaktion: Mit welchen Fragen treten die Schulen besonders häufig an Sie heran?

Erdmann: Ein Dauerbrenner ist das Thema Ausschreibungen und Leistungsverzeichnisse. Gerade wenn eine Schule auf Ganztagsbetrieb umstellt, stehen komplette Neuausschreibungen an. Wenn Träger dann einen neuen Speisenanbieter ausschreiben müssen, wollen sie wissen, wie sie Qualitätsaspekte berücksichtigen können und was zu beachten ist, damit nicht zwangsweise das günstigste Angebot genommen werden muss. 

Mit dem Ganztag kommt auch immer öfter die Frage, wie eine Küche mehrere Schulen versorgen kann. Außerdem gibt es Fragen nach dem Verpflegungssystem, dem Speiseplan und rechtlichen Vorgaben. Derzeit spielt natürlich Corona eine große Rolle. So stellt sich die Frage, wie der Mindestabstand eingehalten werden kann, wie man Pausen so organisiert, dass sich keine Schlangen bilden, und ob Kochen im Unterricht noch möglich ist. Wir haben dazu eine Infoschrift verfasst, die sehr gefragt ist.

Online-Redaktion: Vermitteln Sie auch zwischen Schulen und Caterern?

Erdmann: Unsere Coachinnen und Coaches fungieren auch als Mediatorinnen und Mediatoren. Besser ist es natürlich, wenn die Akteure schon im Vorfeld miteinander reden, um Fragen zu klären. Die Schulen können die Coachinnen und Coaches zu diesem Zweck auch bitten, einen Runden Tisch einzuberufen, um die Schulverpflegung zu besprechen und um sich abzustimmen – denn nur wenn alle mitziehen, kann diese auch erfolgreich umgesetzt werden. Wenn es mal ein Problem gibt, dann ist natürlich eine externe Beratung gut, die alle zu Wort kommen lässt.

Online-Redaktion: Oft gehen Teilnahmezahlen zurück, wenn die Schülerinnen und Schüler ins Alter kommen, im Imbiss um die Ecke zu verschwinden. Ist das auch Thema?

Kochen
© Britta Hünig

Erdmann: Das ist tatsächlich ein wichtiges Thema, das viele Schulen umtreibt. Essen hat viel mit Akzeptanz und Wertschätzung zu tun. Diese kann man steigern, indem man die Schülerinnen und Schüler an der Essensplanung teilhaben lässt – Stichwort Partizipation. Die Schulen können sich auch Feedback einholen. Es gibt viele Möglichkeiten, Attraktivität und Teilnahme zu steigern.

Online-Redaktion: Welche Gelingensfaktoren für die Schulverpflegung gibt es Ihrer Erfahrung nach?

Erdmann: Kommunikation ist der Dreh- und Angelpunkt. Auch läuft es an den Schulen am besten, an denen es vor Ort eine Person gibt, die für die Schulverpflegung verantwortlich ist – quasi einen Kümmerer, der am besten einschätzen kann, was sich wie umsetzen lässt und wo es noch Optimierungsbedarf gibt. Man muss aber auch einfach ehrlich sagen, dass es für Schulverpflegung kein Patentrezept gibt. Ein guter Anfang ist aus unserer Sicht, den Qualitätsstandard für die Verpflegung in Schulen der Deutschen Gesellschaft für Ernährung als Grundlage und Handlungsleitfaden zu nutzen. Dieser gibt gute Anhaltspunkte für die Analyse der Verpflegung in der Schule und für die Ermittlung von Verbesserungsmaßnahmen. Und natürlich hat das Landeszentrum für Ernährung Materialien und Angebote, mit denen wir die Schulen unterstützen.

Online-Redaktion: Welche organisatorischen und thematischen Angebote machen Sie?

Erdmann: Neben der Beratung bieten wir Austauschmöglichkeiten und Fortbildungen in Präsenz und online an. Ein Beispiel sind unsere „Werkstattgespräche Kita und Schule“. Wir bieten sie zu verschiedenen Themen an, beispielsweise zur Akzeptanz der Mensa oder zur Vermeidung von Lebensmittelverschwendung. Dann veranstalten wir regelmäßig unsere „Profi-Treffs“, wo es hauptsächlich um die Ausschreibungsverfahren geht. Wir organisieren den landesweiten Tag der Schulverpflegung in Baden-Württemberg. Dafür bringen wir jedes Jahr einen Ideenkatalog mit Mitmachangeboten heraus und Materialien, die wir an jede interessierte Schule verschicken. Der Aktionstag findet dieses Jahr am 18. November 2021 statt, und Schulen können sich noch bis zum 10. Oktober 2021 anmelden. Auf unserer Webseite finden sich viele Materialien zum kostenlosen Herunterladen. Das sind Erfahrungskataloge zum Beispiel zum Thema Mensa, sowie vielfältige Infobroschüren und Leitfäden.

Wir führen auch immer wieder Modellprojekte an Schulen durch, zum Beispiel zur Verbesserung der Verpflegung oder zur Verknüpfung von Ernährungsbildung und Schulverpflegung. Dieses Jahr startet ein neues Projekt mit einem Fokus auf Bio- und bio-regionalen Produkten in der Schulverpflegung. Wir unterstützen dazu Kommunen, also den Schulträger, bei der partizipativen Entwicklung von Verpflegungskonzepten und der Umsetzung dieser in drei bis fünf Modellschulen je Kommune. Dafür können sich Kommunen noch bis zum 15. Oktober 2021 bewerben. Wir sind also breit aufgestellt und wollen damit den vielfältigen Herausforderungen, die sich einer Schule beim Thema Verpflegung stellen, begegnen.

Online-Redaktion: Was verbirgt sich hinter BAWIS-KIT?

Schülerinnen unterhalten sich in der Mensa
© Britta Hüning

Erdmann: Die Abkürzung steht für „Beratung Arbeitshilfe Werkstattgespräche Informationsnetzwerk Schule und Kita“. Im Prinzip handelt es sich um eine Datenbank, die wie eine große Kontaktbörse funktioniert. Dort findet man Informationen zu unterschiedlichen Themengebieten, die von Caterern über Beispielschulen, Träger oder Mensavereine bis zu Anbietern von Abrechnungssystemen, Trinkwasseranlagen und anderem reicht. Wer zum Beispiel einen Ausstatter für Mensen sucht, kann uns eine E-Mail schreiben, und wir vermitteln dann die Kontakte.

Andersherum können natürlich auch Anbieter, die in die Datenbank aufgenommen werden möchten, auf uns zukommen. Wir haben spezielle Erhebungsbögen, die auf das jeweilige Themengebiet ausgerichtet sind, und alle relevanten Daten speisen wir in die Datenbank ein. Manchmal gehen wir auch auf Einrichtungen zu, zum Beispiel, wenn wir durch einen unserer Coaches einen Tipp für eine Schule mit einem besonders schönen Speiseraum oder ein tolles Projekt für pädagogisches Kochen oder einen Anbieter mit einem super Abrechnungssystem bekommen haben.

Online-Redaktion: Vielen Dank für das Interview!

Zur Person:

Lisa Erdmann M.Sc., Jg. 1991, ist seit 2021 Fachreferentin für Schulverpflegung am Landeszentrum für Ernährung an der Landesanstalt für Landwirtschaft, Ernährung und Ländlichen Raum in Schwäbisch Gmünd. Sie studierte von 2011 bis 2015 Ökotrophologie und von 2015 bis 2019 Ernährungsökonomie an der Justus-Liebig-Universität Gießen. 2019 und 2020 arbeitete sie als Wissenschaftliche Mitarbeiterin im Institut für Agrarpolitik und Marktforschung an der Universität Gießen. Im Jahr 2020 kam sie zunächst als Mitarbeiterin Veranstaltungsmanagement und Medien ans Landeszentrum für Ernährung an der Landesanstalt für Landwirtschaft, Ernährung und Ländlichen Raum.

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