Qualität der Schulverpflegung im Ganztag : Datum: Autor: Autor/in: Stephan Lüke

Die Qualität des Schulessens beschäftigt Schülerinnen, Schüler, Lehrkräfte und Schulträger. Gesa Kipsieker (Vernetzungsstelle Schulverpflegung Niedersachsen) berät Schulen und Schulträger der Region Osnabrück vom Emsland bis Ostfriesland.

Online-Redaktion: Beim Regionalen Fachtag Ganztagsschule 2023 im Kompetenzzentrum für regionale Lehrkräftefortbildung der Universität Vechta boten Sie eine „Session“ zur Schulverpflegung an. Wie war das Echo und gab es überraschende Erkenntnisse?

Gesa Kipsieker
Gesa Kipsieker © VeschNI

Gesa Kipsieker: Eigentlich hatte ich überwiegend Lehrkräfte und pädagogische Fachkräfte in meiner Runde erwartet. Doch zu meiner Freude nahmen auch Vertreterinnen und Vertreter von Schulträgern teil. Das ist gut, denn an der Organisation von Schulverpflegung sollten immer Schule und Schulträger zusammenarbeiten. Spannend war die Überlegung, wie Schulen die Qualität der Schulverpflegung sicherstellen können und welche Konzepte es dazu gibt. Es wurde in diesem Zusammenhang aber auch intensiv darüber diskutiert, wie der Gesichtspunkt der Qualität, so wie sie der DGE-Qualitätsstandard für die Verpflegung in Schulen vorsieht, in eine öffentliche Ausschreibung einfließen kann.

Online-Redaktion: Was bedeutet das für die Ausschreibung?

Kipsieker: Natürlich spielt der Preis bei einer solchen Ausschreibung eine Rolle.
Das wirtschaftlichste Angebot muss den Zuschlag bekommen. Wenn keine Qualitätsanforderungen in der Leistungsbeschreibung aufgeführt sind, bestimmt der Preis wer den Zuschlag bekommt. Die Qualitätsanforderungen, wie z. B. täglich Gemüse, ein Salatbüfett, täglich eine vegetarische Alternative und auch Zubereitungsarten, wie nur einmal wöchentlich etwas Frittiertes, lassen sich in die Leistungsbeschreibung einfügen. Am besten in Tabellenform, so werden die geforderten Qualitäten für die Anbietenden auf einen Blick deutlich.

Online-Redaktion: Spielt die Anlieferungsform eine Rolle?

Kipsieker: Man kann nicht generell sagen, das eine sei besser als das andere. Warm angeliefertes Essen kann durchaus genau so wertvoll wie vor Ort gekochtes sein. Sicher aber ist, dass eine lange Warmhaltezeit dem Essen nicht guttut. Es wird unansehnlicher und verliert an Geschmack und Vitaminen. Die DIN 10508 empfiehlt eine maximale Warmhaltezeit von drei Stunden, die auch in einer Ausschreibung zugrunde gelegt werden kann. Kalkuliert man die Anlieferung, die Vorbereitung und Ausgabezeit in der Schule mit ein, werden manche Angebote bereits keine Chance haben.

In Osnabrück hat man interessanterweise die Erfahrung gemacht, dass sich nach der Festschreibung einer gewissen Qualitätsanforderung auch mehrere Anbieter auf die geforderten Qualitäten einstellen. Die Stadt hatte das Gegenteil befürchtet. Ich bin davon überzeugt, dass sich durch den steigenden Bedarf an Schulverpflegung, auch aufgrund des Rechtsanspruches auf Ganztagsbetreuung, ein interessanter Markt für Caterer entwickeln wird.

Online-Redaktion: Kann der Schulträger die Anforderungen verallgemeinern oder sollte er sie zielgerichtet für jede Schule beschreiben?

Kipsieker: Es ist schon wichtig, dass die Kommunikation zwischen Schulen und Schulträger auch die Frage berücksichtigt, welches Verpflegungskonzept eine Schule verfolgt, also die Überlegung einfließt: „Wie und was wollen wir essen?“

Auch Schulen empfehlen wir bei der Konzeption des Ganztages ein Verpflegungskonzept zu erstellen und die Mensa für die Ernährungs- und Gesundheitsbildung zu nutzen. Generell gilt aber, dass eine Kommune ein allgemeines Verpflegungskonzept haben kann mit individuellen Gestaltungsmöglichkeiten, wie z.B. Oldenburg. Andere Städte und Kommunen übernehmen die Schulverpflegung ganz in Eigenregie, wie z. B. Göttingen oder Wolfsburg.

Online-Redaktion: Erkennen Sie regionale Unterschiede innerhalb von Niedersachsen?

Niedersachsens Ernährungsstrategie
Niedersachsens Ernährungsstrategie © Nds. Ministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz

Kipsieker: Ich glaube, der entscheidende Unterschied liegt in den personellen Ressourcen in der kommunalen Verwaltung. Städte wie Osnabrück, Hannover oder Oldenburg haben eigenes Fachpersonal eingestellt, das sich des Themas annimmt. In kleineren Gemeinden, wo vielleicht gerade einmal zwei Grund- und eine weiterführende Schule existieren, macht das häufig jemand nebenbei. Diese stehen oft überhaupt vor ganz anderen Herausforderungen als die Städte. Etwa, dass bei der Planung von Mensa und Verpflegung die örtlichen Busfahrzeiten berücksichtigt werden müssen oder dass es schwerer fällt, Kinder und Jugendliche in die Mensa zu locken, weil daheim noch die Eltern oder Großeltern zum Mittag kochen.

Online-Redaktion: Apropos „locken“: Was lockt Schülerinnen und Schüler an den schulischen Mittagstisch?

Kipsieker: Sie möchten mitentscheiden, wie ihre Mensa aussieht und was es zu essen gibt. Sie wünschen sich verstärkt Vegetarisches und dabei nicht nur ein Alibigericht wie „Pasta mit Soße“. Sie wünschen Innovatives und Vielfältiges, gerne auch regionale Produkte. Letztere können übrigens wunderbar zur emotionalen Bindung an die Mensa beitragen. Wenn man beispielsweise weiß, das Brot kommt von Bäcker X, das Gemüse vom Bauern nebenan, bindet das. Verstärkt werden kann das Ganze auch durch Exkursionen in die Betriebe, was wiederum einen Bestandteil der schulischen Ernährungsbildung darstellen kann.

Und natürlich spielt die Gestaltung der Mensa eine Rolle. Sie sollte einen Aufenthaltscharakter besitzen und im optimalen Fall vielleicht Sitzecken als Rückzugsräume vorsehen. Auch die Akustik spielt eine Rolle. Oft ist es in Mensen zu laut und zu hektisch. Wer Mensen plant, sollte sich immer fragen, ob er selbst in einer zu lauten Atmosphäre und in Hektik essen möchte. Und noch etwas wünschen Kinder und Jugendliche: Sie möchten spontan entscheiden können, dass und was sie essen möchten. Ich bin mir der planerischen Herausforderung bewusst, doch es gibt Lösungen wie etwa die Büfett-Form.

Online-Redaktion: Wie lässt sich die Hektik vermeiden?

Kipsieker: Auch das ist eine Frage der Planung. Eine Mensa, in der alle Schülerinnen und Schüler gleichzeitig essen können, wird es angesichts der dann erforderlichen Fläche kaum geben. Also muss man etwas an der Struktur, sozusagen an der Rhythmisierung verändern. Warum sollen beispielsweise jüngere Schülerinnen und Schüler nicht nach der fünften und ältere nach der sechsten Stunde in Ruhe essen? Wir raten auf jeden Fall davon ab, alle im 20 Minuten-Rhythmus durch die Mensa zu hetzen.

Online-Redaktion: Wie haben sich die Schwerpunkte der Vernetzungsstelle Schulverpflegung in den vergangenen Jahren verändert?

... nicht im 20 Minuten-Rhythmus durch die Mensa hetzen
... nicht im 20 Minuten-Rhythmus durch die Mensa hetzen © Maja Schültingkemper

Kipsieker: Das Interesse der Schulträger an Beratung und Fortbildung ist deutlich gestiegen. Von dort kommen sehr häufig rechtliche Fragen, speziell zu Ausschreibungen. Sehr oft beraten wir Schulen, die Ganztagsschule werden möchten. Sie interessiert, wie sie die Verpflegung organisieren und die Mensa optimal gestalten können. Wir raten dann immer zu einer intensiven Kommunikation, zunächst innerhalb der Schulgemeinde und anschließend mit dem Schulträger. Gerade wenn es um den Neubau von Mensen geht. Auch im Team der Schulbauberatung der Regionalen Landesämter für Schule und Bildung mit Expertinnen und Experten für die Schulentwicklung, die Unterrichtsqualität und die Arbeitssicherheit ist unsere Expertise zur Mensa und der Schulverpflegung gefragt.

Das Mittagessen sollte für alle Schülerinnen und Schüler möglich sein, ein barrierefreier Zugang, breite Verkehrswege, mindestens eine abgesenkte Essenausgabe, optische und akustische Orientierungshilfen sollten einfach Standard sein für eine inklusive Schule. Für BuT berechtigte Schüler und Schülerinnen gibt es das Mittagessen kostenlos, das gemeinsame Essen fördert die Integration und das soziale Miteinander

Online-Redaktion: Wie sieht es mit der Zielgruppe Schule aus. Sprechen Sie alle dort Tätigen an?

Kipsieker: Selbstverständlich, Ihnen stehen unsere zahlreichen Fortbildungen offen. Und die werden auch genutzt. Einen neuen Impuls hat der 2021 verabschiedete Erlass zur Bildung für nachhaltige Entwicklung in Niedersachsen gebracht. Alle Schulen haben jetzt sogenannte BNE-Beauftragte, und viele fühlen sich bestärkt, über die globalen Nachhaltigkeitsziele auf die Mensa einzugehen. Als solche Ziele nenne ich nur einmal Demokratie, also die Mitwirkung aller an der Gestaltung von Mensa und Essen, die Nachhaltigkeit, also die Verwendung regionaler und saisonaler Produkte, oder die Umwelt, wozu beispielsweise der Umgang mit Essensresten oder Verpackungsmüll zählt. Wir haben Materialien für eine Schul-AG „Klimagesunde Mensa“ erarbeitet, der AG-Fahrplan beinhaltet 17 Aktionsbausteine/Module mit begleitenden Materialien. Sie sind kostenfrei auf unserer Homepage herunterzuladen.

Online-Redaktion: Wenn Sie mit Blick in die Zukunft Wünsche äußern dürften, welche wären es?

Kipsieker: Mehr personelle Ressourcen und eine feste Verankerung des Themas in den Schulen sind wünschenswert. Aber auch eine Weiterentwicklung, wenn es um das Essen und die Verpflegung derjenigen geht, die den Ganztag nicht nutzen. Denn nur die Schülerinnen und Schüler im Ganztag haben einen Anspruch auf eine warme Mahlzeit. Für alle anderen müssen sich die Schulen etwas einfallen lassen, wie etwa einen Schulkiosk, damit die Schülerinnen und Schüler zumindest Kleinigkeiten kaufen können, um sich zu stärken.

Online-Redaktion: Vielen Dank für das Interview!

Zur Person:

Gesa Kipsieker, Jg. 1967, vertritt die Vernetzungsstelle Schulverpflegung Niedersachsen im Regionalen Landesamt für Schule und Bildung Osnabrück für die Region Osnabrück/Emland bis Ostfriesland. Bevor die ausgebildete Diätassistentin 2019 ins Team der Vernetzungsstelle Schulverpflegung wechselte, war sie zehn Jahre lang über eine Werkstatt für Menschen mit Beeinträchtigung in der Schulverpflegung an verschiedenen Schulen tätig. Sie unterstützt Schulen und Schulträger in der Region rund um das Thema Essen und Trinken in Schulen und ist Ansprechpartnerin für Fragestellungen rund um die Qualität, die Organisation und die Gestaltung einer ausgewogenen Schulverpflegung.

Die Vernetzungsstelle Schulverpflegung ist in Trägerschaft der Deutschen Gesellschaft für Ernährung DGE e.V. und wird vom Niedersächsischen Ministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz gefördert.

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