Qualität der Schulverpflegung im Ganztag : Datum: Autor: Autor/in: Stephan Lüke

Die Umsetzung der DGE-Qualitätsstandards sowie die Teilnahme an Kita- und Schulverpflegung für alle Kinder sind zwei Forderungen der 16 Vernetzungsstellen Kita- und Schulverpflegung der Bundesländer.

Immer mehr Schulen in Deutschland wandeln sich zu Ganztagsschulen. Immer größer wird die Zahl der Kinder, die auch über Mittag in ihrer Kita bleiben. Gleichzeitig aber beklagen Ernährungsexperten eine zu hohe Zahl von Kindern und Jugendlichen, die ohne ein gesundes und ausreichendes Frühstück in Kita und Schule kommen. Da liegt es auf der Hand, dass der Ernährung in den Einrichtungen eine immer größere Bedeutung zukommt. Untermauert wird dies durch eine Erhebung des Statistischen Bundesamtes aus dem Jahre 2013. Demnach nehmen bereits heute etwa zwei Millionen Kinder unter sieben Jahre ihr Mittagessen im Rahmen von Gemeinschaftsverpflegung ein.

Rechnet man die Schülerinnen und Schüler, die Ganztagsangebote nutzen, hinzu, steigt die Zahl deutlich. Die 16 Vernetzungsstellen Kita- und Schulverpflegung sind eine Initialmaßnahme im Rahmen des Nationalen Aktionsplan IN FORM. Sie widmen sich seit Jahren der Information, Beratung und Fortbildung von Schulen und Kindertagesstätten sowie deren Trägern zu allen Belangen der Verpflegung und Ernährungsbildung. Ein Sprechergremium der Vernetzungsstellen hat nun Handlungsempfehlungen erarbeitet. Sie richten sich an den Bund, die Länder, an Kitas und Schulen sowie deren Träger.

Mahlzeiten sollen Genuss vermitteln

Die Vernetzungsstellen setzen sich dafür ein, die Umsetzung der Qualitätsstandards der Deutschen Gesellschaft für Ernährung e.V. (DGE) für die Schulverpflegung und für die Verpflegung in Tageseinrichtungen für Kinder verpflichtend einzuführen. Darüber seien die Voraussetzungen für die Teilnahme aller Kinder und Jugendlichen an der Kita- und Schulverpflegung, unabhängig von ihrer sozialen Herkunft, zu schaffen. Und schließlich müsse die Kita- und Schulverpflegung als Teil der wichtigen Ernährungs- und Verbraucherbildung gesehen, entsprechend gestaltet und pädagogisch begleitet werden.

Wörtlich formulieren die Verfasser des Papiers: „Da die Gemeinschaftsverpflegung eine bedeutende Rolle für Nährstoffversorgung und Entwicklung des Essverhaltens spielt, muss sich die ernährungsphysiologische und sensorische Qualität an den Bedürfnissen der Kinder und Jugendlichen und aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen orientieren. Die Mahlzeiten sollen Genuss vermitteln und dabei gleichzeitig eine sozial gerechte Kostenbeteiligung von Eltern berücksichtigen.“

Starköche setzen sich für Qualität und Aufklärung ein

Mit ihren Vorstellungen und Ansprüchen stehen die Akteure in den Vernetzungsstellen wahrlich nicht alleine da. Seine Visionen von gutem Schulessen, aber eben auch vom Umgang mit Lebensmitteln und dem Umgang mit Tieren machte jüngst Starkoch Johann Lafer deutlich. Beim 7. Deutschen Kongress Schulverpflegung in Bad Kreuznach, der in der von Lafer betriebenen Mensa des Gymnasiums am Römerkastell stattfand, betonte er: „Wir werfen viel zu viel weg“. Zugleich kritisierte er das Konsumverhalten. Wenn das Lämpchen im Auto blinke und anzeige, dass Öl nachgefüllt werden müsse, fülle jeder, ohne mit der Wimper zu zucken, Öl nach und lege dafür problemlos 18,50 Euro auf den Tisch. Die gleichen Menschen aber ärgerten sich im Supermarkt darüber, dass gutes Olivenöl 12 Euro koste. In seiner Mensa kostet das Essen 4,20 Euro – 3,10 Euro zahlen die Eltern, 1,10 Euro steuert die Kommune bei. Seinerzeit gestand der Koch gegenüber www.ganztagsschulen.org: „Für 2,50 Euro könnten wir unser Niveau nicht anbieten.“ Und selbst 4,20 Euro seien nur möglich, wenn man darauf achte, saisonale Angebote und nicht etwa Erdbeeren im November auf den Tisch zu bringen.

Seine Kollegin Sarah Wiener hat eigens eine Stiftung gegründet, die sich für Aufklärung, Qualität des Essens und Sensibilisierung der Menschen für das Thema einsetzt. Der Geschäftsführer der Stiftung, Daniel Mouratidis, hatte im Interview mit www.ganztagsschulen.org gesagt: „Ein großer Schritt wäre geschafft, wenn das Thema Schulmensa nicht von den Kosten her gedacht würde, sondern der Qualitätsgedanke an erster Stelle stünde.

Also: So frisch, regional und saisonal wie möglich, mit genügend Wahlmöglichkeiten für die verschiedenen Geschmäcker.“ Ganz wichtig sei es, bei der Neugestaltung eines Mensaangebotes das Thema Ernährungsbildung einzubeziehen. Wenn beispielsweise jedes Kind einmal einen Kochkurs mit einem der Mensaköche in seiner Schulzeit erlebt und vielleicht einmal die Kartoffeln geerntet habe, die dort verarbeitet würden, bekomme es einen ganz anderen Bezug zum Essen. Er bedauerte: „Leider sieht die Realität anders aus.“

Höhere Professionalität angemahnt

Diese Erfahrung machen die Beraterinnen und Berater der Vernetzungsstellen ebenfalls. Aber sie spüren auch immer wieder den Wunsch von Schulen und Eltern, daran etwas zu verändern. „Kitas und Schulen sollen Orte der Ernährungs- und Verbraucherbildung sein, da Verpflegung nicht nur Handlungs-, sondern auch Lernfeld ist. Die Vernetzungsstellen sehen es deshalb als ihre Aufgabe an, Kitas und Schulen zu ermutigen und zu unterstützen, die gemeinsamen Mahlzeiten als Lehr- und Lernanlässe zu begreifen und somit in einem umfassenden Sinn das Aneignen von Ernährungskompetenzen zu ermöglichen“, heißt es in den Handlungsempfehlungen.

In ihrem allgemeinen Teil fordern die Autorinnen und Autoren unter anderem, dass die Kita- und Schulverpflegung geeignet sein müsse, die Gesundheit der Kinder und Jugendlichen zu fördern. Bei der Planung, Vergabe und Durchführung der Kita- und Schulverpflegung sowie der Kommunikation unter den Beteiligten bedürfe es einer höheren Professionalität. Die Verpflegungsangebote in Kita und Schule müssten als Elemente von Ernährungs- und Verbraucherbildung gesehen, gestaltet und pädagogisch begleitet werden.

Darüber hinaus setzen sich die Vernetzungsstellen dafür ein, „dass die Qualitätsverbesserung auch künftig wie im Rahmen von IN FORM eine gemeinsame Aufgabe von Bund, Ländern und Kommunen“ bleibt. Letzteres spiegelt sich auch in der konkreten Empfehlung an den Bund wieder, der die Länder und Kommunen weiterhin durch Programme, Institutionen und Investitionen zur Förderung gesundheitsförderlicher Verpflegungsangebote in Kitas und Schulen unterstützen solle. Zugleich gehöre die Besteuerung der Kita- und Schulverpflegung auf den Prüfstand.

Das Saarland als Vorbild

An die Kommunen richten sich die Empfehlungen, das Leitbild einer nachhaltigen und somit gesundheitsfördernden Kita- und Schulverpflegung in den Bildungsgesetzen und  programmen aller Bundesländer zu verankern, die Kita- und Schulverpflegung curricular an Maßnahmen der Ernährungs- und Verbraucherbildung anzubinden sowie Ernährung als Kulturtechnik zu begreifen, „die wie Lesen, Rechnen und Schreiben gelernt werden muss“.

Die Hauptforderung, die DGE-Qualitätsstandards gesetzlich zu verankern, untermauern die Herausgeber der Empfehlungen mit der Erkenntnis von Experten, dass die Qualität im Vergleich zu den wissenschaftlich erarbeiteten Standards vielerorts immer noch verbesserungswürdig sei. Nach wie vor gebe es zu viel Fleisch, zu selten Fisch, Gemüse und Obst. Lobend heben die Autoren das Saarland hervor, wo seit dem Schuljahr 2013/2014 die Einhaltung des DGE-Qualitätsstandards für die Schulverpflegung verbindlich für alle Ganztagsschulen festgeschrieben ist.

An Kitas, Schulen und deren Träger geht die Empfehlung, Speiseräume und Cafeterien als kommunikative Räume zu gestalten, in denen die jungen Gäste essen, trinken, kommunizieren und sich entspannen können. Darüber hinaus müsse die Praxis einer nachhaltigen und somit gesundheitsfördernden Verpflegung in die pädagogische Arbeit, die Konzepte und Leitbilder aufgenommen und Teil der Qualitätsentwicklung von Kita und Schule werden. Einig sind sich die Verfasser, dass in die Gestaltung der Räume, aber auch der Speisepläne die Schülerinnen und Schüler einbezogen werden sollen. Das diene der Identifikation. Johann Lafer drückt das so aus: „Eine Mensa braucht keine Kunden. Sie braucht Fans.“

 

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