Ganztagstagung „schmeckt“ auch online : Datum: Autor: Autor/in: Stephan Lüke

„Schulverpflegung in Bewegung“ hat in Niedersachsen fast schon historischen Charakter. Ausgerechnet die Jubiläumsveranstaltung schien gefährdet. Doch sie fand statt – online. Eine Erfolgsgeschichte.

Schüler bringen das Mittagessen
© Britta Hüning

Die Erleichterung war groß, dass die für Ende November geplante Tagung „Schulverpflegung in Bewegung“ – es war ausgerechnet die zehnte ihrer Art und damit die Jubiläumstagung – nicht gestrichen werden musste. Denn das Veranstalterteam, bestehend aus dem Niedersächsischen Ministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz, der Vernetzungsstelle Schulverpflegung, der Landesvereinigung für Gesundheit und Akademie für Sozialmedizin, der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (Sektion Niedersachsen), der Akademie des Sports und der Verbraucherzentrale Niedersachsen, plante kurzfristig um.

Statt sich live zu treffen, fand man online zusammen, um sich den Themen der Ernährungsbildung in Schulen zu widmen, zu denen gesundheitsfördernde, schmackhafte und kostenverträgliche Speisenangebote, die Wertschätzung des Essens, Bewusstseinsbildung hinsichtlich Lebensmittelverschwendung sowie Nachhaltigkeit und Umweltschutz gehören. Erfreut durfte festgestellt werden: Das Interesse litt nicht. 66 Teilnehmerinnen und Teilnehmer ließen sich spontan auf das „Abenteuer“ ebenso ein wie Moderatorin Tomma Hangen sowie die Referentinnen und Referenten. 

„Mut haben, so etwas zu machen“

Wie bei Abenteuern üblich, fragten sich die Veranstalter im Vorfeld, ob das Wagnis nicht doch zu groß würde. Schließlich stand ihnen gerade etwas mehr als ein Monat zur Verfügung, alles „neu zu stricken“. Carola Sandkühler, Leiterin des Referats „Ernährung, Hauswirtschaft, Landfrauen“ im Niedersächsischen Ministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz erinnert sich: „In einer Online-Abendsitzung knapp zwei Wochen vor der Tagung haben wir kurz, aber ernsthaft erwogen, alles abzusagen.“ Doch gemeinsam besann man sich eines Anderen. Im Nachhinein darf gesagt werden: eines Besseren.

Die Reaktionen der Teilnehmenden, die so zahlreich wie bei den neun vorherigen Tagungen dabei waren, fielen durchweg positiv aus. Tomma Hangen behielt den Ablauf routiniert im Griff. „Zwischenfälle“, wie sie auch bei der Moderation von Präsenzveranstaltungen auftreten, meisterte sie routiniert. Etwa, wenn Carola Sandkühler, einen von ihr gewählten Workshop verlassen hatte, um in einem anderen zu „lauschen“, und bei ihrer Rückkehr in den ursprünglichen Workshop mit zwei weitere Teilnehmerinnen sozusagen vor einer geschlossenen virtuellen Tür stand. Kein Problem, die Moderatorin führte die drei zu einer eigenen Austauschrunde zusammen.

Köchinnen und Koch in der Schulküche
© Britta Hüning

Carola Sandkühler kann sich vorstellen, auch künftig Hybrid-Tagungen anzubieten. Ein Vorteil für manche Gäste: Lange Anreisezeiten fallen weg. Der Nachteil: Der persönliche Austausch zwischen Tagesordnungspunkten, das Vernetzen von Angesicht zu Angesicht oder die Freude übers Wiedersehen sind nicht möglich. „Trotzdem sollte man den Mut haben, so etwas zu machen“, glaubt Sandkühler. 

Schulverpflegung in Bewegung

Danke sagten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer für die Vorträge. Diese reichten in den sechs Workshops von „Mittagsverpflegung der Zukunft“ und „Zwischenverpflegung der Zukunft“ über Hygienekonzepte und Sicherheit im Mensa-Alltag bis zum Thema Lebensmittelverschwendung. Dass Umweltschutz und Bewegung „ein starkes Duo“ bildeten, berichtete Sylke Teuteberg von der Graf-Friedrich-Schule Diepholz. Gesundheitsförderung und Umweltbildung sind in der „Bewegten Schule“ Teil des Leitbildes und reichen vom „Großprojekt Schulgarten“ und dem Schulwaldgelände mit „Klassenbäumen“, Obstbäumen und Streuobstwiese bis zur gesunden Ernährung in der Mensa – alles unter der Überschrift: „Wir übernehmen Verantwortung“.

Erst einmal erfuhren die Teilnehmenden jedoch von Prof. Dr. Markus Keller vom Institut für alternative und nachhaltige Ernährung in Biebertal bei Gießen einige Details aus der aktuellen Studie „Vegetarische und vegane Ernährung bei Kindern und Jugendlichen“ (VeChi-Youth-Studie). Die von der Deutschen Gesellschaft für Ernährung initiierte Studie untersuchte den Einfluss dieser Ernährungsformen auf die Nährstoffversorgung und den Gesundheitszustand von Kindern und Jugendlichen.

VeChi-Youth-Studie sorgt für Nachdenklichkeit

Keller: „Die Ergebnisse zeigen, dass vegetarische und vegane Ernährung bei Kindern und Jugendlichen eine altersgemäße Entwicklung und adäquate Nährstoffversorgung ermöglichen.“ Die Studie brachte auch keine spezifischen „Problemnährstoffe“ bei Vegetariern und Veganern zutage. So zeige sich auch bei einer vegetarischen oder rein pflanzlichen Ernährung bei den meisten Kindern die ausreichende Versorgung mit Vitamin B12 und bei vegetarischen Ernährungsformen zudem eine sehr hohe Zufuhr an Ballaststoffen. Kritisch war die Versorgung mit Vitamin B2 und Jod, auch die Daten für Calcium zeigen Handlungsbedarf auf. 

Essen in der Schule
© Britta Hüning

Keller setzt sich dafür ein, dass eine vegane und vegetarische Ernährung auch in der Gemeinschaftsverpflegung und damit der Schulverpflegung stärker ernst genommen wird: „Es müssen schmackhafte und vollwertige vegetarische und vegane Verpflegungsmöglichkeiten angeboten werden. Dafür sind Beratung und Schulung erforderlich.“ Seine Ausführungen fanden Zustimmung, lösten aber auch Nachdenklichkeit aus.

Carola Sandkühler bringt es auf den Punkt, wenn es um die Nährstoffversorgung geht. Tatsächlich habe die Studie ergeben, dass nur vier Prozent derjenigen, die überwiegend auf Fleisch verzichten, übergewichtig seien, während das laut der Kinder- und Jugendgesundheitsstudie KiGGS des Robert-Koch-Instituts für 15 Prozent der Kinder und Jugendlichen zutreffe. Sandkühler schiebt ihr „Aber“ hinterher: „Betrachtet man die Vitamin B12-Versorgung verhält sich das anders.“ Die Kinder wären schlechter mit B12 versorgt und müssten B12 supplementieren, also gezielt ergänzend aufnehmen. Vitamin B 12 sei wichtig für unser Gehirn und unser Nervensystem. 

Sandkühler: „Jugendliche, die sich vegan ernähren, sollten dem potenziellen Mangel an Proteinen und Calcium zum Beispiel durch mehr Hülsenfrüchte, Nüsse und eine ballaststoffreiche Kost vorbeugen.“ Auch einer niedrigeren Eisenversorgung muss durch Mischkost vorgebeugt werden. Fazit der Referatsleiterin: „Die Ergebnisse zeigen, dass eine vegane oder vegetarische Ernährung für Kinder einer bestimmten Aufmerksamkeit insbesondere mit Blick auf Vitamin B12 und Eisen bedarf. Kinder, die zu viel Fleisch essen, sollten wiederum auf ihr Gewicht achten.“

„Jetzt loslegen“

Aus vielerlei Blickwinkeln warf Anja Köchermann, Ökotrophologin und Fachdienstleiterin Küchenbetriebe im Schuldezernat der Stadt Göttingen, in ihrem Workshop einen Blick auf „Schulverpflegung in Bewegung.“ Sie appellierte an die online Anwesenden, alle in Schule beteiligten Akteure in die Planung von Mensa und Speiseplänen einzubeziehen. Grundlage aller Überlegungen sollten die Standards der Deutschen Gesellschaft für Ernährung sein. Sie ist sich bewusst: „Wie bei so vielem in der Schule bedarf es eines Kümmerers.“ Will heißen, einer Person, die es in die Hand nimmt. Sie sprach sich auch dafür aus, die Ernährungsbildung der Schülerinnen und Schülern, wozu auch gehört, mehr Wertschätzung für Lebensmittel zu schaffen, in die Stundentafel aufzunehmen. 

Köchin beim Brotschneiden in der Küche
© Britta Hüning

In die gleiche Kerbe schlug auch Sonja Pannenbecker. Die Referentin für Lebensmittel und Ernährung der Verbraucherzentrale Bremen, die zuvor über „Lebensmittelverschwendung und Ernährungsbildung“ referierte hatte, wünscht sich, dass „Schulen räumlich, mit Küchen und Personal so ausgestattet werden, dass sie in der Lage sind, Ernährungs- und Konsumkompetenzen auch vermitteln zu können.“ Gleichzeitig plädierte sie dafür, nicht zu warten, bis „optimale Rahmenbedingungen“ geschaffen seien: „Jede und jeder kann jetzt loslegen und eigene Projekte starten.“

Das Echo der Teilnehmerinnen und Teilnehmer auf diese Jubiläumstagung gab Carola Sandkühler schließlich Recht. „Vielen Dank für die tolle Vorbereitung“, heißt es an einer Stelle und an anderer: „Ich bedanke mich sehr. Trotz einiger technischer Probleme war es sehr bereichernd. Danke!“ Einig waren sich alle Besucherinnen und Besucher der insgesamt sechs Workshops, dass gute Schulverpflegung guter Vernetzung innerhalb und außerhalb des Schulgebäudes bedarf. Das hielten sie im „Netz“ fest und verabschiedeten sich ins reale Leben.

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