Die Schulmensa als praktischer Lernort : Datum: Autor: Autor/in: Stephan Lüke

Ganztagsschulen und Träger in Niedersachsen suchen immer häufiger die Unterstützung der Vernetzungsstelle Schulverpflegung. Leiterin Diana Reif verrät, was sie und ihr Team anbieten.

Online-Redaktion: Was bieten Sie als Vernetzungsstelle Schulverpflegung Niedersachsen den Ganztagsschulen an?

Diana Reif: (lachend) Um die Frage zu beantworten, würde Ihr Platz wohl nicht ausreichen. Aber im Ernst, wir bieten den Ganztagsschulen eine Fülle von Möglichkeiten, sich mit einem gesunden Schulessen zu beschäftigen.

Diana Reif
Diana Reif © Diana Reif

 Unsere Vernetzungsstelle hat Ansprechpartnerinnen in Lüneburg, Braunschweig und Osnabrück, die für alle Regierungsbezirke in Niedersachsen zuständig sind. Unser Träger ist die Deutsche Gesellschaft für Ernährung e.V. Gefördert werden wir vom Niedersächsischen Ministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz. Was die Schulverpflegung betrifft, bemühen wir uns, stets möglichst aktuell zu sein. Dies gilt besonders für unsere Internetplattform und für unsere zahlreichen Austausch- und Informationsveranstaltungen, die wir das ganze Jahr über für Schulen anbieten.

Online-Redaktion: Welche Schwerpunkte setzen Sie in diesen Veranstaltungen aktuell?

Reif: In diesem Jahr wird es intensiv das sogenannte Nudging in der Schulverpflegung und Küchenplanung sein. Nudging ist ein Konzept, das bedeutet, Menschen anzustubsen und für ein bestimmtes Handeln zu sensibilisieren – sprich wir liefern den Schulen sozusagen Gedankennahrung für ihre Planungen. Eine zunehmende Rolle spielt bei uns derzeit die Allergenkenn- und Zusatzstoffkennzeichnung.

Wichtig ist uns, dass alle unsere Aktivitäten, seien es die Lehrerfortbildungen, die von uns erstellten Materialien, unsere telefonische Beratung oder der Speiseplancheck für Schulmensen, den wir einmalig zum Tag der Schulverpflegung anbieten, sich stets an den Empfehlungen des Qualitätsstandards der Deutschen Gesellschaft für Ernährung orientieren.

Online-Redaktion: Für welche Angebote interessieren sich die Schulen besonders?

Reif: Wir beobachten, dass der Wunsch nach Beratung bei den unterschiedlichen Akteuren, seien es Schulleitungen oder Lehrerinnen und Lehrer, seien es Eltern, seien es die Caterer oder die Schulträger, stetig zunimmt. Dies belegt das große und wachsende Interesse an den Austausch- und Informationsveranstaltungen, aber auch am Speiseplancheck.

Online-Redaktion: Nehmen Sie bei den Schulen und Trägern des Ganztags ein steigendes Bewusstsein für ein gesundes Ernährungsangebot wahr?

Reif: Ja, das können wir schon feststellen. Aber ich muss ehrlich sagen, es geschieht mitunter zögerlich. Oft wird die Umsetzung aufgrund der Komplexität des Themas und der erforderlichen Vereinbarkeit der unterschiedlichen Akteure und ihrer Interessen als schwierig empfunden und versandet dann. Da sind wir besonders gefragt, Mut zu machen und Unterstützung zu leisten, um den langen Wandel hin zu einer bewussten und gesunden Ernährung nicht aus den Augen zu verlieren.

Online-Redaktion: Wie wird die Vernetzungsstelle konkret eingebunden?

Schülerinnen und Schüler lernen kochen
© Britta Hüning

Reif: Schulen kommen auf uns zu, wenn sie zum Beispiel mit dem derzeitigen Verpflegungsangebot unzufrieden sind. Sie suchen dann nach Möglichkeiten, das Verpflegungsangebot zu verbessern. Aber auch, wenn es um die Neuplanung von Mensen geht, werden wir vermehrt angefragt. Schulträger binden uns ein, wenn es darum geht, ein Verpflegungssystem an ihren Schulen zu installieren oder eben auch bei der Planung von Mensen.

Online-Redaktion: Wo sehen Sie die größten Herausforderungen im Zusammenhang mit gesunder Ernährung in der Schule?

Reif: Um eine hohe Akzeptanz für ein gesundheitsförderndes Verpflegungsangebot zu erreichen, ist ein gutes Zusammenarbeiten von Schule, Verpflegungsanbieter, Schulträger unter Einbeziehung der Eltern und Schülerinnen und Schülern notwendig. Es braucht insgesamt ein Verständnis darüber, was eine gesundheitsförderliche Ernährung ist und wie man sie für die Schülerinnen und Schüler attraktiv macht. Jeder der Akteure muss das wirklich wollen. Die Akzeptanz einer gesunden Schulverpflegung hängt außerdem stark mit der Ernährungsbildung zusammen. Es muss wertschätzend und nicht abwertend über Essen gesprochen, vor allem aber auch damit umgegangen werden. Essen muss als wertvoll gelten, es geht um gutes und leckeres Essen.

Online-Redaktion: Reicht gesundes Essen in der Schulmensa aus oder sollten Schulen sich stärker der Ernährungsbildung widmen?

Schülerinnen und Schüler in der Mensa
© Britta Hüning

Reif: Wichtig ist aus meiner Sicht vor allem, dass die Schulmensa nicht losgelöst vom Ernährungsbildungskonzept der Schule gesehen wird, sondern als praktischer Lernort für eine zukunftsorientierte Ernährung, die vor allem gesundheitsorientiert und nachhaltig ausgerichtet sein muss. Die Schule hat mit der Mensa die Chance, dass Schülerinnen und Schüler das theoretisch Gelernte in der Praxis erfahren und prüfen können.

Online-Redaktion: Welche Rolle spielt die Partizipation von Schülerinnen und Schülern, Lehrerinnen und Lehrern oder auch der Eltern bei der Schulverpflegung?

Reif: Ohne Partizipation ist eine gute Schulverpflegung nicht denkbar, vor allem die Akzeptanz der Schulverpflegung hängt davon ab, daher hat sie einen hohen Stellenwert. Allerdings sollte genau darüber nachgedacht werden, wie die Partizipation stattfinden soll, damit sich im Ergebnis auch alle Akteure ernst genommen fühlen. Vereinfacht gesagt: Die Schülerinnen und Schüler zu fragen, wie sie sich eine gesunde Schulverpflegung vorstellen, konkrete und vernünftige Vorschläge zu erhalten und diese dann doch zu ignorieren, erzielt genau den entgegengesetzten Effekt: Ablehnung.

Online-Redaktion: Rund 20 Prozent der 14- bis 15-Jährigen ziehen Snacks dem Mensaessen vor. Wie kann man ihrem Bedürfnis in der Schule gerecht werden?

Reif: Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung hat zum Thema Snacks eine Ergänzung zum DGE-Qualitätsstandard für die Schulverpflegung geschrieben. Hier wird beschrieben, wie gute Snacks in der Schulverpflegung aussehen können und was generell bei einem Angebot von Snacks in der Schulverpflegung berücksichtigt werden soll. Das Thema Snacks sollte aus unserer Sicht an weiterführenden Schulen auf jeden Fall berücksichtigt werden, um die Mensa attraktiv zu machen und die Schülerinnen und Schüler an der Schule zu halten.

Online-Redaktion: Wie kann das gelingen?

Reif: Es können am Kiosk oder in der Mensa Snackgerichte „to go“ als Alternative angeboten werden. Wichtig ist natürlich auch dort der Aspekt der gesunden Ernährung. Älteren Schülerinnen und Schülern ist oft wichtig, dass sie schnell – etwa an einer Extraausgabe – an ihren Snack kommen. Den wollen sie meist nicht in der Mensa, sondern draußen im Kreis ihrer Freunde essen. Wenn dies gelingt, bleibt der Kontakt zur Mensa erhalten.

Online-Redaktion: Welche Schritte raten Sie Schulen, die eine Mensa einrichten oder optimieren wollen?

Reif: Zuerst einmal sollte sich die Schule ein Konzept überlegen, wie sie die Schulverpflegung in den Schulalltag integrieren möchte und welchen Anspruch sie an die Schulverpflegung hat. Dies sollte möglichst genau beschrieben und begründet sein und sich später optimalerweise im Schulprogramm wiederfinden.

Britta Hüning
© Britta Hüning

Dabei kann zum Beispiel der DGE-Qualitätsstandard für die Schulverpflegung zur Hilfe genommen werden. Um das Konzept zu erarbeiten, empfehlen wir als Vernetzungsstelle, einen Verpflegungsausschuss einzurichten, der aus Schulleitung, Lehrkräften, Eltern- und Schülervertretern besteht und zu dem zu gegebener Zeit auch der Caterer und der Schulträgern gehören. Außerdem können externe Berater wie zum Beispiel die Vernetzungsstelle Schulverpflegung oder Küchenplaner mit einbezogen werden. Gut ist immer, wenn sich eine Schule andere Schulen und deren Schulverpflegung ansieht, um Stärken und Schwächen festzustellen, spätere Fehler zu vermeiden und überhaupt einen Eindruck davon zu bekommen, was alles möglich ist und wie die anderen Schulen dahin gekommen sind.

Online-Redaktion: Zugespitzt die letzte Frage. Wie lange benötigen wir Servicestellen wie die Ihre oder anders ausgedrückt: Sehen Sie die Chance, dass gesunde Schulverpflegung und ausreichende Ernährungsbildung eines Tages selbstverständlich sind?

Reif: Wichtig ist, dass die Themen Schulverpflegung und Ernährungsbildung in den kommenden Jahren weiter auf hohem Niveau in den Vordergrund gestellt werden. Dann können sie in ein paar Jahren tatsächlich selbstverständlich werden. Doch auch wenn es soweit ist, benötigen die Schulen und Träger verlässliche Ansprechpartner in den Ländern. Schulverpflegung und Ernährungsbildung stände dann wie alle anderen Fächer etwa im Programm für Fortbildungen. So gesehen wird man uns nie ganz loswerden.

 

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