Bundeskongress Schulverpflegung: Engagement für Ernährungsbildung : Datum: Autor: Autor/in: Ralf Augsburg

Die besten Köchinnen und Köche sollten für Schülerinnen und Schüler kochen, so wünscht sich das mancher. Um Gesundheit und Ernährung ging es beim 2. Bundeskongress Schulverpflegung am 6. November 2018 in Berlin.

In den vergangenen zehn Jahren hat sich die Zahl der Schülerinnen und Schüler, die in der Schule zu Mittag essen, verdoppelt. Mehr als drei Millionen Schülerinnen und Schüler in Ganztagsschulen haben einen Anspruch auf ein schulisches Mittagessen. Bereits 2014 zeigte eine bundesweite Befragung von Schulleitungen, dass im Primarbereich durchschnittlich 50 Prozent der Kinder und im Sekundarbereich etwa 30 Prozent der Jugendlichen an der Schulverpflegung teilnehmen.

Die Zunahme steht im direkten Zusammenhang mit dem Ausbau der Ganztagsschulen. Dies stellte Bundesgesundheitsminister Jens Spahn am 6. November 2018 zum Auftakt des Bundeskongresses Schulverpflegung mit einer persönlichen Einschätzung fest: „Als ich im Münsterland zur Schule ging, gab es dort keine Ganztagsschulen und auch kein Mittagessen. An meinem Gymnasium gab es einen Schulkiosk, das war alles. Heute ist die Struktur mit den Ganztagsschulen eine ganz andere.“

Ernährung und Gesundheit als zwei Seiten der Medaille

Julia Klöckner bei einer Rede
Bundesministerin für Ernährung und Landwirtschaft Julia Klöckner © Redaktion

Der Bundesgesundheitsminister war zusammen mit der Bundesministerin für Ernährung und Landwirtschaft Julia Klöckner in das Berliner Humboldt-Carré gekommen, um den Kongress mit rund 300 Teilnehmerinnen und Teilnehmern zu eröffnen. Zusammen wollten sie verdeutlichen, dass Ernährung und Gesundheit zwei Seiten einer Medaille sind. Ein besonderer Anlass für den zweiten Bundeskongress Schulverpflegung – der erste fand 2014 statt – war die neue „Studie zu Kosten- und Preisstrukturen in der Schulverpflegung“ (KuPS) der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE).

Bundesernährungsministerin Julia Klöckner, deren Ministerium die Studie finanziert hat, betonte, dass bundesweit 488 Schulträger teilgenommen haben und dass „den Schulträgern, also den Kommunen, eine elementare Rolle beim Schulessen“ zukomme. Mit insgesamt rund einer Milliarde Euro subventionieren diese die Mittagsverpflegung in den Schulen. 27 Prozent der Kommunen bezuschussen die Preise für das Mittagessen in Schulen direkt. 56 Prozent tragen die Betriebskosten für Strom und Wasser. Gar 95 Prozent der Kommunen bezahlen das Mobiliar von Mensen und Schulküchen. Immerhin 29 Prozent stellen das Ausgabepersonal.

Die Ministerin freute sich schließlich auch, dass mit der Studie „nun Transparenz geschaffen worden ist, wie viel ein Schulessen wirklich kostet“. Schließlich hatte sie dem Kongress noch eine besonders gute Nachricht mitgebracht: Das Ministerium für Ernährung und Landwirtschaft wird die jährliche Förderung der Vernetzungsstellen Schulverpflegung in den 16 Bundesländern verdoppeln – auf zwei Millionen Euro.

Schulverpflegung und Chancengleichheit

Für Prof. Ulrike Arens-Azevêdo, die Präsidentin der DGE, sorgt das Schulessen für Chancengleichheit. Denn die Schule und die Teilhabe am Schulessen vereinten alle sozialen Schichten. „Es lohnt sich, bundesweit in die Infrastruktur zu investieren, damit alle Schulen eine ausgewogene Verpflegung anbieten können.“

Schülerinnen und Schüler stehen beim Mittagessen an
Drei Millionen Schüler in Ganztagsschulen haben Anspruch auf ein Mittagessen. © Britta Hüning

Die DGE steht für Qualität der Schulverpflegung. „Wenn Schulessen schon subventioniert wird, dann sollte es gutes Essen auf Basis des DGE-Qualitätsstandards sein.“ Diese koste nur unwesentlich mehr, wie Prof. Ernestine Tecklenburg, die als eine der Autorinnen erste Ergebnisse der Studie vorstellte, betonte. „Die Wünsche der Eltern, Kinder und Lehrer sollten dafür berücksichtigt werden. Um die Qualität kontinuierlich zu verbessern und zu sichern, können einfache Instrumente wie ein Speiseplan-Check, Prüfung der Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen der Anbieter sowie Befragungen zur Zufriedenheit eingesetzt werden.“

Bei Schulen mit geringer Teilnahme am Mittagessen müsse eine Subventionierung beibehalten werden, um die Abgabepreise in einem Bereich zu halten, der die Eltern nicht abschrecke. Eine Information über die tatsächlichen Gesamtkosten der Verpflegung und zugleich über die Vorteile gesundheitsfördernder Maßnahmen könnte Eltern motivieren, verstärkt ihre Kinder zur Teilnahme am Verpflegungsangebot anzumelden.

In den Diskussionen wurde deutlich, dass sich die Anbieter von Schulessen, die aus vielen Bundesländern angereist waren, mehr Engagement für die Ernährungsbildung wünschen – von Eltern, Schulleitungen und Lehrkräften. Der Vertreter eines Catering-Unternehmens aus Nordrhein-Westfalen erklärte: „Ich mache mir Sorgen um unsere Kinder, wenn sie nicht wissen, was sie essen. Unsere Wohlstandsgesellschaft muss mehr zum Thema Ernährung lehren, wir brauchen wieder mehr Schulgärten. Essen wird tonnenweise weggeschmissen. Manche Kinder wissen nicht mal mehr, was Rotkohl ist. Da hört der Spaß doch auf.“

„Die besten Köchinnen und Köche für die Schüler“

DGE-Präsidentin Ulrike Arens-Azevêdo räumte ein, dass „wir mit unseren Qualitätskriterien die Eltern noch nicht durchweg erreichen.“ Sie hoffe, dass „immer mehr Eltern ihre Kinder an einer Ganztagsschule anmelden“, wo es möglich sei, „sie früh an gesunde Ernährung heranzuführen.“ Ursula Tenberge-Weber, Leiterin der Vernetzungsstelle Kita- und Schulverpflegung NRW, ergänzte: „Das Thema muss stärker in die Gesellschaft hinein. Das Mittagessen muss so natürlich zur Schule gehören wie der Sportunterricht.“

Schüler bei der Essensausgabe
© Britta Hüning

Ein Problem in der Praxis sind für die Caterer wiederum von Tag zu Tag schwankende Teilnahmezahlen in offenen Ganztagsschulen, manchmal auch die viel zu kurzen Zeiten, die für das Mittagessen eingeplant werden. So berichtete ein Vertreter der Arbeiterwohlfahrt, die in Mecklenburg-Vorpommern täglich 1.500 Essen herausgibt, von Schulen mit nur 20 Minuten Mittagspause, was diese mit Busfahrzeiten und Stundenplänen begründeten. „Aber mit so kurzen Zeiten wird es schwierig, die Schülerinnen und Schüler, die in Stress geraten, für das Mittagessen zu begeistern.“

Und immer wieder geht es um den Preis. In der Studie wurde ein durchschnittlicher Preis von 3,50 Euro, den Eltern pro Essen bezahlen, angegeben. Das liege weit über dem Preis, den er in Sachsen verlangen könne, wand der Vertreter eines Cook-and-Chill-Anbieters, der bis zu 25.000 Essen täglich anliefert, ein. „Dann kann ich aber auch keine guten Köche bezahlen.“ Pointiert fasste er zusammen: „Dabei sollten doch die besten Köchinnen und Köche für die Schüler kochen statt für irgendwelche Schickeria.“

„Von der Schulleitung bis zum Hausmeister“

Podiumsdiskussion beim Bundeskongress Schulverpflegung 2018
Podiumsdiskussion: „Es geht noch viel mehr.“ © Redaktion

In der Podiumsdiskussion „Schulverpflegung als gesellschaftliche Aufgabe“ ging es um die Ernährungsbildung. Angelika Reiter-Nüssle, Referatsleiterin für Ernährungsstandards und Qualitätssicherung im Bayerischen Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, sieht schon viele Fortschritte: „Das Bewusstsein bei allen Beteiligten ist gestiegen, aber noch nicht alle Schulen machen den Schritt nach vorn. Es ist viel passiert, aber es geht noch viel mehr.“ Verstärkt solle der Kontakt zu den Schulträgern gesucht werden. Sie erinnerte außerdem an das IZBB-Programm und wünschte sich ein weiteres Programm, „mit dem Mensen und Küchen gebaut werden könnten“.

Julia Desiree Neumann, die als stellvertretende Sachgebietsleiterin im Fachbereich Schule der Stadt Krefeld auch für Qualitätsstandards der Schulverpflegung und Ganztagsangebote an weiterführenden Schulen zuständig ist, empfahl aus ihrer Erfahrung, „in jeder Kommune einen festen Ansprechpartner für die Schulen zu Fragen der Mittagsversorgung zu haben“.

Eines machten die Diskussionen deutlich: Wenn alle Beteiligten beim Thema Schulverpflegung zusammenarbeiten, sind die Chancen, etwas zu bewegen, viel größer. Sarah Ilken, Regionalbeauftragte für Prävention und Gesundheitsförderung bei der Niedersächsischen Landesschulbehörde, meinte: „Ganz wichtig ist ein Mensaausschuss an der Schule, in dem alle vertreten sind: Eltern, Schülerinnen und Schüler, Caterer, Lehrerinnen und Lehrer, Schulleitung und Schulträger.“ Ulrike Arens-Azevêdo drückte es so aus: „Von der Schulleitung bis zum Hausmeister müssen alle an einem Strang ziehen.“

„Runder Tisch für die Mittagsverpflegung“

An der Realschule plus Hahnstätten in Rheinland-Pfalz ist genau das der Fall. Zwei Jahre lang haben, so Konrektorin Sandra Behrendt, alle Beteiligten der offenen Ganztagsschule in einer „sehr guten, auf gegenseitiger Wertschätzung basierenden Zusammenarbeit“ an einem „Runden Tisch für die Mittagsverpflegung“ das Verpflegungskonzept der Schule beschlossen. Das Konzept beinhaltet auch die Ernährungsbildung, und zwar in bis zu zehnstündigen Projekten im Fachunterricht. „Die Ganztagsschule ist ein Lebensraum. Wenn alle den ganzen Tag da sind, dann wollen wir auch, dass das Essen wie zu Hause schmeckt“, so die Konrektorin.

Lehrerin, Schülerinnen und Schüler beim Kochen
© Britta Hüning

In der Realschule plus, die mit der Vernetzungsstelle Kita- und Schulverpflegung Rheinland-Pfalz kooperiert, kocht eine Köchin mit großem Engagement. Aber nicht nur das, wie der Pädagogische Koordinator Christian Ortseifen berichtet. „Sie hat Koch-AGs im Ganztag angeboten und Eltern zum Brunch am Wochenende in die Schule eingeladen, um über ihre Arbeit und das Angebot für die Kinder zu informieren.“ Die Resonanz ist „für eine Schule im ländlichen Raum“ dementsprechend gut: Von den 300 Schülerinnen und Schülern nehmen 100 am Mittagessen teil.

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Kategorien: Service - Kurzmeldungen

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